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Kanadische Musiker*innen auf deutschen Festivals
„Wenn der Sound stimmt, bin ich dabei!“

Patrick Watson live auf dem Haldern Pop 2009
Patrick Watson beim Haldern Pop 2009 | © Christoph Buckstege

Jedes Jahr im Sommer ziehen Tausende von Menschen auf abgelegene Felder, um Konzerte unter freiem Himmel zu sehen. Festivals sind auch in Deutschland fester Bestandteil der Musikkultur. Aber wie erleben kanadische Künstlerinnen und Künstler sie? Wir sprachen mit den Montrealern Marie Davidson und Patrick Watson über ihre Erlebnisse und Eindrücke.

Von Dennis Kastrup

Juli 2021. Normalerweise tobt zu dieser Zeit auf unzähligen Bühnen in Deutschland die Festivalsaison. Doch Corona ist immer noch eine Bedrohung und deshalb mussten bereits früh so große Namen wie Rock am Ring/im Park, Hurricane oder das Wacken Open Air abgesagt werden. Vor der Pandemie hatten der Singer/Songwriter Patrick Watson und die Musikerin und DJ Marie Davidson aber die Möglichkeit, unter anderem das Haldern Pop, Melt und Nachtdigital Festival zu bespielen. Es war für sie nicht das erste Mal auf deutschem Boden. Beide haben in den Jahren davor bereits in verschiedenen Clubs gespielt. Für Marie Davidson legten die dort gesammelten Erlebnisse den Grundstein für ihre Beziehung zu Deutschland: „Ich habe mich damals in die europäische Clubkultur verliebt, besonders in die deutsche. Ich fand es immer schon toll, nach Deutschland zu gehen. Zuerst habe ich viel in Clubs aufgelegt. Festivals in Deutschland zu spielen, war für mich dann eine Erweiterung dieser Kulturerfahrung.“

  • Marie Davidson live © Lawrence Jones
    Marie Davidson live at Electrowerkz in London.
  • Marie Davidson live beim Nachtdigital © Christian Rothe
    Marie Davidson live beim Nachtdigital

Die besondere Nähe zu Deutschland zeigt sich auch darin, dass ihr Manager derzeit in Berlin wohnt. Auch sie hat dort schon mehrere Monate gelebt. 2019, nicht weit von der Hauptstadt entfernt, in der Nähe von Leipzig, spielte Davidson dann beim Nachtdigital, einem Festival für elektronische Musik. Es sei einer ihrer schönsten Auftritte überhaupt gewesen, sagt sie: „Ich habe auf einer Bühne unter einer Art Zirkuszelt gespielt. Die Stimmung war perfekt. Die Macher überlassen nichts dem Zufall, wenn es um den Klang geht. Das ist etwas, das ich generell über deutsche Festivals und deutsche Musikkultur sagen kann: Selbst wenn Organisation oder Kommunikation manchmal nicht perfekt sind, weil bei kleinen Festivals zum Beispiel alles eher von wenigen Leuten organisiert wird, sind der Sound, die Qualität des Soundsystems und der Tontechnik herausragend. Als Musikerin schätze ich das wirklich sehr. Mir ist es egal, wenn mir jemand keinen Wodka hinstellt oder das Wasser vergisst. Wenn der Sound stimmt, bin ich dabei!“ 

Kein großes Brimborium

Auch Patrick Watson ist eher ein Freund von kleinen, überschaubaren Festivals. 2009 und 2012 spielte er zusammen mit seiner Band auf dem Haldern Pop im nordrhein-westfälischem Rees-Haldern: „Das ist auf jeden Fall mein europäisches Lieblingsfestival. Ich erinnere mich daran, dass es beim ersten Mal eine magische Erfahrung war. Die Größe des Festivals ist sehr gut für Musik. Es gibt nur zwei Bühnen. Alles ist auf das Grundlegende reduziert und hat so eine gute Größe. Man ist nicht von Tausenden von Menschen umzingelt. Als Musiker*in ist man eben da, um einfach Musik zu spielen. Kein großes Brimborium. Das fühlt sich gut an. Stefan (Reichmann), der Leiter des Festivals, will das auch so beibehalten. Man merkt, dass er gebuchte Bands nur an der Qualität misst und nicht daran, wer berühmt ist oder nicht. Ich habe das Gefühl, dass diese Idee die Musiker*innen genauso anspricht wie das Publikum.“
 
Marie Davidson sieht das ähnlich. Sie mag die Vielfalt auf deutschen Festivals: „Der Unterschied der Kultur von europäischen, also auch deutschen Festivals, zu den meisten kanadischen Festivals ist, dass es große und kleine Bühnen gibt. Dazu gesellen sich oft dann noch Bühnen für Techno und auch für eher seltsame Musik. Auf diesen kleinen Bühnen habe ich am Anfang gespielt. Bei europäischen Festivals sind die musikalischen Genres und die Geschmäcker auch ein bisschen weiter gestreut. Das liegt vielleicht daran, dass Dance-Musik und avantgardistische Elektromusik in Europa mehr im Mittelpunkt stehen. Ich sehe aber auch, dass sich das in der kanadischen Kultur gerade ändert. Ich glaube allerdings nicht, dass früher kein Interesse dafür existierte, sondern es einfach auf Grund unserer Kultur schwieriger war, wilde Partys zu feiern. Wir haben hier mehr Regeln.“ Damit meint sie hauptsächlich die in Europa häufig nicht vorhandenen Sperrstunden, die viel nächtliche Freiheiten erlauben. Denn wenn Davidson spielt, passiert das meistens sehr spät, gerne auch in den frühen Morgenstunden. Deutsche Festivals sind nach ihren Erfahrungen liberaler: „In Kanada gibt es mehr Auflagen wegen der Gesetze für Alkohol und Sperrzeiten. Wir müssen früh aufhören. Ich kenne hier kein Festival, das die ganze Nacht bis zum Morgen weitermachen darf, außer vielleicht ein sehr kleines Festival, das bis 5 Uhr morgens geht. Das ist dann aber eine große Ausnahme. Eigentlich müssen alle Festivals um spätestens 3 Uhr vorbei sein.“   
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson backstage beim Haldern Pop 2009
  • Patrick Watson © Christoph Buckstege
    Patrick Watson beim Haldern Pop 2009

Mehr Freiheiten

Im Gegensatz zu Davdison ist Watson schon länger im Musikgeschäft unterwegs. Er hat bereits die Welt getourt und viele Erfahrungen sammeln können. Es habe sich viel verändert seit seinen Anfängen: „Als wir vor 20 Jahren in Amerika getourt sind, konnte man nirgendwo einen Café Latte oder guten Kaffee finden. Wenn wir dann nach Europa oder Deutschland geflogen sind, haben wir uns auf den guten Kaffee gefreut. Wenn man heute aber in die USA fährt, kann es sein, dass der Kaffee sogar besser schmeckt als der in Paris. Das gilt auch für das Essen. In Amerika war das früher auf Tour schrecklich. Jetzt kann man aus verschiedenen Gerichten wählen. Es gibt so viele europäische Ideen, von denen sich alle etwas abgeguckt haben. Der Nachteil ist dadurch aber auch, dass Festivals sich irgendwie ähnlicher werden und sich so eine Art Monokultur für Festivals entwickelt.“  
 
Auch wenn dadurch wohl ein wenig der lokale deutsche Charme verloren geht, bleiben die besonderen Erinnerungen mit den Menschen vor Ort. Watson hat zum Beispiel in Deutschland das Gefühl, dass sein Publikum akribischer zuhört: „Da ist jemand zu mir gekommen und hat gesagt: „Weißt du, in der zweiten Strophe, im zweiten Akkord, bei der zweiten Intonierung, da hast du…“ So etwas ist mir noch nie nach einer Show passiert, also dass jemand speziell über einen Akkord und seine Intonierung spricht.“ Marie Davidson ist ebenso voll des Lobes für die deutschen Zuhörer*innen: „Das Publikum ist super. Ich liebe es, für deutsches Publikum zu spielen. Ich habe ein spezielles Verhältnis mit Deutschland. Das funktioniert für mich da, musikalisch funktioniert das.“ Und in ihrer Begeisterung für die Deutschen fügt sie dann noch ein Klischee hinzu: „Meine Erfahrung mit Deutschen ist, dass man sich mit ihnen nicht so schnell befreundet. Die Deutschen sind da eher zurückhaltend. Aber wenn man erst einmal Freund ist, dann ist man das für immer. Einige meiner besten Freunde sind Deutsche.“
 

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