Im Jahr 2021 begann die Tanzcompagnie Sasha Waltz & Guests einen neuartigen künstlerischen Prozess, aus dem kontinuierlich neue Formate hervorgehen. Musikalische Grundlage ist Terry Rileys »In C« (1964), eine in seiner Zeit revolutionäre, offene Komposition, die gemeinhin als erstes Werk der Minimal Music gilt. Basierend auf diesem Meilenstein der Musikgeschichte entwickelte Sasha Waltz gemeinsam mit ihren Tänzer:innen choreographisches Material, das einer ähnlich variablen Struktur folgt und bewusst nicht als fertiges Bühnenstück angelegt ist: Entstanden ist ein Spielsystem aus 53 Bewegungsfiguren für eine strukturierte Improvisation mit klaren Regeln und Gesetzen. Innerhalb dieses Regelwerks wird der:dem einzelnen Performer:in Gestaltungsfreiraum gegeben, der aber immer in Relation zur Gruppe stehen muss - ganz ähnlich
unserer demokratischen Gesellschaft, in der die Grenzen der persönlichen Freiheit dort verlaufen, wo die Gruppe nicht verletzt wird. Die Rollen von Führung und Folgen sind nicht festgelegt, jede:r Performer:in kann jederzeit die Rolle tauschen. Es ist ein Stück darüber, als Individuum Teil einer Gruppe zu sein, nicht ein Individuum in der Gruppe. Damit ist »In C« ein sehr demokratisches Stück und jede Aufführung immer neu und anders.
»In C« war am 6. März 2021 in einer digitalen Premiere im Livestream aus dem Radialsystem in Berlin zu erleben, ist seither internationel getourt und wurde parallel an eine stetig wachsende Tanz-Community weiter gegeben, denn mit »In C« werden zugleich Möglichkeiten der flexiblen künstlerischen Produktion iund des künstlerischen Austauschs über Landesgrenzen hinweg ausgelotet. Die einzelnen Bewegungs-Figuren wurden in erklärenden Video-Tutorials festgehalten, die das Erlernen des choreographischen Materials digital und damit ortsungebunden ermöglichen. Auch eine Version des Bewegungsmaterials für Laien und junge Tänzder:innen ist inzwischen entstanden und über uns zugänglich.
»In C« ist ein dynamisches, modulares System, das adaptionsfähig bleibt. Es ist eine spannende
Herausforderung, daraus viele unterschiedliche Variationen und Formate entwickeln zu können, sowohl für professionelle Tänzer:innen wie auch für Kinder und Laien.«
Sasha Waltz