Oder wie der Mann, der von der „Frau um die dreissig“ verlassen wird und sich rächen will, indem er sich auf die „rothaarige Frau“ einläßt. Eine andere Frau, die von ihrem Mann niedergeschlagen wurde, versucht, sich durch die Erinnerung an den Lebensgrundsatz ihrer Großtante, immer den Humor trotz des eigenen Leidens zu bewahren, wiederaufzurichten.
Gleichzeitig flicht Schimmelpfennig surreale Elemente mit in das Geschehen ein: Ein Mann kriecht wie eine Spinne an der Wand empor, ein anderer verschwindet in einem Gemälde und kommt nicht wieder. Unerklärliches mischt sich mit der Banalität von Alltäglichem, das auch seine Bedeutung erhält, z.B. im Versuch, eine Glühbirne und eine Heizung zum Funktionieren zu bringen, deren Ausfall als Katastrophe erscheint.
Stimmen zum Stück:
„,Vorher/Nachher‘ inszeniert einen Kamerablick, der scheinbar ziellos durch die endlosen Weiten des Alltags schweift - oder auch nur durch zwei Dutzend Zimmer des gleichen Hotelkomplexes. 51 mal bleibt er hängen und verweilt nicht allzu lang auf Menschen, die einsam sind oder einsam zu zweit, die nachdenken, sich erinnern oder fürchten, Liebe machen oder lieber streiten wollen. Lakonische „short cuts“ sozusagen, die Schimmelpfennig monologisch oder dialogisch, oft auch einfach in Prosa verfasst hat. … Das alles ist sorgfältig und wundersam steigerungslos zueinander gelegt wie lauter Blütenblätter zu einem Mandala. Auch wiederholt die letzte kapriziös die erste Szene und schließt demonstrativ einen irgendwie buddhistischen Kreis um die irdischen Leidenschaften.“
Eva Behrendt, in Theater Heute, 01/2003
„Roland Schimmelpfennig entwirft … ein ebenso furioses wie virtuoses Gesellschaftspanorama unserer Zeit. Scheinbar fragmentarisch zusammengefügte, abrupt abbrechende Geschichten fügen sich durch einen großen Atem des Erzählens zu einer Art von Gemälde, das das Unwahrscheinliche und das Unheimliche des Lebens, das Alltägliche und das Banale, das Nicht-Vorhersehbare, Glück und Unglück schmerzhaft und humorvoll zugleich zu einem Beziehungsgeflecht verdichtet. Menschen erleben Geschichte(n) und sind offenbar nicht immer „Herr“ des Verfahrens, sie scheinen in einem unendlichen Strom von Beziehungen mitzuschwimmen und doch geben sie sich wechselseitig Impulse, sodass sie wie Billardkugeln auseinander stoßen, um sich zu veränderten Konstellationen neu zu finden.
Mit melancholischem Gestus und liebevollem Blick erzählt Schimmelpfennig von der Zersplitterung des Einzelnen und der Gemeinschaft und fügt die Scherben dann doch spielerisch zu einem neuen Prisma zusammen. Der Zuschauer sieht das „Vorher“ und das „Nachher“, das dramatische Ereignis selbst entzieht sich seiner Wahrnehmung. Diese völlig neue, fast filmische Erzähldramaturgie, die weitgehend auf Dialoge verzichtet, schärft den Blick auf den situativen Zusammenhang und setzt andererseits Fantasie frei für das Mögliche, das stattgefunden haben könnte."
Pressetext des Badischen Statstheaters Karlsruhe, 2003
Übersetzungen:
- Prasad Patki ( Marathi),
- Lalitha G. (Tamil)
Vorher/Nachher