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Café Mango

© Noufel Sharif Sojol

Architektur ist ein Gemütszustand, eine Lücke, eine Sehnsucht, eine Erinnerung an etwas und noch viele andere Dinge mehr; Dinge, die wir beschreiben können und über die uns die Worte fehlen. Sie besitzt die Möglichkeit, ihre Umgebung zu verstehen und zu missverstehen. Sie ist der stille Zeuge der Einheiten, aber auch der Risse einer Kultur. Architektur entfacht die Seele unseres Innenlebens und bettet uns in ein kollektives Bewusstsein.

Von Salauddin Ahmed

Mit seiner klaren Intention, der ehrlichen Anordnung und einem deutlich lesbaren Ausdruck zeugt die Entstehungsgeschichte des Café Mango von genau dieser Sehnsucht.
 
In der City von Dhaka herrscht turbulentes Chaos und enorme Komplexität. Das sich ständig im Bau befindliche Stadtgebiet hat durch Mosaike, verschiedene Backgrounds und zahlreiche Räume dazwischen schon viele Transformationen erfahren. Aber was macht diese Stadt aus: die zersiedelte Struktur unter dem Deckmantel «Neubau» oder die Körper, die ständig darin in Bewegung sind? Egal, ob man es nun eine konstruierte Realität oder einen planlosen Alptraum nennt, auf Dhakar wiegt eine so schwere Last, dass ein gesundes Leben hier schon lange nicht mehr möglich ist. Schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man das gute Herz Dhakas: Die Stadt ist gewissermaßen ein Kuckucksnest, das mit Materialien aus aller Welt ohne ersichtlichen Grund zugemüllt wurde. Rund um die Uhr müht sie sich ab, unter dem Gewicht der vielen Menschen nicht zu zerbrechen, und man fragt sich, ob hier jemals harmonisches urbanes Leben möglich sein wird. Momentan fühlt man sich in dieser Stadt mit über 18 Millionen Einwohnern einsam und findet trotzdem keinen Platz zum Alleinsein.

Aber noch ist nicht alles verloren: Auch in Dhaka gibt es immer noch viele neue Dinge und spannende Ideen zu entdecken.
 
Die bengalische Kultur, die einmal für ihre Tradition des Geschichtenerzählens (Addabaji) bekannt war, wurde im öffentlichen Raum zunehmend zurückgedrängt und kann sich nun nicht mehr angemessen entfalten. Genau diese Lücke möchte das Café Mango schließen. Anders als noch in unserer Jugend gibt es inzwischen immer weniger Orte, wo man einfach nur in Ruhe ein Buch lesen und dabei einen Tee trinken kann. Es fehlten auch Orte, an denen man sich mit Freunden treffen, Menschen kennenlernen und bei einer Tasse Tee neue Freundschaften schließen kann. In Ermangelung solcher Treffpunkte wurde das erste Community-Café in Dhaka erfunden. Der Name Mango sollte die Idee dahinter versinnbildlichen: Eine saftige tropische Frucht, die in langen heißen Sommermonaten Erfrischung bringt. Man kann sie in allen verschiedenen Reifungsgraden verzehren, und jeder kann sich diese Köstlichkeit ein oder zwei Mal leisten, wenn sie Saison hat. Die Mango ist quasi eine Frucht der Liebe und der Sehnsucht für alle.
 
Um dieses Konzept auch im Design widerzuspiegeln, wurden zum Beispiel Oberflächen herausgearbeitet und Materialien aus der Region collageartig zusammengestellt, damit die Architektur mit den Freuden und Herausforderungen, die unsere Gesellschaft momentan kennzeichnen, in den Dialog treten kann. Um das inhärente Konzept von Objekt und Raum zu betonen, sollte jedes Element, das auf dem Grundstück vorgefunden wurde, und jedes Baumaterial, das im Zuge der Konstruktion verwendet wurde, möglichst in seiner ursprünglichen Form erhalten bleiben.
 
Um den Besucher*innen des Café Mango ein Gefühl für die Beschaffenheit des Materials zu geben, wurden bewusst nur wenige Materialien ausgewählt. So hat man für das Design vier verschiedene Komponenten benutzt und in ihrem ursprünglichen Zustand belassen: Glas, Stahl, Backstein und Holz. Die Proportionen des jeweiligen Materials wurden vorher anhand von Collagen und Zeichnungen bestimmt. Der an sich gewöhnliche und banale Prozess des Streichens und der Oberflächenbehandlung wurde dabei streng eingeschränkt, um sowohl die neuen als auch die recycelten Baumaterialien möglichst in ihrem Originalzustand zu zeigen. Da die Behandlung der Oberflächen sowohl der Ästhetik als auch der Langlebigkeit dient, haben wir nach Alternativen gesucht, um den natürlichen Verfallsprozess zu verlangsamen. Metallene Oberflächen wurden mit Wachspolitur behandelt, Holz mit wasserabweisenden Mitteln und die Backsteine wurden gewaschen und saubergebürstet.
 
Um eine starke Verbindung zwischen Innenraum, Garten, Dachterrasse und Straße zu schaffen, wurden vertikale und horizontale Aussparungen in den Wänden geschaffen und Bodenoberflächen ausgeschnitten. Die so geschaffene Transparenz gibt den Besuchern das Gefühl, gleichzeitig an allen Orten des Cafés zu sein.
 
Größe und Form der Sitzmöbel sollten bewusst einen Gegensatz zur nicht originären Materialnutzung bilden und eine neue Sprache entwickeln, die der Stadt gerecht wird. Tische und Bänke haben absichtlich verschiedene Höhen und Formen, um mit der üblichen körperlichen Distanz im öffentlichen Raum zu spielen. Das soziale Beisammensein wird hier quasi als theatralischer Akt inszeniert, indem das Hauptverbindungsfenster vom Café zur Straße hin die Proportionen eines Bildschirms aufweist. So können Vorbeikommende in das Café hinein- und die Besucher herausschauen, wodurch immer wieder Verbindungen zwischen dem Café und der Stadt geschaffen werden.
 
Letztlich ist das Café allerdings nicht nur ein Ort zum Freunde treffen, auch der einzelne Gast findet hier ein ruhiges Refugium. Wechselnde Kunstausstellungen an den Backsteinwänden lassen neue Geschichten und alte Erzählungen aufleben; sie bieten gleichermaßen einen Raum zum Sinnieren und regen zu Gesprächen an.
 
Das Café Mango steht in dieser Stadt für das Konzept der «Präsenz der Abwesenheit». Das Design ist bewusst schlicht und verzichtet beim Bauen auf Konzepte, die nicht der ursprünglichen Natur der Dinge entsprechen. Bei genauerer Betrachtung erkennt man die Ehrlichkeit, die dieser Idee zugrunde liegt. Das Café Mango ist quasi die wörtliche Übersetzung der Begriffe «Herausarbeiten» und «Radieren», wie es etwa bei einem Zinkplattendruck geschieht. In jeder einzelnen Designschicht offenbart sich quasi die Sprache der angestellten Überlegungen und der Materialien, die dafür ausgesucht wurden.

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