Syowia Kyambi

Kambi Syowia
(c) Goethe Institut Kigali / Jennifer Brunner

Die Arbeit der Multimedia-Künstlerin Syowia Kyambi mit kenianisch-deutschen Wurzeln ist Teil der Ausstellung #FAVT: Future Africa Visions in Time, die von November-Dezember 2019 ihre letzte Station in Kigali hat.



Hier in Kigali werden wir ab 15. November 2019 im Rahmen der Ausstellung FAVT deine Arbeit „My mother´s mother“ erleben können. Erneut arbeitest du mit dieser Sound-Installation an den Themen „Weiblichkeit“/“Mutterschaft“, „Erinnerung“, „Identität“. Was dürfen wir erwarten?

Die Arbeit “My mother’s mother” war tatsächlich von der Neugierde inspiriert, Stimmen von Frauen hören zu wollen und zwar darüber, wie sie ihr persönliches Leben, ihr Karriereleben, ihr Leben als Mutter, als Frau, als Liebende steuern und darüber, was sie denken. Oft steuern Frauen auch auf Räume oder Ideen zu, die beinhalten, dass sie in einer bestimmten Art nicht sein dürfen oder sie können nur sehr schwer die Balance zwischen ihrem Leben und ihrer Arbeit bzw. Karriere finden. Es geht einfach darum, von ihnen zu hören, wie sie navigieren und was sie denken.
Tatsächlich ist es eine Installation mit Teetassen und mit Klang. Wenn man in den Raum kommt, hört man ein Rumpeln und viele Stimmen sprechen auf einmal. Es ähnelt vielleicht der Situation, wenn man ein Kaffeehaus oder einen Laden betritt oder in ein Wohnzimmer kommt, wo gerade zu Abend gegessen wird. Wenn man dann eine Tasse ans Ohr hält, dann hört man nur noch eine Stimme, eine einzelne Geschichte. Diese Stimmen kommen aus Kenia/Nairobi, Deutschland/Bayreuth und Frankfurt und auch aus Kigali.


Wie ist deine Arbeit in den größeren Rahmen von FAVT eingebettet? Was bedeutet für dich der Untertitel „An exhibition as progress“?

FAVT ist wirklich als ein fortschreitender Prozess konzipiert. Es wurde ursprünglich für Studierende, angehende Kurator*innen, in der Art entwickelt, dass sie die Realität des Kuratierens üben können, also nicht nur in der Theorie und gedanklich. Es geht darum, eine Ausstellung aufzubauen, um die Möglichkeiten und Anpassungen an den gegebenen Raum. Ich finde, dass das, was mit „My mother’s mother‘ in Kigali passiert ist, ein interessantes Beispiel dafür ist. Die Kuratorin Gloria Igabe kam auf mich zu und war begeistert von der Idee, dass auch Stimmen von Frauen aus Kigali vorkommen sollten. Die Arbeit war flexibel und konnte diese Idee aufnehmen. Das ist ein gutes Beispiel für eine Ausstellung als Prozess oder Entwicklung. Dass es nicht statisch, sondern fluide ist.


Du bist eine Künstlerin, die mit unterschiedlichen Medien, aber auch gerne mit dem eigenen Körper und performativ arbeitet. Welche Rolle spielt für dich Performanz und damit auch der Überraschungsmoment bzw. die Spontanität in deiner Kunst?

Meine Praxis wird gewissermaßen von zwei oder mehr Armen getragen: Es gibt immer eine Kompenente der Recherche, eine Art von reflektierendem Lesen und Denken und einen Gesprächsprozess im Verlauf meiner Praxis und dem Entstehen einer Arbeit. Und es gibt immer eine Art instinktiven Wegweiser innerhalb meines Prozesses. Dort versuche ich auf meinen Körper und meinen Instinkt zu hören. Manchmal verwende ich Materialien oder entwickle Ansätze, von denen ich noch nicht genau weiß, was das Ergebnis sein wird. Ich weiß zwar, dass es wichtig ist, aber ich kenne die Bedeutungen dahinter nicht. Die kommen manchmal danach. Dasselbe geschieht für mich, wenn ich performativ arbeite. Meine Performances sind vorgeplant und organisiert in Bezug auf Momente und manchmal auch was die Reihung betrifft, aber die Intuition spielt hier auch immer eine entscheidende Rolle. Es ist nicht wie das Skript eines Theaterstücks, sondern ist beeinflusst von den Reaktionen des Publikums und von meinem eigenen Prozess, da ich die Arbeit live mache: Diese Verschiebungen und die Fluidität sind wirklich wichtig.


Wie erlebst du den „Kunstbetrieb“ in Ostafrika? Vielleicht auch im Vergleich mit Europa?

Insofern als ich in unterschiedlichen Räumen und an unterschiedlichen Orten arbeite, vor allem in Nairobi und in letzter Zeit vermehrt auch in Tanzania, denke ich, dass es in Ostafrika in Bezug auf Materialität eine gewisse Freiheit gibt und auch dahingehend, dass man verschiedene Dinge ausprobieren kann. Es ist nicht so formalisiert wie in der westlichen Welt. Dort ist es so formal, dass man mit den Menschen nicht mehr in einer wirklich freien Art und Weise entdecken kann. Zum Beispiel: Wenn ich in einen Laden irgendwo in Nairobi gehe und etwas ausprobieren möchte, dann sind die Leute ziemlich willig und sagen: „Ja, lass uns das machen.“ In Europa hingegen ist es mehr so: „Das ist der Standard. Das ist, was wir machen und jetzt können Sie auswählen.“ Es ist jedenfalls nicht so: „Lass uns dieses und jenes ausprobieren.“ Das trifft vor allem auf Räume zu, wo man Material kauft: Eisenwaren, Holzhändler…
Gemeinschaftliche Arbeit ist in beiden Räumen sehr fluide. Gruppen von Menschen, die wirklich interessiert sind, offen und gewillt mehr über mich und über das, was ich denke und tue zu erfahren und gemeinsam mit mir zu erkunden, was sie denken und tun, finde ich immer. Eine Art gegenseitiger Austausch findet dann statt.
Die größte Herausforderung, die ich für mich selbst in Ostafrika ausmache, ist, dass die Kunstszene als eine Art Konsumarbeit verstanden wird. Es ist kommerzielle Arbeit. Kunst muss in sehr kommerzieller Art formatiert sein: für eine Wohnzimmerumgebung anstatt dafür, schwierige Dialoge zu entwickeln und zu generieren. Der Verkauf steht im Vordergrund, was nicht der Kern dessen ist, worum es in der Kunst geht. Da geht es nämlich darum, etwas zu schaffen, was die Menschen dazu auffordert nachzudenken und einen Dialog über schwierige Themen zu beginnen. Das ist eine Plattform, die nicht sehr oft angeboten wird. Wenn, dann muss sie von Grund auf aufgebaut werden und das ist doch recht schwierig. In Europa hingegen gibt es viele Räume, die finanziert werden, um diese Art von Kunstwerk und Beschäftigung möglich zu machen.
 

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