In der Podcast‑Serie geht der Moderator Bhanuj Kappal die Bedeutung von Musik für politischen Aktivismus und Protestbewegungen im südasiatischen Kontext nach. Dabei unterstützen ihn Musiker*innen, Akademiker*innen und Kulturorganisationen des Subkontinents.
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Episode #3: Emanzipatorische Trends in der traditionellen Musik
Südasien besitzt ein reiches Erbe traditioneller Musik, sowohl im klassischen, wie auch im Bereich der Volksmusik, das seit Langem von verschiedenen Gruppen genutzt wird, um soziale und politische Orthodoxien zu bekräftigen oder zu unterwandern. ... weiter
Beispiele finden sich im 20. Jahrhundert, als Volksmusiktraditionen (Shahiri, Tamasha, etc.), die ursprünglich Ausdruck religiöser Verehrung waren und soziale Hierarchien bestätigten (obwohl sie oftmals bereits subversive Andeutungen enthielten), mit revolutionären oder emanzipatorischen Inhalten versehen wurden, etwa im Fall der „People Songs“ der Indian People's Theatre Association oder der sogenannten „Ambedkari Jalsas“, die traditionelle Musikformen Maharashtras mit den Lehren des Sozialreformers B. K. Ambedkar verbanden. Andere Künstler*innen oder Bewegungen griffen die ohnehin bereits progressiven Traditionen der Bhakti- und Sufi-Musik auf und erneuerten sie, um gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit zu protestieren. In jüngerer Zeit verwendet der karnatische Sänger T. M. Krishna klassische Formate, die bisher als konservative Domäne galten, um Probleme von Kaste, Kommunalismus und Umweltschutz anzuprangern, was eine große Kontroverse anstieß und heftige Reaktionen hervorrief.
In dieser Folge werden wir darüber sprechen, wie heutige Künstler*innen sich das überkommene kulturelle Erbe zu eigen machen und/oder es neu interpretieren können. Wir werden die Wirksamkeit eines solchen Ansatzes in einer zunehmend globalisierten Welt diskutieren, in der die populäre Musik sich zunehmend von der Tradition entfernt, und die schwierige Balance zwischen Authentizität und der Notwendigkeit von Innovationen, um aktuellen Trends gerecht zu werden und ein breites Publikum oder bestimmte Bevölkerungsgruppen anzusprechen.
Tenma ist ein Independent-Musiker, Komponist und Produzent aus Chennai. Er ist der Gründer von Madras Records und Mitglied von Casteless Collective, einer Band, die er gemeinsam mit Filmemacher Pa Ranjith ins Leben rief. Die zwölfköpfige Gruppe gilt als größtes politisches Musikensemble Indiens und thematisiert in ihrer Musik Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Ihre erste Single, Jai Bheem Anthem, war wegweisend für das weitere Werk der Band. Sie machte den Sozialreformer B. K. Ambedkar einem jungen Publikum bekannt und regte neue Diskussionen um Kastenwesen und die Belange marginalisierter Gruppen an.
T. M. Krishna ist ein karnatischer Sänger, Aktivist und Autor. Als Vokalist führte er zahlreiche Neuerungen in seine Interpretation des klassisch südindischen Musikstils ein, die in bestimmten Kreisen kontrovers aufgenommen wurden. 2016 wurde er mit dem Ramon Magsaysay Award ausgezeichnet, für „seine hingebungsvolle Arbeit als Künstler und seinen Glauben an die Kraft der Kunst, die tiefgreifende gesellschaftliche Teilung Indiens zu heilen, sowie für das Durchbrechen von Kasten- und Klassenschranken, um seine Musik nicht nur einem auserwählten Publikum, sondern allen zugänglich zu machen“.
Moushumi Bhowmik ist eine Sängerin und Akademikerin aus Kolkata. 2002 gründete sie die Band Parapar, deren Musik sich aus Moushumis eigenen Kompositionen sowie der Volksmusik Westbengalens, Bangladeschs und Assams speist, die Moushumi seit 2003 aufnimmt und dokumentiert. Die Band betont die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Musiktraditionen – Kirtan, Bhatiyali,Adhunik, Blues und indischer sowie westlicher klassischer Musik. Moushumi arbeitet mit Tonmeister und Sounddesigner Sukanta Majumdar zusammen, um neue Wege in der Erforschung und Veröffentlichung von musikalischem Material auszuloten, beispielsweise durch die Nutzung von Archiven, das Verfassen von Artikeln, die Kombination von Vorträgen und Aufführungen oder die Kooperation mit Museen und Kunstgalerien. Moushumi und Sukanta haben ein Musiklabel mit einer Auswahl von Aufnahmen aus ihren Feldforschungen gegründet und 2011 ihre Webseite „The Travelling Archive“ online gestellt. Moushumis Werke finden sich in der Sammlung „Women's Revolutions Per Minute“, einem Archiv für Musik, die von Frauen aufgeführt, komponiert und produziert wurde und Teil der Special Collections am Goldsmiths College der Universität London.
Über die Podcast-Serie
M.A.P // A.M.P ist eine neue Podcast-Serie des Goethe-Instituts, in der Moderator Bhanuj Kappal der Bedeutung von Musik für politischen Aktivismus und Protestbewegungen im südasiatischen Kontext nachgehen wird. Dabei unterstützen ihn Musiker*innen, Akademiker*innen und Kulturorganisationen des Subkontinents. Unter seinen Gästen befinden sich der Musiker T. M. Krishna aus Karnataka, die Akademikerin und Sängerin Sumangala Damodaran aus Neu-Delhi, die Popmusikerin und Songwriterin Shayan aus Bangladesch und der Folkmusiker Akhu Chingangbam aus Manipur. Im Laufe von acht Folgen werden sie gemeinsam in die Geschichte sozialkritischer Musiktraditionen der Region eintauchen, aktuelle Herausforderungen und Chancen für Kulturschaffende diskutieren und über neue Wege zu globaler Solidarität und musikalischen Aktivismus nachdenken.
Bhanuj Kappal lebt in Mumbai und arbeitet als Autor und Musikkritiker. Er berichtet seit 14 Jahren über die indische Independent-Musikszene, mit besonderem Augenmerk auf die Berührungspunkte von Musik und Politik. Seine Abschlussarbeit behandelte indische Protestmusik am Beispiel politischer Dichter*innen in Maharashtra. Er verfasst regelmäßig Beiträge für Pitchfork, GQ India, Mint Lounge und den Mumbai Mirror und hat Artikel für The Caravan, BBC Culture, The National und den Politik-Blog The New Statesman geschrieben. Für The Caravan arbeitete er an einer vielbeachteten Reportage über sexuelle Übergriffe in der Independent-Musikszene. In jüngster Zeit hat Kappal ausführlich über die aufstrebende indische Hip-Hop-Szene berichtet, die auch Thema seines bevorstehenden Buches ist. Er ist der außerdem Autor und Regisseur von „Gully Se Gully Tak“, einer 20-teiligen Podcast-Serie über Leben und Karriere indischer Rapper*innen, die im Dezember 2019 auf Audible veröffentlicht wurde.