Bewundernswert hartnäckig suchen Anne Leppers Figuren immer wieder nach dem Glück oder immerhin nach einem kleinen Stück vom gelungenen Leben. In MÄDCHEN IN NOT geht es für Baby dabei vor allem um die Frage, mit wem man so das Leben teilen könnte. Sie hat einen Mann und einen Liebhaber, ist also nach den Maßstäben zeitgenössischer Lebensführung bestens ausgestattet. Aber wieder einmal entfaltet das Wollen, das Suchen nach dem Besseren seine fatale Wirkung.
Ein echter Mann, meint Baby, ist nämlich am Ende nicht das Wahre. Nur mit einer Puppe als Mann verspricht das Leben ein glückliches zu sein, kann man als Frau wirklich frei und selbstbestimmt werden. Obwohl es gar nicht so trivial ist, eine Puppe zu finden, die dann auch den heterosexuellen Ansprüchen genügt und die man sich überhaupt leisten kann, gelingt es schließlich doch. Unter den neidvollen Augen ihrer Freundin Dolly startet Baby also in ihr neues Leben, das mit stundenlangem An- und Ausziehen, unwidersprochenen Monologen und autonomer Sexualität viele Vorzüge bietet.
Aber das Wollen geht naturgemäß weiter, und irgendwann erscheint es für Baby unabdingbar, daß man wirklich glücklich nur mit zwei Puppen als Männer sein kann – mit denen man dann auch so schön nach Italien führe. So folgt irgendwann die zweite Puppe, die aber ebensowenig wie die erste echt ist in ihrem Puppensein. Es sind nämlich Mann und Liebhaber, die sich zu Puppen haben machen lassen, um so Baby davon zu überzeugen, daß es doch mit den echten Männern am schönsten ist. Eine Intrige, die schlecht für sie enden soll. Währenddessen treibt die Gesellschaft der Freunde des Verbrechens ihr Unwesen, und der freundlich-dämonische Puppenmacher Duran-Duran gebietet über alles.
Mit MÄDCHEN IN NOT verfolgt Anne Lepper einige ihrer Themen und Motive konsequent weiter. Es geht um die Suche nach dem besseren Leben, den Kampf des Einzelnen gegen die Strukturen des Systems, das drängende Voranschreiten des Wollens, das immer wieder zerschellt an der lähmenden Stagnation der Realität. Allerdings kommt dieses Stück etwas wärmer, humorvoller, man möchte fast sagen: saftiger daher als seine Vorgänger. Babys sanft-renitentes Aufbegehren hat etwas Rührendes, ihr immer wieder aufkeimender Streit mit Dolly erinnert schmunzelnd an die stets präsente Konkurrenz der prototypischen Mädchenfreundschaft. Die Gesellschaft der Freunde des Verbrechens merzt gnadenlos alles aus, was anders ist, und doch präsentiert Lepper sie als einen Haufen zwar erschreckender, aber auch erschreckend tumber Mitläufer, deren soziale Auffahrunfälle amüsieren.
So gelingt der Autorin ein leichter, unterhaltsamer und einnehmender Text, der aber nichts von der thematischen Tiefe und literarischen Komplexität einbüßt, welche die Qualität aller Lepper-Stücke ausmachen.
Quelle: Mädchen in Not
Übersetzung: Nidhi Mathur ( Hindi )