Barbara Buchholz im Gespräch über "Reiseskizzen Indien"
„Es war schön zu sehen, wie neugierig die Leute sind“

Agra © Reinhard Kleist (Ausschnitt)


Reinhard Kleist verbrachte im Dezember 2017 auf Einladung des Goethe Instituts einen Monat in Indien. Er trat in Pune, Mumbai, Kolkata, Chennai und New Delhi bei Live Drawing Sessions, Workshops und Lesungen auf, und er nahm an DeCAF, dem ersten Comic Arts Festival in Delhi, teil. Er besuchte außerdem den Taj Mahal, Kovalam, Jaipur und Pune. Im Gespräch erzählt er, welche Geschichten hinter seinen „Reiseszkizzen Indien“ stecken.
 
Wie haben Sie sich auf den Aufenthalt in Indien vorbereitet?

Neben der üblichen Reisevorsorge habe ich mir vor allem überlegt, was ich mir gerne in der Zeit ansehen würde. Bei solchen Gelegenheiten rocke ich ungern einfach nur meine Veranstaltungen ab und fahre dann wieder nach Hause, sondern will auch etwas von dem Land sehen. Die Veranstalter vom Goethe Institut haben mir das auch ermöglicht, das fand ich sehr toll.

Ihre Galerie beginnt mit einer Tuscheskizze, auf der in einem Innenhof Menschen stehen und ihre Smartphones nach oben recken.

Das war in Agra, wo auch der Taj Mahal steht. Agra ist eine furchtbar hässliche Stadt, aber dort stehen diese tollen Paläste. Die habe ich mir auf einer Tour mit einem Fahrer angeschaut. Den Hof dieses einen Palastes fand ich so toll, dass ich ihn zeichnen wollte. Das Gebäude auf dem nächsten Bild, mit dem blauen Himmel, wird der Baby Taj genannt; ein kleiner Palast in der Nähe, der Anklänge an den Taj Mahal hat.

Das nächste Bild zeigt den Taj Mahal, der hat mich schon wahnsinnig beeindruckt. Ich bin zwei Mal da gewesen.

Einmal war ich auf der anderen Flussseite und habe in der Abenddämmerung auf den Palast geguckt. Am nächsten Morgen habe ich mich extra ganz früh in die Schlange gestellt  – aber von diesem Besuch habe ich keine Zeichnung, weil ich meinen Rucksack abgeben musste und vergessen habe, das Skizzenbuch rauszunehmen. Ich habe mich total geärgert. Allerdings habe ich wahnsinnig viele Fotos gemacht.
Das Gebäude im nächsten Bild gehört auch zum Taj Mahal und liegt ein Stück weiter an dem Fluss. Ein ganz romantischer Ort.

Dann folgt eine Stadtansicht mit Werbedisplays und Gewimmel.

Das war in Chennai, daher stammen auch die nächsten fünf Bilder. Das dortige Goethe Institut hat mich mit zwei Angestellten durch die Stadt geschickt, und ich sollte mich immer irgendwo hinsetzen und zeichnen. Die haben das dann fotografiert. Das war ein bisschen absurd, denn eigentlich geht es mir beim Zeichnen darum, zu beobachten und nicht im Mittelpunkt zu stehen. Die beiden haben aber immer hinter mir ein Roll-up aufgestellt, das mich als Comiczeichner aus Deutschland vorstellte. Unter anderem entdeckte mich eine Horde von Kindern, denen ich meinen Namen auf die Handflächen malen musste. Es war sehr lustig, aber zum Zeichnen bin ich bei der Aktion nicht so richtig gekommen.

Was hat es denn mit den beiden Bildern mit den Tänzerinnen auf sich?

Das Goethe Instituts in Chennai hat mit einer Gruppe Straßenkinder, die an einer Schule für traditionellen Tanz und Gesang lernten, zwei Aktionen gemacht: Ein Live-Zeichnen-Konzert im Goethe Institut und eine Aktion am Strand, bei der Schülerinnen traditionelle Tänze aufgeführt haben und ich das mit einer Gruppe Studenten von der Kunsthochschule gezeichnet habe. Diese Kinder waren super.

Fügen Sie die Farben Ihren Tuschzeichnungen nachträglich hinzu, vielleicht auch digital?

Nein, das ist vor Ort entstanden. Ich habe so farbige Pinselstifte, auch in schwarz für die Tusche. Digital bearbeite ich die Skizzen nicht mehr.

Von wo aus haben Sie die aus einem höheren Stockwerk gesehene Stadtansicht gezeichnet?

Das war in Kolkata, das habe ich von meinem Hotelzimmer aus gezeichnet. Kolkata ist total wuselig und echt voll. Ich fand schon sehr anstrengend. Außer dieser habe ich keine einzige Zeichnung in Kolkata gemacht. Es war sehr schwierig, überhaupt einen Ort zu finden, an dem man sich mal in Ruhe hinsetzen konnte.

Ich hatte aber auch volles Programm dort. Dort fand ja auch das dritte Live-Zeichnen-Konzert statt, nach einem in Pune und dem in Chennai. Das in Kolkata war besonders: Normalerweise arbeite ich immer mit Musik mit Texten, die ich illustriere. Diesmal war es eine Jazzband ohne Gesang, und ich konnte im Grunde machen, was ich wollte. Ich habe mir eine Geschichte überlegt, die etwas mit Jazz zu tun hat, und habe die gezeichnet. Ich wusste überhaupt nicht, wie lange das Konzert geht und wann ich aufhören soll. Ich hatte mir einen Schluss überlegt, bei dem der Barkeeper die Musiknoten mit einem Besen zusammenkehrt. Das habe ich gezeichnet und war fertig, und dann hat die Band aufgehört zu spielen. Das war nicht abgesprochen und totaler Zufall!

Sind Sie übers Zeichnen mit den Menschen in Kontakt gekommen?

Es gab meist ein Verständigungsproblem, weil relativ wenig Menschen Englisch konnten. Es war aber schön zu sehen, wie neugierig die Leute sind, dabei aber sehr höflich waren. In Deutschland wird man eigentlich eher ignoriert, wenn man so was macht.

Und schließlich: Sind Sie mit der Comicszene in Indien in Kontakt gekommen?

Ja. In Delhi war ich eingeladen bei einem Independent-Comicfestival, zu dem mich Ute Reimer-Böhner vom Goethe Institut New Delhi zusammen mit Arne Jysch eingeladen hatte. Das  war eine tolle Möglichkeit, um mit Künstlerinnen und Künstlern in Kontakt zu treten und sich über die Lage für Veröffentlichungen in so einem Land zu informieren. Auch über Möglichkeiten, mit Comics soziale Projekte zu machen. Wie zum Beispiel eines, bei dem Menschen in Dörfern selber Comicgeschichten zeichnen und damit Problemstellungen aus ihrem Alltag zu Papier bringen sollten. Das wurde in ländlichen Gebieten von einem Ort zum nächsten getragen.

Top