In einer Folge aus der dritten Staffel von Fear The Walking Dead überquert ein salvadorianischer Charakter, Daniel, die Grenze aus den Vereinigten Staaten nach Tijuana. Die Zombie-Apokalypse hat sich in der ganzen Welt ausgebreitet und Daniel – verwundet am Bein, jedoch nicht infiziert – sucht nach einer Möglichkeit, in einer Stadt zu überleben, in der Trinkwasser von einem Mafiabürgermeister kontrolliert wird. Auf dem Weg hilft ihm Efraín, ein Fremder, der ihn zu einem Brunnen bringt, wo täglich um fünf Uhr nachmittags Wasser sprudelt. Nach der Flüssigkeitszufuhr klettert Daniel auf Efraíns Frachtenfahrrad und zusammen überqueren sie die Plaza Viva Tijuana, während sie mit einem Schlagstock Zombies töten und den Attentätern des Bürgermeisters entkommen.
Es ist nicht das einzige Mal, dass Tijuana in der Serie Fear The Walking Dead erscheint, aber es ist das erste Mal, dass die Plaza Viva Tijuana gezeigt wird, ein Einkaufszentrum, das nur wenige Meter vom Gateway der Vereinigten Staaten entfernt liegt und derzeit halb verlassen ist. Wenn die Stadt an sich schon (mit ihren prekären und nekrotischen Verhältnissen) einer post-apokalyptischen Landschaft gleichen mag, stellt die Plaza ein erstklassiges Zombieszenarium dar.
Die Plaza Viva Tijuana wurde in den neunziger Jahren zur Kapitalisierung der aus Nordamerika strömenden Touristenmassen gebaut. Damals lag der Fußgängerübergang von San Diego nach Tijuana genau gegenüber der Plaza. Zwangsläufig besuchte der Gringo-Tourist die dort angesiedelten Apotheken, Läden mit Kunsthandwerk oder Souvenirs (curios, wie sie in Tijuana genannt werden), Restaurants und Nachtclubs. Es folgte eine Reihe unglücklicher Ereignisse. Einerseits ging der Tourismus nach den Terroranschlägen von 2001 und der vermehrten Gewaltakte durch den Drogenhandel im Jahr 2009 zurück. Andererseits wurde der Fußgängerübergang 2012 vorübergehend um 500 Meter verlegt. So wurde die Plaza Viva Tijuana mit ihrer einzigartigen Architektur, einer Mischung aus kalifornischem Einkaufszentrum und mexikanischer Plaza, zum Abbild einer Geisterstadt.
Nur schwerlich haben sich einige wenige Apotheken zu den Straßenseiten hin erhalten und im Inneren der Plaza verkehren Menschen (unter ihnen viele, die aus den Vereinigten Staaten deportiert wurden) fast nur noch um zu der ins Stadtzentrum führenden Fußgängerbrücke zu gelangen. In diesem Sinne wird die Plaza mehr und mehr zu dem, was der Anthropologe Marc Augé als Nicht-Ort bezeichnen würde: ein bloßer Durchgangsort ohne Identitätsgefühl. Sogar Fear The Walking Dead verbildlicht dies auf ironische Weise, wenn die Charaktere den von Zombies belagerten Raum eilig durchqueren.
Ausgehend von dieser Serie könnte die Plaza Viva Tijuana auch metaphorisch als ein untoter Ort verstanden werden. Wenn uns folglich die Figur der Untoten zu einer beunruhigenden postmortalen Trägheit führt, wo das Leben sowohl gegenwärtig als auch abwesend ist, wollen wir Orte selbst als Untote auffassen, an denen eine zombieske Geselligkeit lauert, angetrieben von prekären Impulsen, den ungewissen Resten eines verlorengegangenen Gesellschaftslebens.
Vor diesem konzeptuellen Hintergrund kann La Border Curios verstanden werden. Das kollektive und multidisziplinäre künstlerische Projekt, das von Laura Fiorio koordiniert wurde, untersuchte die prekäre Geselligkeit, die trotz aller Umstände nicht von der Plaza Viva Tijuana verschwinden will. Das Projekt interagierte mit Deportierten, Aktivisten, Angestellten und Passanten – ganz zu schweigen von einer zufälligen Begegnung mit Verbrechern (apropos Zombies: man sagt, dass auf der Plaza Organe gehandelt werden). Auf den Spuren einer einstmals in Tijuana sehr verbreiteten, nun aber ausgestorbenen (und fast unbekannten) Praxis, Touristen neben einem Papierobelisken – naturgetreue Kopien von Grenzmonumenten oder Mojoneras – zu fotografieren, entstand mit dem Projekt eine Piñata/Mojonera. Durch die Gegend getragen, mit Fremden fotografiert und schließlich während der Abschlussausstellung auf der Plaza Viva Tijuana begeistert zerschlagen in der Performance Dale Dale a la Border (Gib’s der Grenze, gib’s ihr).
Durch Feldforschungen, fotografische Aufzeichnungen, historische Aufarbeitung und Performance-Aktionen erlaubt das Projekt La Border Curios vermeintlich bekannte Bereiche und Zeiten der Grenze neu zu sehen. Sigmund Freud beschrieb einmal jene Erfahrungen, in denen etwas Vertrautes plötzlich verstörend wirkt – zwar nicht gänzlich fremdartig, aber definitiv nicht mehr vertraut ist – als unheimlich (die Figur des Zombies ist hierfür ein perfektes Beispiel). Vielleicht kann La Border Curios auch als eine Erforschung eben jener historischen Zeiten und städtischen Räume erachtet werden, die im sozialen Imaginären unheimlich geworden sind. In diesem Sinne ermöglicht das Projekt eine Erforschung der Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen dem „Wir“ und dem „Ihnen“, zwischen dem Bekannten und dem Unbekannten.
Wird darüberhinaus die Plaza Viva Tijuana mit der Geschichte der bewegten Grenze/Mojonera in Verbindung gebracht, legt La Border Curios das Nachdenken über eine mögliche Zukunft dieses Ortes nahe. Das Einkaufszentrum wurde an den Grenzübergang gebaut und veränderte sich mit dessen Verlegung. Nunmehr werden die kürzlich erfolgte Einweihung des El Chaparral Fußgängerübergangs (von San Diego nach Tijuana und in die entgegengesetzte Richtung) und das verheißungsvolle Millionenprojekt Umbral de las Américas zur Rekonstruktion der Fußgängerbrücke zwischen der Plaza Viva Tijuana und dem Stadtzentrum die Nutzung und die Dynamik der Plaza und ihrer Umgebung sicherlich wieder einer radikalen Neudefinition unterziehen.
So verändert eine sich in Bewegung befindliche Grenze weiterhin die städtischen Räume von Tijuana mit der Folge von enormen kapitalistischen Spekulationen und Gentrifizierungsschüben in den umliegenden Ortsteilen. Am Ende sei daran erinnert, dass es die Pandemie des Privateigentums (und damit die untote Spekulation des Kapitals) ist, die diese zombiesken Orte hervorbringt. In einer Szene aus der zu Anfang erwähnten Folge von Fear The Walking Dead sagt der Bürgermeister, der die Wasserversorgung monopolisiert hat: "Es wird die Apokalypse sein, aber es ist kein Kommunismus." Während die herrschende Klasse die Apokalypse einem „Gib’s dem Kapitalismus, gib’s ihm“ vorzieht, werden sich untote Orte und ihre Formen der Zombiesozialisation weiterhin vermehren.