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Kants Rezeption in Indien

Kants Moralphilosophie 

Dr Apaar Kumar © Dr Apaar Kumar

Apaar Kumar, Associate Professor, Universität Ahmedabad

Nach Kant kommt allen Menschen Würde oder innerer Wert zu. Das Konzept der Menschenwürde wurde schon vor Kant formuliert. Doch er betont mehr als andere die zentrale Bedeutung dieses Konzepts und arbeitet seine politischen Implikationen heraus. Die Vorstellung von einer den Menschen allein durch die Geburt zukommenden Würde findet sich in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen von 1948 wieder und beeinflusst nach wie vor sowohl zeitgenössisches Denken als auch öffentliche Debatten.

Es ist bemerkenswert, dass dieses Konzept in unserer heutigen Welt weiter Bestand hat - in der Menschen regelmäßig getötet, verstümmelt oder entrechtet werden. Für mich deutet dies darauf hin, dass das Konzept der Menschenwürde zumindest teilweise Wahrheit enthält. Dennoch reicht dies sicherlich nicht aus für unser Anliegen, eine gerechte Weltordnung zu schaffen. Kant sagt nicht nur, dass alle Menschen intrinsische Würde besitzen, sondern auch, dass wir danach streben müssen, würdevoll zu handeln. Daher müssen wir lernen, sowohl uns selbst als auch andere als würdevolle Wesen wahrzunehmen. Die Menschenwürde müssen wir bei unseren Entscheidungen in Situationen berücksichtigen, die von Wünschen, Interessen und Ängsten geprägt sind - sowohl unseren eigenen als auch denen anderer Menschen. Aus diesem Grund bleibt eine Auseinandersetzung mit Kants Moralphilosophie in unserer Zeit unverzichtbar.

Kants Konzept des freien Denkens

Dr Kanchana Mahadevan © Dr Kanchana Mahadevan

Kanchana Mahadevan, Professorin, University of Mumbai

Kants Konzept des freien Denkens bleibt auch im Jahr 2024 relevant. Die Wichtigkeit des freien Denkens steht für Kant im engen Zusammenhang mit der Pluralität der Lebewesen, Kulturen, Ökologien, Geografien und Religionen in der Welt. Freies Denken ist eine aktive Praxis, bei der wir durch die Interaktion zwischen uns und der Außenwelt zu einer bestimmten Sichtweise gelangen. In diesem Prozess entwickeln wir unsere eigenen Standpunkte, indem wir Vorurteile überwinden und uns gegen eine Überflutung mit Informationen zur Wehr setzen.

Kant betont, dass freies Denken eine offene Auseinandersetzung mit unseren eigenen Erfahrungen sowie den Standpunkten anderer erfordert. Dazu zählen insbesondere jene Standpunkte, die von unseren eigenen abweichen. Denken ist also wie gemeinsames Arbeiten - ein fortlaufender Prozess, der sowohl kritisch als auch selbstkorrigierend ist. Es basiert auf den wechselseitigen und durchlässigen Beziehungen zwischen Lebewesen, Kulturen und anderen Entitäten, die auf unserem Planeten vorkommen. Eine solche Koexistenz, die nach Kants Auffassung charakteristisch für das Leben selbst ist, ermöglicht es uns, unsere eigenen Grenzen und die Grenzen unserer Berufe zu überwinden. Kant argumentiert, dass wir uns durch die Auseinandersetzung mit anderen Positionen in öffentlichen Debatten und Diskussionen mit der breiteren Gemeinschaft verbinden.

Kants Konzeption steht in Verbindung mit K.C. Bhattacharyyas 1928 formulierten Ideal von „svaraj“ oder Freiheit in der Welt des Denkens. Bhattacharyya war ein Philosoph der indischen Renaissance, der von Kant beeinflusst wurde und gleichzeitig fest in indischen Traditionen wie dem Vedanta verwurzelt war. Freies Denken war für ihn ein Prozess, bei dem er westliches Denken assimilierte und gleichzeitig herausforderte, indem er es mit der indischen Philosophie in einen Dialog brachte. Ein solches freies Denken ermöglichte die interkulturelle Rezeption von Kants Ideen nicht nur in Indien, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Die globale Kant-Rezeption hat eine Vielzahl von philosophischen Positionen beeinflusst, darunter den deutschen Idealismus, die Phänomenologie, den Postkolonialismus und den Feminismus.
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