Im Gespräch
„Reisen ist eine Geisteshaltung und etwas, das uns miteinander verbindet“
Aashti Miller und Greta von Richthofen berichten davon, wie sich ihre Zusammenarbeit entwickelte und wie sie sich mit Hilfe von Kunst auf die Suche nach der Bedeutung des Reisens begeben.
Von Faizal Khan
Wie sieht Eure Zusammenarbeit aus und wie entwickelt Ihr sie weiter?
Greta: Wir haben uns zunächst online getroffen. Dann hatten wir die Idee, uns auf unseren gemeinsamen kreativen Schwerpunkt zu konzentrieren und machten erste Skizzen und Zeichnungen. Wir schickten uns gegenseitig Mitteilungen und inspirierende Fotos. Es ging Schritt für Schritt und war ein unglaublich spannender Prozess.
Aashti: Ich denke, wir haben sehr erfolgreich zusammengearbeitet. Greta sagte schon, dass sie gern mit anderen Menschen zusammenarbeitet. Mein Fall ist es eher nicht. Doch die Erfahrung hätte aus meiner Sicht nicht besser sein können. Für mich ist Greta die perfekte Arbeitspartnerin. Obwohl wir aus verschiedenen Ländern kommen und völlig unterschiedliche Zeichenstile haben, konnten wir mit viel Hin und Her letzten Endes ein gemeinsames Produkt entwickeln. Die Tatsache, dass wir alles als Vorschlag und nicht als Kritik formulieren, hat sich als sehr produktiv erwiesen. Außerdem war es aus meiner Sicht sehr hilfreich, dass wir völlig unterschiedliche Skills mitbringen. Greta ist sehr gut darin, ein Konzept zu entwickeln, zu skizzieren und Ideen weiterzuentwickeln. Das gehört nicht zu meinen persönlichen Stärken. Ich beginne sofort mit der finalen Zeichnung. Ich habe also zum Teil diesen Part übernommen, und sie hat sich um einige der früheren Aufgaben gekümmert. Beide Entwürfe sind die perfekte Mischung unserer persönlichen Stilrichtungen: Meine zeichnerische Handschrift ist eher strukturierter und zeichnet sich durch etwas klarere Linien aus, ihre ist dagegen fließender und spielerischer.
Wie erkundet Ihr die Bedeutung des Reisens mit Hilfe der Kunst?
Greta: Ich verbinde mit Reisen so viele Aspekte, wie Zeitreisen, Raumfahrt und vieles mehr. Ich denke, Kunst ist eine Form des Reisens, weil das Ergebnis Schritt für Schritt immer deutlicher sichtbar wird.
Aashti: Uns hat es beide sehr beschäftigt, dass wir aus unterschiedlichen Gründen nicht reisen konnten. Wir haben uns in dieser Zeit beide dem Zeichnen gewidmet. Zufälligerweise haben wir beide während der Pandemie sehr viel mehr Zeit mit Zeichnen verbracht. Zeichnen bot uns die perfekte Flucht aus dem Alltag. Reisen ist eine Geisteshaltung. Etwas, das uns miteinander verbindet. Und das trifft nicht nur auf uns zu. Alle auf der Welt, die sich in irgendeiner Weise kreativ betätigen, können durch den Prozess des Zeichnens an einen völlig anderen Ort reisen.
Welchen Einfluss haben die Geschichte und das kulturelle Erbe von Delhi und Chennai auf Eure Arbeit?
Greta: Für mich war es etwas schwierig, weil ich beide Städte noch nie besucht hatte. Aber ich habe im Vorfeld ein wenig recherchiert. Wir machten uns auf die Suche nach Wörtern, die Elemente der Stadt in sich tragen. Ich beschäftigte mich mit verschiedenen in Delhi heimischen Vögeln und mit Farben. Wir versuchten, diese Dinge in unseren Entwurf einfließen zu lassen.
Aashti: In einem unserer ersten Entwürfe zeichnete Greta einen Fisch, und ich zeichnete einen anderen Fisch. Die Fische konnten fliegen und fantastische Dinge tun. Irgendwie waren wir uns von Anfang an einig, dass wir diese Fische haben wollten. Dies lag daran, dass wir uns zuerst mit Chennai beschäftigt haben. Die Menschen, die im Künstlerviertel von Kannagi leben, wurden nach dem Tsunami hierher umgesiedelt. Der Fokus lag also auf dem Thema Umsiedlung und darauf, wie sich die Menschen an diesem Ort wie Fische außerhalb ihres Elements fühlten. Daneben gab es natürlich, wie Greta bereits erwähnt hat, zahlreiche architektonische Elemente, die typisch für Delhi sind, aber auch Bäume und Pflanzen und Tiere. Dasselbe trifft auch auf Chennai mit den Chrysanthemen und Jackfruits und zahlreichen anderen Dingen zu. Außerdem ging es uns darum, lokale Geschichten zu erzählen, nicht nur von dem Gefühl der Entwurzelung, sondern stattdessen auch ein neues Zuhause zu schaffen, mit dem sich die Betrachter identifizieren können.
Kannst Du uns etwas über die ersten Skizzen verraten?
Aashti: Greta kann sehr gut Räume skizzieren. Sie hatte einige Vorschläge für Delhi und einige für Chennai vorbereitet. Die Mauer in Delhi hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der ersten Skizze. Einige Dinge sind anders, allerdings haben wir auch spezifischere Elemente hinzugefügt. Ich würde sagen, unsere erste Skizze für Delhi war ein ziemlicher Volltreffer, was immer großartig ist. Bei Chennai war es das genaue Gegenteil, die erste Skizze und das Endergebnis waren sehr unterschiedlich. Vom Konzept her gab es zwar gewisse Übereinstimmungen, doch es hat optisch überhaupt keine Ähnlichkeit mit der ersten Skizze.
Greta: Es war interessant, nur die Skizzen zu machen und von einer Idee zur nächsten überzugehen.
Wie bewertet Ihr die Rolle der öffentlichen Kunst in einer Gesellschaft, die unter den Folgen einer Gesundheitskrise leidet?
Greta: Ich finde diese Kunstform interessant, weil sie demokratisch ist und man nicht dafür bezahlen muss, wie für einen Kino- oder Ausstellungsbesuch. Diese Kunst ist für alle zugänglich. Darum finde ich sie interessant.
Aashti: Ich betrachte öffentliche Kunst genauso wie den öffentlichen Raum im Allgemeinen. Wir haben heute in Indien Kunstfestivals wie die Kochi-Muziris Biennale in Kerala und das Kala Ghoda Arts Festival in Mumbai. Es ist faszinierend zu sehen, wie eine Bevölkerung, die nicht allzu viel Kontakt mit Kunst hat, mit den Jahren ein echtes Interesse und eine Wertschätzung dafür entwickelt und sich zu Millionen auf den Weg macht, um öffentliche Kunst in jeder erdenklichen Form zu betrachten.
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