Karthik Setty and Sreema Nallasivam

Karthik Setty und Sreema Nallasivam in Tyrol © © Karthik Setty und Sreema Nallasivam  Karthik Setty und Sreema Nallasivam in Tyrol © Karthik Setty und Sreema Nallasivam

Herkunft: Bangalore, Indien
Wohnort in Deutschland: Düsseldorf
Beruf: Karthik - Founder CEO, Evora IT Solutions Pvt. Ltd. / Sreema – CEO, Business Solution Center, Metro AG

Karthik & Sreemas Leben in Deutschland

Abenteuer und Durchhaltewille

Abenteuer und Durchhaltewille
Es ist vielleicht keine typische Underdog-Story, aber die Geschichte der WahldüsseldorferInnen Karthik und Sreema ist eine von Durchhaltewillen und Abenteuer – und sie führte die beiden schließlich zu einem Leben, das man den „Deutschen Traum“ nennen könnte. Das Aufsteigerpärchen aus Bangalore gab seine Anstellungen in Indien auf, um in Deutschland einen Neuanfang zu wagen. Was folgte war eine Reise der Selbsterkenntnis und Selbstverwirklichung.

Das Paar erzählt, Deutschland war zunächst nur eines von vielen Ländern, in die es auszuwandern erwog. Doch Karthik hatte bereits eine Geschäftsbeziehung zum deutschen Tech-Giganten SAP, die zum Sprungbrett in ein neues Leben wurde. Mit etwas Hilfe von Karthiks Geschäftspartnern und Sreemas sozialen Verbindungen bewältigten die beiden die für eine reibungslose Integration nötige komplexe Bürokratie, bis sie schließlich nach und nach in ihrer neuen Heimat akzeptiert wurden.

Die Work-Life-Balance an deutschen Arbeitsplätzen war nach Sreemas Erfahrungen in Indien eine willkommene Überraschung.

2009, als die beiden in Deutschland eintrafen, flaute gerade erst die große Weltwirtschaftskrise ab. „Das ist schon lange her“, erinnert sich Karthik, der für SAP gearbeitet hatte, bevor er nach Deutschland kam, um sich selbständig zu machen – zunächst, mit einem Geschäftspartner, als Subunternehmer von SAP. „Wir hatten Glück, denn wir bekamen trotz der Rezession viele Aufträge“, erzählt er.

Fernweh und Neubeginn

Karthik Setty and Sreema Nallasivam am Düsseldörg-Hafen © © Karthik Setty and Sreema Nallasivam Karthik Setty and Sreema Nallasivam am Düsseldörg-Hafen © Karthik Setty and Sreema Nallasivam

Den Ausschlag für den Umzug gab eine Art Fernweh – der Drang, alles Vertraute hinter sich zu lassen. „Wir lebten in einer Großfamilie und waren immer von Freunden und Verwandten umgeben. Das gab uns das Gefühl, nicht als Paar wachsen zu können“, sagt Sreema. Also fingen die beiden in einem neuen Land noch einmal von vorne an. „Ich glaube, auch das hat uns gereizt, ein kompletter Neubeginn“, fügt sie hinzu.

Um das Leben in Deutschland zu meistern und sich besser zu integrieren, heuerte das Pärchen vor der Abreise aus Indien eine private DeutschlehrerIn an. Beide erreichten das Sprachniveau A1, bevor sie ihr Heimatland verließen und um sich in der Fremde neu anzusiedeln – voller Hoffnung, aber auch Nervosität.

Leere Küchen, unfertige Fußböden


Doch als sich Karthik noch vor Sreemas Ankunft auf Wohnungssuche begab, erkannte er schnell, dass der deutsche Immobilienmarkt unerwartete Überraschungen für ihn bereithielt, wie Apartments, die mit leeren Küchen und manchmal sogar ohne Fußböden vermietet werden.

„Ich fand eine Wohnung mit großen Fenstern, die mir gefielen, aber die Fußböden waren noch nicht fertig und die Küche war leer“, erinnert sich Karthik. Im Haus seiner Großfamilie war für alles gesorgt gewesen, deshalb hatte Karthik keine Erfahrung mit handwerklichen Projekten. „Florian, mein Geschäftspartner, brachte das Werkzeug seines Vaters mit und zeigte mir, wie man Laminat verlegt. Ich verbrachte zwei Wochen lang jeden Tag nach der Arbeit damit“, erinnert er sich.

Auch die Küche folgte nach und nach. Mit seinen neugewonnenen handwerklichen Kenntnissen richtete Karthik in Köln ein neues Zuhause ein, in das Sreema bald nachzog. „Ich bin Ingenieur und ich baue gerne Dinge; diese Leidenschaft hatte ich in Indien nie entdeckt“, meint er.

Freund*Innen finden im Integrationskurs

Karthik Setty und Sreema Nallasivam auf einem Weihnachtsmarkt in Düsseldörf © © Karthik Setty and Sreema Nallasivam Karthik Setty und Sreema Nallasivam auf einem Weihnachtsmarkt in Düsseldörf © Karthik Setty and Sreema Nallasivam

Die Anfangszeit war stressig, Karthik arbeitete lange und Sreema musste sich auf dem Arbeitsmarkt zurechtfinden. Trotz vieler Bewerbungen erhielt sie fast keine Jobangebote. Sie begann den Integrationskurs, der für Ehepartner vorgeschrieben ist, um den Alltag in der deutschen Gesellschaft bewältigen zu können – und hier fand sie ihren Freundeskreis. „Meine LehrerIn half mir sehr mit meinen Sprachkenntnissen, sodass ich auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen hatte und zu Bewerbungsgesprächen eingeladen wurde“, erinnert sie sich.

Sreemas Eintauchen in das Arbeitsleben stellte sich als echter Kulturschock heraus. „Ich war verblüfft, dass man nicht lange Überstunden machen oder den Laptop am Wochenende aufklappen musste“, erzählt sie. Die Work-Life-Balance an deutschen Arbeitsplätzen war nach ihren Erfahrungen in Indien eine willkommene Überraschung.

Unterdessen erhielten Karthik und sein Geschäftspartner Florian immer mehr Aufträge, sodass sie, zunächst in Bangalore, ihre eigene Firma Evora IT Solutions eröffneten, die bald nach Deutschland expandierte, um auch dort ihre digitalen Dienstleistungen anzubieten. „Wir fingen im ersten Jahr mit 20 bis 30 MitarbeiterInnen an, jetzt, elf Jahre später, haben wir 350“, resümiert Karthik. Heute agiert Evora vom Hauptsitz in Deutschland aus in aller Welt.

Deutsche Angestellte = indische Angestellte?

Als jemand, der beide Rollen, als Angestellter sowie als Arbeitgeber kennengelernt hat, sagt Karthik, die des Arbeitgebers sei die schwierigere. „Wir mussten unsere Marke etablieren. In Indien war unser Problem, dass niemand für uns arbeiten wollte, weil wir ein Start-up waren; die Leute sorgten sich um Jobsicherheit und Stabilität.“ Indische Angestellte vertrauen auf den guten Namen eines Unternehmens und nehmen schlechtere Arbeitsbedingungen für eine bessere Bezahlung in Kauf, meint Karthik. Deutsche Angestellten hingegen sei das Arbeitsumfeld wichtiger als die finanzielle Vergütung.

„Ich denke diese Einstellung verdankt sich auch dem sozialen Sicherheitsnetz, das in Deutschland existiert. Es gibt Arbeitsschutzgesetze, die in Indien noch eine Generation auf sich warten lassen werden“, schaltet sich Sreema ein. Während Karthiks Firma florierte, machte sich auch Sreema einen Namen in der deutschen Unternehmenswelt und stieg in eine bedeutende Rolle als CEO des Business Solution Centers der Metro AG auf.

Erwartungen vs. Realität der deutschen Sprache

Obwohl sie im Alltag viel Deutsch hören, hat sich seit der Umsiedelung nach Deutschland einiges geändert, was die Erwartungen an ihre Sprachkenntnisse angeht. „In einer Großstadt wie Düsseldorf schalten 70 Prozent der Menschen sofort auf Englisch um, wenn wir kurz mit dem Deutschen zu kämpfen haben“, sagt Sreema.

Mehr als anderthalb Jahrzehnte nach seiner Ankunft, fühlt sich das Paar in Düsseldorf zu Hause. Karthik betreibt seine eigene Softwarefirma und Sreema besetzt eine hohe Konzernstelle – die Träume der beiden von einem Neustart in Deutschland sind in Erfüllung gegangen. Das indische Power-Pärchen ist in seiner Wahlheimat ein Musterbeispiel für gelungene Integration.

Trotz ihrer fordernden Jobs, die manchmal in ihr Privatleben überzugreifen drohen, versuchen die beiden, Arbeit und Freizeit strikt zu trennen. Sie nehmen sich frei, um Deutschland der Länge und Breite nach zu bereisen – oder sie sitzen sich gemütlich zu Hause gegenüber und spielen „Die Siedler von Catan“.

„Nachdem ich nach Deutschland kam, habe ich ein Faible für Brettspiele entdeckt, die ich zweimal die Woche mit FreundInnen spiele. Außerdem fahre ich Rad und spiele Badminton“, erzählt Karthik. Sreema beteiligt sich an den Brettspiel-Sessions, wann immer ihr fordernder Job mit seinen vielen Auslandsreisen es zulässt, denn sie muss, wie sie sagt „ihren Kopf beschäftigt halten, wenn sie entspannen möchte.“ Vielleicht sind das die Herausforderungen eines Power-Pärchens!

Rapid Fire

Was ratet ihr Menschen, die zum Arbeiten oder Studieren nach Deutschland ziehen möchten?
Karthik: Lernt Deutsch, so früh es geht. Es wird euch helfen!
Sreema: Ich würde sagen, eignet euch Lebenskompetenzen an, bevor ihr umzieht, dann müsst ihr euch nicht auf andere verlassen. Nehmt an, ihr müsst alles selbst tun.

Hat das Leben in Deutschland eure Perspektive verändert, und falls ja, wie?
Karthik: Ich denke ja. Ich war ein verwöhntes Kind. In Deutschland musste ich selbständig werden und alleine zurechtkommen. Und ich habe gelernt, dass man als Paar die Verantwortung für den Haushalt teilen muss. Ich musste endlich erwachsen werden!
Sreema: Ich habe gelernt, meinen finanziellen Beitrag zum Gemeinwesen in Form von Steuern zu schätzen. Ich kann ruhig schlafen, weil ich weiß, dass mein Geld weniger Privilegierten zugute kommt. Das liebe ich an der deutschen Gesellschaft!

Versteckte Perlen in Deutschland, die ihr gerne besucht?
Karthik: Rüdesheim am Rhein – das Weinbaugebiet. Dort hat Sreema ihren ersten Riesling getrunken.
Sreema: Ich liebe den wundervollen Ort Cochem am Rhein mit seinen herrlichen Burgen. Ich bin auf dem Rheinsteig gewandert als Karthik zu arbeiten hatte und ich liebe diese Region.

Was sind eure deutschen Lieblingswörter?
Karthik: „Mittlerweile“ und „Doch“.
Sreema: „Jein“ und „Fremdschämen“ (weil man das hier so oft muss)

ÜBER DEN AUTOR

Prathap Nair ist freiberuflicher Autor in Düsseldorf, Deutschland.

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