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Max Mueller Bhavan | Indien

Berlinale | Die Teddy Awards
Ein filmisches Manifest queerer Existenzen

A film still from the movie "Ata Noturno"
Intensive Bildsprache und dramatische Szenen: "Ata Noturno" beleuchtet die Komplexität queerer Identitäten. | © Directors: Marcio Reolon, Filipe Matzembacher; Production: Vulcana Cinema, Avante Filmes

Mit Migrant*innendramen, queeren Coming-of-Age-Geschichten und Beiträgen aus dem großen Wettbewerb präsentiert der 39. Teddy Award einen abwechslungsreichen Mix aus Spiel-, Kurz- und Dokumentarfilmen.

In einer Welt, in der das Leben queerer Menschen immer mehr politisiert wird, würdigen nur wenige Preise ihre queere Existenz. Und keiner dieser Preise kann es mit dem Teddy aufnehmen. Die Verleihung der Teddy Awards gehört zu den aufregendsten Veranstaltungen der Berlinale. In diesem Jahr feiert der Teddy das queere Kino zum 39. Mal – damit gibt es den Award etwa halb so lange wie die Berlinale selbst. Der Preis hat queere Filmtalente gefördert und ihnen eine globale Plattform geboten, denn die ikonischen Bären genießen weltweit Anerkennung als Oscars des internationalen queeren Filmschaffens.

Bekannte Autorenfilmer wie Todd Haynes, Pedro Almodóvar, Derek Jarman, Isaac Julien, Jay Duplass, Gus Van Sant und Weltstars wie Tilda Swinton und James Franco wurden bereits mit einem Teddy ausgezeichnet. Die After-Show-Party im Anschluss an die Preisverleihung ist legendär und eine der beliebtesten Medienveranstaltungen der gesamten Filmfestspiele – die Einladungen sind heiß begehrt. Doch vor allem bietet der Teddy queeren Filmen, Schauspieler*innen, Drehbuchautor*innen und Filmemacher*innen unterschiedlichster Herkunft, die zum Teil noch am Anfang ihrer Karriere stehen und/oder in ihrer Heimat diskriminiert werden, die einmalige Gelegenheit, ihr Talent auf der Berlinale zur Schau zu stellen und damit nicht nur die begehrte Teddy-Auszeichnung, sondern auch internationale Anerkennung zu gewinnen.

Ein Filmstill der “Dreamers”

Ein Filmstill der “Dreamers”, ein Film über zwei Frauen, die Liebe in einem Immigrationszentrum finden. | © Regie: Joy Gharoro-Akpojotor; Produktion: Quiddity Films, Joi Productions, BBC Films

Mit ihrer sorgfältigen Auswahl von Filmen und Schauspieler*innen stellen die Teddy Awards seit jeher sensible politische und soziale Themen unerschrocken in den Fokus und definieren Queerness über das Sexuelle hinaus als zutiefst menschliche Aufmerksamkeit füreinander. Aus dem vielfältigen Programm der diesjährigen Berlinale konkurrieren zahlreiche Filme um den Teddy: Eine abwechslungsfreie Mischung aus Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen tritt für die Teddy-Kategorien Bester Spielfilm, Bester Dokumentar- / Essayfilm und Bester Kurzfilm sowie für den Jury und den Special Award an.

Von Migrant*innen-Dramen bis zur schockierenden Verführung

In dem brasilianischen Film Ata Noturno geraten die Leben eines Schauspielers und eines Politikers gefährlich außer Kontrolle, als sie sich durch ihren gemeinsame Vorliebe für Sex an öffentlichen Orten in ein fahrlässiges Spiel um Lust, Erfolg und Tod verstricken. Der Film zeigt in provokanten Bildern, welchen Gefahren Menschen allein aufgrund ihrer sexuellen Identitäten in den Gesellschaften der Welt ausgesetzt sind, und stellt die zentrale Frage, was wir in einer Gesellschaft als akzeptabel erachten. Wie viel queere Sichtbarkeit ist wirklich erlaubt? Würde ein heterosexuelles Paar mit demselben Verhalten genauso schockieren? In einer Zeit, in der Länder in aller Welt erneut Zensurgesetze gegen „homosexuelle Propaganda“ erlassen, beleuchtet Ata Noturno die Komplexität und Diversität queerer Identitäten.

 
Das Drama Dreamers erzählt die Romanze zweier nigerianischer Asylbewerberinnen mit großen Träumen und wenig Hoffnung in Großbritannien. Dreams in Nightmares folgt drei jungen Schwarzen Frauen auf ihrem Roadtrip durch die USA, auf dem sie mit teils unüberwindbaren persönlichen Brüchen konfrontiert werden. Der animierte Publikumsliebling Lesbian Space Princess inszeniert die Schmerzen des Erwachsenwerdens in einer Sc-Fi-Welt. Eine weitere Coming-of-Age-Geschichte, Casi Septiembre, berichtet von den Erlebnissen einer Teenagerin in einer spanischen Küstenstadt. Der Beitrag geht als Kurzfilm ins Rennen.

In Janine zieht aufs Land macht eine nicht operierte deutsche Transfrau genau das: sie zieht aufs Land. Was für viele einem idyllischen Traum gleichkäme, entpuppt sich für Janine und das abgeschiedene Dorf als existenzielle Herausforderung. Der legendäre queere Filmemacher Rosa von Praunheim (Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt, 1971) präsentiert mit Satanische Sau eine wilde Achterbahnfahrt durch das queere Leben, die sich vermutlich am besten als fiktionalisierte Autobiografie beschreiben lässt.

Potentielle Blockbuster

Und dann sind da noch die Beiträge aus dem großen Wettbewerb. Einer der Konkurrenten um die Bären ist Hot Milk, der von den Ängsten und bedrückenden Gefühlen eines Lebens als queere Person mit einer chronisch kranken Mutter erzählt. In Ira Sachs neuestem Werk Peter Hujar's Day tauscht der verstorbene Fotograf Peter Hujar (Ben Whishaw) mit seiner Freundin Linda Rosenkrantz (Rebecca Hall) in einer Wohnung düstere Gedanken über das Leben in New York aus. Hollywood-Veteran Richard Linklater beschreibt in Blue Moon den Lebensweg des Broadway-Autoren Lorenz Hart.
 
Auch wenn unabhängig produzierte Filme aus Indien immer einen Platz in der Berlinale-Auswahl gefunden haben, hat es seit der Einführung der Teddy Awards im Jahr 1987 nie ein queerer Film aus Indien in den Wettbewerb um einen Teddy geschafft. Am nächsten sind wir diesem Ziel nach Sita Sings the Blues (2008) in diesem Jahr mit der animierten Weltraum-Odyssee Lesbian Space Princess gekommen – die Regisseurin Leela Varghese ist indisch-australischer Herkunft.

Mit ihrem beharrlichen Engagement für eine Würdigung des queeren Filmschaffens stehen die Teddy Awards keineswegs im Schatten der Berlinale. Auch nach 39 Jahren bleiben sie sich treu und wirken als Leuchtturm der Hoffnung für queere Identitäten in aller Welt und als filmischer Schauplatz für deren gesellschaftliche Anerkennung.

Zur Jury der diesjährigen Teddy Awards gehören die Leiterin des San Francisco International LGBTQ+ Film Festival Frameline, Allegra Madsen, der Filmkritiker Jan Künemund und der Kreativdirektor des Sheffield DocFest, Raul Niño Zambrano.

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