Deutsche Serien in den USA
4 Blocks: Berlin gehört jetzt uns!
Zweifellos: „4 Blocks“ ist beziehungsweise war die einflussreichste deutschsprachige Fernsehserie der vergangenen Jahre. Seitdem will hierzulande jeder große Sender oder Streamingservice seine eigene urbane Crime-Story mit Straßengeruch und Rapper*innen-Gastauftritten. Jedoch: Natürlich ist „4 Blocks“ weit mehr als einfach nur die Serie, die bewies, dass man durch den Schulterschluss mit der deutschen Hip-Hop-Szene Fernsehserien schaffen kann, bei denen auch die Instagram- und TikTok-Kids einschalten.
Von Sascha Ehlert
Dass 4 Blocks anders ist, weiß man bereits Sekunden nach Beginn der Serie. Ein junger Mann sitzt vor einem Imbiss und isst, im Hintergrund wird Arabisch gesprochen. Er wird von einem anderen jungen Mann zu einem Mofa gerufen: „Yallah, komm mal.“ Und man kommt selbst auch mit, sieht als Teil des Publikums dabei zu, wie die beiden Typen mit dem Mofa losbrettern, die Sonnenallee in Berlin-Neukölln entlang und dann nach Kreuzberg rüber, wo sie am Görlitzer Park mit schwarzen Straßendealern Drogen gegen Geld eintauschen; dabei läuft ein schwerer düsterer Beat und Hasan K. – ein Neuköllner Musiker, vor 4 Blocks nahezu unbekannt – rappt: „Junkies haben Isyan und Kummer, seine Drogen ersetzen die Wärme von Mutter, er sabbert, jetzt ist das Kristall sein Futter.“
Erzähltechnisch ist 4 Blocks ein sehr klassisches Organized-Crime-Drama. Es gibt das obligatorische Katz-und-Maus-Spiel mit der Exekutive, es gibt die vorhersehbaren Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Gruppen innerhalb des Milieus, vor allem ist 4 Blocks aber eine Familiengeschichte. Eine Geschichte, die eine Gruppe von Männern zeigt, die mal mehr, mal weniger direkt miteinander verwandt sind und Geld mit Gewalt und Drogen verdienen, aber ebenso das Leben der Menschen darstellt, die von und mit diesem sogenannten schmutzigen Geld leben – Freundinnen, Ehefrauen und Kinder. Und, das muss man der Serie zugutehalten, 4 Blocks macht das sehr gewissenhaft. Dies ist keine Serie, in der die Rahmenerzählung eigentlich nur dazu da ist, um möglichst viel Gewalt auf die Bildschirme zu bringen. Zumindest über weite Strecken schafft es 4 Blocks die Menschen als Menschen zu zeigen, nicht nur als Täter*innen und Opfer.
Ali Hamady, der von Kida Ramadan gespielte „Patron“ der Großfamilie, wird von seinen Freunden Tony genannt; was natürlich kaum missverständlich eine Anspielung auf Anthony „Tony“ Soprano ist, den so einschüchternden wie psychisch fragilen Boss in der besten Serie über organisiertes Verbrechen, die es gibt: The Sopranos schaffte es, zwischen all den Leichen, die die Serie produzierte, ein beeindruckend komplexes Bild einer Gesellschaft zu zeichnen und zudem für sich selbst wie andere toxische Männlichkeit zu dekonstruieren, lange bevor dieses Schlagwort in aller Munde war. 4 Blocks aber deutet die Traurigkeit und Brüchigkeit, die hinter den gewalttätigen Fassaden dieser Männer versteckt wird, nur an und verharrt dabei meist in holzschnittartigen Klischees. Anthony Soprano und Christopher Moltisanti sind Figuren, die man nie vergessen wird, an die man sich fast so erinnert wie an „echte“ Menschen. Menschen, die man gehasst und geliebt hat zugleich. Ali und Abbas Hamady hingegen werden immer die Figuren einer richtig guten Serie bleiben.
4 Blocks
Staffel1–3 / 19 Episoden jeweils 45–60 Minuten.
Regie: Marvin Kren (6 Episoden, 2017), Oliver Hirschbiegel (3 Episoden, 2018), Özgür Yildirim (10 Episoden, 2018/2019).
Entwickelt von Wiedemann & Berg Television und TNT Serie. „4 Blocks“ wurde ursprünglich geschrieben von Hanno Hackfort, Bob Konrad, Richard Kropf und Marvin Kren (der auch an der ersten Staffel Regie geführt hat). Die dritte Staffel wurde von Hackfort, Frédéric Hambalek und Niko Schulz-Dornburg geschrieben, basierend auf dem Konzept von Hackfort, Konrad, Kropf und Eckehard Weis.
Sehen Sie „4 Blocks“ Streaming
In den USA: Staffel 1 und 2
Amazon PrimeHBO Max
In Deutschland: Staffel 1–3
TNT Serie auf SKY
Amazon Prime
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