Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Berlinale-Blogger*innen 2022
Dystopie auf der Leinwand

„Dry Ground Burning“, Brasilien, 2022. Regie: Adirley Queirós, Joana Pimenta. Im Bild: Joana Darc Furtado. Berlinale, Forum, 2022
„Dry Ground Burning“, Brasilien, 2022. Regie: Adirley Queirós, Joana Pimenta. Im Bild: Joana Darc Furtado. Berlinale, Forum, 2022 | Foto (Detail): © Cinco da Norte, Terratreme Filmes

Der brasilianische Film „Três Tigres Tristes“ (Three Tidy Tigers Tied a Tie Tighter) sowie der argentinische „La edad media“ (The Middle Ages) setzen sich in ihren Geschichten mit der Pandemie auseinander. Die portugiesisch-brasilianische Koproduktion „Mato seco em chamas“ (Dry Ground Burning) entwirft ein erschütterndes politisches Panorama des heutigen Brasiliens.

In seinem dritten auf einer Berlinale gezeigten Langspielfilm zeigt Gustavo Vinagre ein São Paulo im Alarmzustand am Rand einer weiteren Phase der Pandemie, in der die Erinnerung der Menschen in Bezug auf das Virus zu verblassen beginnt. „Die Erinnerung ist von höchster Bedeutung, um historische Grausamkeiten, wie wir sie heute erleben, verhindern zu können, Dinge in Ordnung zu bringen und Fehler nicht noch ein weiteres Mal zu begehen“, sagt der Regisseur.

Oszillierend zwischen Fabel und Darstellung des harten Alltags dreier queerer Jugendlicher mit nur geringer Perspektive im Leben schafft Vinagre einen Film, der weit mehr zeigt als nur Stereotypen. „Ich wollte dem Film eine Aura des Unbedarften verleihen, eine Leichtigkeit in der Behandlung von Themen, die gemeinhin als schwierig betrachtet werden. Ich habe versucht, die Pandemie mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zu behandeln: Manche haben mehr Angst, andere weniger, und es gibt viele Arten, mit der Situation umzugehen. Eine Pandemie also, die zum Alltag geworden ist. Doch unser Alltag in der heutigen Wirklichkeit ist an sich schon absurd: ein krimineller Faschist als Präsident, ein Virus, das außer Kontrolle geraten ist“, sagt Vinagre.

Isolation und absurde Gegenwart

Der argentinische Film La edad media von Alejo Moguillansky und Luciana Acuña zeigt eine Familie in häuslicher Isolation, während die Pandemie sich der Stadt Buenos Aires und der Welt bemächtigt. Es ist die Familie der Regisseur*innen selbst. Protagonistin ist ihre zehnjährige Tochter. Sie liest Samuel Beckett mit einem Fremden, während der Vater versucht, über Videocall die Regie bei einem Film zu führen und die Mutter sich bemüht, ihre Arbeit als Choreografin online weiterzuführen. Es ist eine Komödie, die von der aktuellen Tragödie erzählt, aus der Warte des Mädchens und ihres immer noch sehr lebendigen Traums, den Mond durch ein Teleskop sehen zu können. Themen wie die galoppierende Inflation, Warten, eine sinnlose Gegenwart und die unsichere Zukunft sind ebenfalls Teil der Erzählung.

 
„The Middle Ages”, Argentinien, 2022. Regie: Alejo Moguillansky, Luciana Acuña. Im Bild: Luciana Acuña, Cleo Moguillansk, Alejo Moguillansky „The Middle Ages”, Argentinien, 2022. Regie: Alejo Moguillansky, Luciana Acuña. Im Bild: Luciana Acuña, Cleo Moguillansk, Alejo Moguillansky | Foto (Detail): © El Pampero Cine
Absurde Gegenwart und dystopische Realität stehen sich auf der Leinwand nur einen Schritt voneinander entfernt gegenüber: In Mato seco em chamas von Adirley Queirós und Joana Pimenta sehen wir die trockene Landschaft der zentralen Hochebene Brasiliens, eine Gegend, in der Gewalt und Verbrechen herrschen. Eine Gruppe Frauen, angeführt von Chitara, entdeckt eine Erdölquelle und errichtet am Rande der Hauptstadt Brasilias in der Armensiedlung Sol Nascente eine kleine illegale Raffinerie.

Permanent besteht die Gefahr, dass es zu Auseinandersetzung mit rivalisierenden Gruppen und der Polizei kommt. Das prägt auch die Träume der Frauen von einem würdigen Leben. Die Regisseure reizen in ihrem Film alle Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit aus, indem sie auch Aussagen und wirkliche Begebenheiten aus dem Leben ihrer Nicht-Schauspieler abbilden, die sich teilweise selbst spielen. Angesiedelt in der Gegenwart und ausgestattet mit starker politischer Note, etwa in Gestalt der Kandidatur einer PPP genannten „Partei des Gefangenen Volkes“ oder Bildern von wirklichen Demonstrationen für die Wahl von Jair Bolsonaro, zeigt der Film die erschütternde Szenerie einer möglichen Welt, die nicht weit weg ist von uns. Einer Welt, die es zum Teil bereits gibt.
 

Top