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Vom Feld auf den Teller
Das „weiße Gold” aus Deutschland

Weißer Spargel in Köln, Nordrhein-Westfalen
Weißer Spargel in Köln, Nordrhein-Westfalen | Foto (detail): Saurabh Narang

Der Frühling in Deutschland ist fast schon ein Synonym für blühende Felder mit weißem Spargel. Aber worin genau liegt die Faszination dieses „weißen Goldes“? Unser Autor hat sich auf die Spuren des Spargel-Kults begeben und in einem Landwirtschaftsbetrieb in Köln dazu noch eine herzerwärmende Liebesgeschichte aus dem 16. Jahrhundert ausgegraben.

Stellen Sie sich vor, Sie stehen an einem bewölkten Tag mitten auf einem matschigen Acker eines deutschen Landwirtschaftsbetriebs. Überall zwitschern die Vögel und Sie sind umgeben von endlosen Reihen kniehoher graubrauner Dreckhügel. Bewaffnet mit Kelle und Spargelstecher ernten Sie das „weiße Gold“ Deutschlands: Spargel.

Was ist weißer Spargel?

Die Deutschen können es kaum erwarten, bis im Frühling der weiße Gemüsespargel, kurz Spargel, aus dem Boden sprießt. Er wächst unter der Erde, damit kein Sonnenlicht an die Stangen kommt und sie somit weiß und zart bleiben. Die Ernte bzw. Spargelzeit, ist von Mitte April bis zum offiziellen Saisonende am 24. Juni, dem Johannistag. In dieser Zeit ist der weiße Spargel der Star in allen Restaurants und heimischen Küchen des Landes. Meist wird er gekocht mit Butter oder Sauce Hollandaise serviert, dazu gibt es Schinken und Kartoffeln. Es gibt Spargelstraßen und Spargelköniginnen; im bayerischen Schrobenhausen ehrt sogar ein Museum dieses „Gemüse der Könige“.

Besuch auf dem Spargelhof

Sabine Abd Elrahiem demonstriert, wie weißer Spargel in Köln, Nordrhein-Westfalen geerntet wird.

Sabine Abd Elrahiem demonstriert, wie weißer Spargel in Köln, Nordrhein-Westfalen geerntet wird. | Foto (detail): Saurabh Narang

Sabine Abd Elrahiem, Mitarbeitern des Landwirtschaftsbetriebs Beller Hof mit Hofladen in Köln-Marsdorf, Nordrhein-Westfalen, erklärt, warum bei der Spargelernte oberste Sorgfalt geboten ist. Zunächst einmal entfernte Frau Abd Elrahiem eine große Plastikfolie, die über einer Erdaufschüttung angebracht war. In der Erde entdeckte sie daraufhin einen Hügel und fing an, vorsichtig mit Handschuhen um diesen herum zu graben, bis eine Spargelfamilie zum Vorschein kam. Dann schnitt sie gekonnt eine Spargelstange mit einem speziellen Spargelschneider an der Wurzel ab, so dass die restliche Familie weiter wachsen konnte. Zum Schluss hat sie das Stück Erde, in das sie hineingestochen hatte, mit einer Kelle wieder geebnet.

Dann war ich mit dem Spargelstechen dran. Frau Abd Elrahiem deutete auf die Erde und zeigte mir, wo ich ansetzen sollte. Ich befolgte ihre Anweisungen genau und hielt so in weniger als einer Minute eine perfekte 22 Zentimeter lange Spargelstange in der Hand! Hubertus von Groote, der Besitzer des Beller Hof, kam sofort rüber, um mich zu beglückwünschen und rief freudig: „Hurra, dein erster Spargel!“
Arbeiter aus Osteuropa unterstützen bei der Spargelernte.

Arbeiter aus Osteuropa unterstützen bei der Spargelernte. | Foto (detail): Saurabh Narang

Dann hat Frau Abd Elrahiem mich ihren Erntehelfern vorgestellt, die jeden Frühling extra aus Osteuropa hierher kommen, um bei der Spargelernte zu helfen. Die saisonale Arbeit ist sehr arbeitsintensiv, wird aber fair bezahlt. „Sie sind das Rückgrat dieser Ernte“, so Frau Abd Elrahiem, die betonte, dass die Arbeiter „einen unschätzbaren Beitrag leisten“.

Ein Gespräch mit dem Spargelbauern

Hubertus von Groote in der Produktionshalle auf dem Beller Hof in Köln, Nordrhein-Westfalen.

Hubertus von Groote in der Produktionshalle auf dem Beller Hof in Köln, Nordrhein-Westfalen. | Foto (detail): Saurabh Narang

Seinen Erfolg verdankt Herr von Groote seiner Familie und seinem Durchhaltevermögen. Dies beginnt bei seinen Vorfahren, die einst vor religiöser Verfolgung geflohen waren, seit seiner Entscheidung, den Familienbetrieb zu übernehmen, war sein Leben stets von harter Arbeit und dem Willen bestimmt, das Erbe seiner Vorfahren fortzusetzen.

Herr von Groote, können Sie uns etwas über die Geschichte Ihrer Familie erzählen?

Meine Familie lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Während der Reformation waren meine Vorfahren religiöser Verfolgung ausgesetzt und flohen nach Köln, um dort ihren katholischen Glauben weiter leben zu können. Mein Ur-ur-ur-ur-urgroßvater sagte seiner Frau damals, sie soll die Kinder nehmen und nach Köln gehen. Nach langer Zeit hat sie das Schicksal dann wiedervereint, als er eines Abends das vertraute Klavierspiel seiner Frau hörte, als er durch Straßen Kölns lief!

Wie ist Ihre Familie in das Geschäft mit dem Spargel eingestiegen?

Mein Vater hat das Geschäft 1970 gegründet, ich bin 1998 in das Geschäft einstiegen. 2004 bin ich in seine Fußstapfen getreten und habe das Unternehmen übernommen. Mit dem Spargel hat mein Vater 1991 angefangen. Damals haben ihn viele belächelt und uns sogar ausgelacht – der Spargelanbau war in dieser Region nicht üblich, da wir hier nicht den dafür typischen sandigen Boden haben. Aber dank der deutschen Technologie und einer großen Portion Willenskraft können wir nun seit mehr als 30 Jahren gut vom Geschäft mit dem Spargel leben.

Woran erkennt man Ihrer Meinung nach Spargel von hoher Qualität?

Das entscheidet am Ende die Kundschaft selbst. Als Erzeuger weiß ich, wie schwierig es ist, dass der weiße Spargel weiß bleibt. Dazu ist komplette Dunkelheit erforderlich. Durch Sonnenlicht werden die Spitzen erst rosa, dann rot und am Ende grün. Daran erkennt man, dass der Spargel schon älter und nicht mehr frisch ist. Frischer Spargel quietscht, wenn man die Stangen gegeneinander reibt und verliert Wasser, wenn man ihn einritzt.

Können Sie irgendwelche interessanten Anekdoten rund um den Spargel erzählen?

Wir haben festgestellt, dass die ersten Spargelköpfe rund sechs Wochen nach Ankunft der Wildgänse (Zugvögel) aus dem Boden ragen. Manchmal kaufen Leute bei uns Spargel, weil sie positive Kritiken über uns gelesen haben, kommen aber dann wieder und tauschen ihn um, weil er angeblich selbst nach langem Kochen noch total hart sei. Das Lustige daran: Wenn wir dann nachfragen, stellen wir fest, dass sie den Spargel vor dem Kochen gar nicht geschält haben!

Warum wird der Spargel in Deutschland auch „weißes Gold“ genannt?

Nun, es geht eben nicht nur um den Geschmack! Weißer Spargel ist teuer, denn für die kurze Erntezeit von zwei bis drei Monaten muss man das ganze Jahr über arbeiten. Es bedarf alles sorgfältiger Planung, man muss ständig Temperatur und Feuchtigkeit kontrollieren und mit unvorhersehbarem Wetter klarkommen. Wenn es regnet, werden die Felder zu schlammig für Traktoren, die dann Gefahr laufen, den Boden für viele Jahre zu ruinieren.

Das Jahr 2024 etwa war wettertechnisch das schwierigste Jahr, das ich in meiner gesamten Anbaukarriere erlebt habe. Im Januar war auch noch meine Mutter im Krankenhaus und ich hatte nur ein dreitägiges Zeitfenster, um mit dem Traktor meine 29 Hektar große Anbaufläche zu beackern. Das waren viele Überstunden, ich musste praktisch Tag und Nacht arbeiten, um die Gesamternte zu schützen. Hinter dem hohen Preis steht also auch die viele harte Arbeit, das unvorhersehbare Klima und das begrenzte Zeitfenster, in dem wir das „weiße Gold“ anbauen können.

Welche Zukunftsaussichten haben Sie mit Ihrem Betrieb?

Ich selbst habe noch keine Kinder, aber der Sohn meiner Schwester, Leo, ist jetzt schon ein begeisterter Landwirt und packt immer gerne mit an. Ich hoffe, dass ich das alles hier eines Tages an meine eigenen Kinder, wenn ich denn welche haben werde, weitergeben kann und das Herz der Familie von Groote noch viele Generationen für den Spargel schlagen wird.

Ein köstlicher Abschluss

Spargelcremesuppe nach deutscher Art

Spargelcremesuppe nach deutscher Art | Foto (detail): Saurabh Narang

Zum Abschied überraschte mich Frau Abd Elrahiem noch mit einer Tüte mit der Hand gestochenem weißen Spargel und gab mir auch ein Rezept für „Spargelcremesuppe à la Beller Hof." Ich konnte nicht umhin, dem Rezept noch ein paar indische Gewürze hinzuzufügen – das Ergebnis war köstlich!

PS: Lust auf deutschen Spargel? Der Beller Hof bietet eine Auswahl an Rezepten.

(Hinweis: Dieses Interview wurde aus Gründen der Lesbarkeit gekürzt und bearbeitet.)

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