Interview
„Ich kann mir ein Leben ohne Jazz nicht mehr vorstellen“
Enkhjargal Erkhembayar, kurz Enji, wurde 1991 in der Mongolei geboren und war eine der ersten Studentinnen am Goethe Musiklabor Ulan Bator (GMUB). Im Interview berichtet die junge Musikerin von ihrer Ausbildung, ihren Zielen und der Liebe zum Jazz!
Enji, du warst eine der ersten Studentinnen am GMUB. Wie kam es dazu?
Ich bin zufällig auf das GMUB gestoßen. Der Tipp kam von einer Bekannten, die mir von einem neuen Musikprojekt berichtete. Mir war sofort klar, dass das ein ganz besonderes Projekt ist – also habe ich die Aufnahmeprüfung gemacht und wurde dann angenommen.
Wie ging es dann weiter?
Ich merkte schnell, dass ich eigentlich wenig Erfahrung mit Jazz hatte. Vorher hatte ich meinen Abschluss in Musikpädagogik gemacht und mich viel mit traditioneller mongolischer Musik beschäftigt. In den Jazz habe ich mich dann aber sofort verliebt. Damals war Jazz vollkommen neu in der Mongolei und das Interessanteste, was ich je gehört hatte. Jetzt kann ich mir ein Leben ohne Jazz nicht mehr vorstellen. Es fühlt sich fast so an, als wäre es Schicksal gewesen, dass ich ans GMUB gekommen bin!
Wie hat dich das GMUB geprägt?
Zusammen mit den anderen Studenten habe ich jeden Tag geprobt, gespielt und mich entwickelt. Dadurch habe ich sehr viel gelernt. Fast jede Woche sind neue Gastdozenten aus aller Welt gekommen. Es war eine Freude zu sehen, wie sie mit ihren Instrumenten umgehen und ihre musikalischen Gefühle ausdrücken - eine große Inspiration. Aber auch persönlich habe ich mich unglaublich entwickelt: Wenn ich als Sängerin auf der Bühne stand, war es anders als jemals zuvor. Ich habe mich frei gefühlt, konnte wirklich ich selbst sein. Das hat Martin mir gezeigt!
Martin Zenker hat das GMUB aufgebaut. Was war das Besondere an Martins Unterricht?
Martin ist ein großes Vorbild – persönlich und professionell! Er hat mir nicht nur unglaublich viel Wissen über Jazzharmonielehre weitergegeben, sondern mir auch beigebracht, welche Kraft der Jazz hat. Martin sagte immer: „Musik machen heißt, sich vollständig einzulassen und alles zu geben, was man hat“. Wenn ich also auf die Bühne musste und nervös war, hat er mich dabei unterstützt, an mich zu glauben. Wenn man anfängt, sich selbst zu vertrauen, dann hat man keine Angst mehr etwas aus sich hervorzubringen. Das Schönste am Jazz ist eben, dass man sein kann, wer man wirklich ist.
Was hat sich in der mongolischen Musikszene durch das GMUB verändert?
Sehr viel! Zum Beispiel das Publikum: Anders als früher interessieren sich die Zuschauer jetzt wirklich für Jazz, hören ganz genau hin und kommen regelmäßig in unsere Konzerte. Vor allem finde ich es schön, dass sich die jungen Leute sehr für Jazz interessieren und diese wunderschöne Musik in der Mongolei immer mehr Fuß fasst.
Wie nimmst du Deutschland und dein Studium an der Musikhochschule München wahr?
München inspiriert mich! Die talentierten Studenten an der Musikhochschule genauso wie die Stadt, in der immer etwas los ist – ich kann dort sehr viel lernen. Gerade auch die bayerische Tradition und Musik faszinieren mich. Und dazu sind die Bayern noch so freundliche und hilfsbereite Menschen!
Was sind deine Ziele für die Zukunft?
Eines meiner größten Ziele ist natürlich, mich als Künstlerin weiter zu entwickeln und als Jazzsängerin zu arbeiten. Aber mein größter Wunsch ist es, mein Wissen an eine neue Generation mongolischer Jazzmusiker weiterzugeben. Vor allem an die Studenten des Jazz-Bachelorprogramms, das es dank GMUB seit 2016 gibt. Es wäre egoistisch, von so vielen professionellen Musikern unterrichtet worden zu sein und alles für sich zu behalten. Ich möchte meinen Beitrag für den Jazz in der Mongolei leisten und meine Liebe zur Musik vermitteln!
Welche Tipps hast Du für den Jazz-Nachwuchs?
Zwei Dinge: Übung und Glauben. Für Jazzmusiker ist es sehr wichtig, ununterbrochen zu üben. Wenn man etwas wirklich gut machen will, dann muss man sich jeden Tag verbessern. Und wenn du dann noch wirklich an dich glaubst, kann dich nichts mehr aufhalten!
Die Fragen stellten Ben Rangnick und Michael Heinst.