Musikgeschichtlich wird Trance meist als ein speziell deutsches Phänomen der Techno-Kultur beschrieben. Demgegenüber stehen jedoch die interkulturellen und internationalen Bedingungen, unter denen sich das Genre als eigenständiger Musikstil herausbilden konnte.
Während sich Techno stärker auf die industrialisierte, maschinisierte Gesellschaft als futuristisches Element sowie auf die fesselnde Kraft des daraus abgeleiteten Sounds bezog, fokussierte Trance auf die hypnotischen Potenziale urzeitlicher musikalischer Rituale und deren Fortbestand in den Musikpraxen heutiger indigener Kulturen. Dieser Umstand muss bei der Rezeption des Genres im Kontext kultureller Aneignung musikalischer Stile kritisch hervorgehoben werden. Gleichzeitig stellt sich die Frage, inwieweit Rituale der Spiritualität in einer hoch technisierten Gesellschaft abhandenkommen, in welcher Form Musik dabei als Substitut wirken und ob der Einsatz neuer Technologien eine Rückeroberung sogar ermöglichen kann.
2015 eröffneten die Künstler*innen Bastian Hagedorn und Henrike Naumann das Museum of Trance in Port-au-Prince, Haiti, in welchem sie deutsche Rave-Kultur exotisierten und als ,Other‘ inmitten von Haiti musealisierten. Die neue multimediale Arbeit Museum of Trance (2021) führt jene Überlegungen zu Spiritualität, Rave-Kultur, Exotismus und Otherness weiter. Die Videoarbeit begleitet ein junges Forscher*innenteam bei der Wiederentdeckung der Trance-Kultur in und um Berlin. Für die Rekonstruktion des Phänomens setzen die Forscher*innen archäologische Methoden und Praxen des Reenactments ein. Mit modernem technischen Equipment versuchen sie, gefundene Objekte als Instrumente nutzbar zu machen. Gefesselt von den gesammelten Erkenntnissen setzen sie die Puzzlestücke zusammen und schließen von diesen auf ein urzeitliches Ritual, um die Geister der Vergangenheit wiederzubeleben. In dem Video verschwimmen die Ebenen und die Referenzen überlagern sich. Suchen die Forscher*innen nach germanischen Relikten und altertümlichen Belegen für die Ursprünge von Trance, oder handelt es sich um eine Rekonstruktion des Trance der 90er-Jahre?
Henrike Naumann, geboren in Zwickau, lebt und arbeitet in Berlin. Sie reflektiert gesellschaftspolitische Probleme auf der Ebene von Design und Interieur und erkundet das Reibungsverhältnis entgegengesetzter politischer Meinungen im Umgang mit Geschmack und persönlicher Alltagsästhetik. In ihren immersiven Installationen arrangiert sie Möbel und Objekte zu szenografischen Räumen, in welche sie Video- und Soundarbeiten integriert. In Ostdeutschland aufgewachsen, erlebte Henrike Naumann in den 1990er Jahren die rechtsextreme Ideologie als dominante Jugendkultur. Ihre Praxis reflektiert die Mechanismen der Radikalisierung und deren Zusammenhang mit persönlicher Erfahrung. Der Fokus ihrer Arbeit erweitert sich hierbei in Auseinandersetzung mit der globalen Verbindung von Jugendkulturen und deren Rolle im Prozess von kulturellem Othering.
Bastian Hagedorn ist ein experimenteller Perkussionist, Schlagzeuger und Komponist. Er absolvierte einen Bachelor of Arts in Sozialer Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin und arbeitet sowohl als tourender Musiker, als auch als Multimediakünstler. Seine Arbeiten erforschen die Potentiale unkonventioneller Musikstile wie Noise, Gabber, Black Metal und freier Improvisation als Form künstlerischer Sprache, sowie die transzendenten Dimensionen des Rhythmischen. In seinen meist kollaborativen Installationen und Performances verhandelt er utopische und dystopische Szenarien aktueller technologischer Entwicklungen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf soziokulturelle Phänomene und alltägliche Rituale. In seinen Werken amplifizieren spezifisches Sounddesign und der Einsatz von Elementen der mechanischen Automatisierung die Ergebnisse seiner Überlegungen.