Curriculare Modelle

Wie sehen die verbreiteten curricularen Modelle für bilinguale Programme aus?

Von Dr. Johanna Watzinger-Tharp

In den USA bezeichnet der Begriff „dual language“ bzw. „dual language immersion education“ ein durchdachtes, klar strukturiertes Programm für die schulische Ausbildung in zwei Sprachen, das in der Regel im Kindergarten oder in der ersten Klasse anfängt und idealerweise bis zur Abschlussklasse der High School (12. Klasse) fortgeführt wird. Bilinguale Immersionsprogramme können schulweit oder im Rahmen einzelner Züge angeboten werden. Im Grundschulbereich sind Programme dieser Art meist gut ausgearbeitet und haben in den letzten 10 Jahren ein rapides Wachstum erfahren, wohingegen die im Sekundarbereich seltener und weniger klar definiert sind.  

Obwohl solche Programme je nach Umfeld, Umsetzung und Struktur unterschiedliche Ausprägungen annehmen können, verfolgen sie grundsätzlich drei Ziele: die Beherrschung beider Sprachen in Wort und Schrift, das Erbringen akademischer Leistungen in beiden Sprachen sowie ein gutes Verständnis zweier Kulturen (U.S. Department of Education, Office of English Language Acquisition, Dual Language Education Programs: Current State Policies and Practices, Washington, D.C., 2015). Im Rahmen bilingualer Programme lernen Schülerinnen und Schüler die Kernfächer (englische Sprache und Literatur, Mathematik, Naturwissenschaften) auf Englisch und in der Partnersprache (auch als Zielsprache bezeichnet), wie z. B. Chinesisch, Deutsch oder Französisch. Bilinguale Programme sind für alle Lernende vorgesehen, auch solche, die zuhause kein Englisch sprechen, Lernende mit Behinderungen und solche aus einkommens- und sozial schwachen Familien. Darüber hinaus sind sie für Schülerinnen und Schüler offen, die zuhause weder Englisch noch die Partnersprache sprechen, etwa solche, die zuhause Französisch sprechen und dennoch an einem bilingualen Immersionsprogramm für Deutsch und Englisch teilnehmen.

Unterrichtsmodelle: Bilinguale Immersionsprogramme in der Grundschule
Die Unterrichtsmodelle, die bei bilingualen Immersionsprogrammen zum Einsatz kommen, variieren innerhalb und zwischen den Bildungsstufen (Grundschule sowie Mittel- und Oberstufe, also Elementary, Middle und High School). Darüber hinaus können sich bestimmte Aspekte der jeweiligen Modelle, z. B. im Hinblick darauf, welche Fächer in welcher Sprache unterrichtet werden, von einer Klassenstufe zur nächsten ändern. Alle Programme müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als bilinguale Immersionsprogramme eingestuft werden zu können. Vor allem muss mindestens 50% des Schultags in der Partnersprache unterrichtet werden, wobei Lehrkräfte die Nutzung der Partnersprache durch die Schülerinnen und Schüler mehr oder weniger intensiv durchsetzen können, je nach Klassenstufe und Sprachbeherrschung.

Programme variieren von einer gleichgewichteten Sprachverteilung von 50/50 (wobei jeder Sprache ein halber Schultag gewidmet ist) bis hin zu 90/10-Modellen, bei denen Lernende fast ausschließlich in der Partnersprache unterrichtet werden, z. B. Deutsch, Französisch oder Spanisch. Modelle mit 90/10-Verteilung werden dann bis zur 5. Klasse allmählich auf eine 50/50-Verteilung umgestellt. Diese erfordern fast immer zwei Lehrkräfte und zwei Klassenzimmer, also je eine Lehrkraft und ein Klassenzimmer pro Sprache. Im Gegensatz dazu werden 90/10-Modelle meist von einem einzigen, zweisprachigen Lehrer unterrichtet, der zu bestimmten Zeitpunkten während des Schultags die Sprache wechselt. Dabei ist anzumerken, dass in der Partnersprache vermittelte Inhalte nicht auf Englisch wiederholt oder dupliziert werden. Stattdessen müssen Unterlagen und Unterricht einander ergänzen, da die Dauer des Schultags und die zum Lernen verfügbare Zeit für Kinder in bilingualen Immersionsprogrammen nicht länger ist als beim einsprachigen Unterricht.
 
Unterrichtsmodelle am Beispiel bilingualer Immersionsprogramme in Utah
Die folgenden beiden Kreisdiagramme illustrieren die Entscheidungen hinsichtlich der Fachverteilung, die Schulen treffen müssen, anhand des Unterrichtsmodells für bilinguale Programme im Bundesstaat Utah. In den dortigen Schulen werden in den Klassen jeweils bis zu drei Sachfächer wie Mathematik, Sozial- und Naturwissenschaften in einer Partner- bzw. Zielsprache wie etwa Deutsch (rechts im Kreisdiagramm) unterrichtet. Der andere (gleich lange) Teil des Tages (die linke Hälfte des Kreisdiagramms) wird primär auf Sprach- und Literaturunterricht in der englischen Sprache verwendet. Während des englischsprachigen Teil des Tages lernen Schülerinnen und Schüler außerdem englisches Vokabular, um Inhalte zu stärken, die in der Zielsprache unterrichtet werden, insbesondere Mathematik. In den Klassen 4-5 wird Mathematik größtenteils in den englischen Teil des Unterrichtstags verlegt, es wird weniger englische Sprache und Literatur unterrichtet, und die Alphabetisierung in der Zielsprache nimmt zu.

Utah Dual Language Immersion © Utah Dual Language Immersion Utah Dual Language Immersion Utah Dual Language Immersion
Utah Dual Language Immersion © Utah Dual Language Immersion Utah Dual Language Immersion Utah Dual Language Immersion

 

 

 

 

 

 

 



Bilinguale Immersion in der Sekundarstufe
Die Fortführung bilingualen Immersion in der Middle und High School ist unverzichtbar, damit Schülerinnen und Schüler ein hohes Maß an Sprachkompetenz sowohl in Englisch als auch der Partnersprache erzielen. Dies ist jedoch mit großen Herausforderungen verbunden. Der Bedarf an Lehrkräfte, die qualifiziert sind, Sachfächer in einer anderen Sprache als Englisch zu unterrichten, ist schwer zu decken – wobei auch in der Primarstufe oft ein Lehrermangel herrscht. Generell sind die Programme im Sekundarbereich oft weniger rigoros definiert, weniger strukturiert und es ist weniger wahrscheinlich, dass der Unterricht zu gleichen Teilen auf beide Sprachen verteilt ist. Angesichts der Herausforderungen kommt es leider häufig vor, dass Schulbezirke die bilinguale Immersion nach der 6. Klasse einstellen.

Welche Möglichkeiten und Modelle zur Fortführung der bilingualen Immersion in der Middle und High School gibt es also? Häufig bieten diese Schulen ein oder zwei Fächer wie z. B. Geschichte, Mathematik oder Sozialwissenschaften sowie einen Sprach- und Literaturkurs für das Niveau von Schülerinnen und Schülern nach fünf bis sechs Jahren bilingualer Immersion an. Angesichts dieses eingeschränkten Kursangebots liegt der Anteil des Kursangebots in der Partnersprache bei deutlich unter 50 %, manchmal bei 40 %, aber in der Regel eher bei 25-30 % des Schultags.

In Schulen mit einem sogenannten Advanced Placement (AP) Programm können Lernende, die irgendeine Form der bilingualen Immersion in der Sekundarstufe fortgesetzt haben, oftmals einen AP-Weltsprachenkurs mit der entsprechenden Prüfung abschließen, oft schon in der 9. Klasse. Das führt jedoch zu weiteren Herausforderungen, da Schulen in den seltensten Fällen Kurse in Weltsprachen bzw. Sprache und Literatur über dem AP-Niveau anbieten. Der Bundesstaat Utah geht dieses Problem mit dem sogenannten Brückenprogramm für die Klassen 10, 11 und 12 an (https://l2trec.utah.edu/bridge-program/). Im Rahmen einer Universitätspartnerschaft bieten High Schools fortgeschrittene Kurse an, bei denen Schülerinnen und Schüler nach bestandener AP-Prüfung High-School- und College-Leistungspunkte sammeln können.
 
Schlussfolgerung
Damit Lernende ein hohes Niveau in zwei Sprachen erreichen können, müssen sie die Gelegenheit haben, ab der Vorschule bzw. der ersten Klasse an durchdachten, klar strukturierten Immersionsprogrammen teilzunehmen. Dabei sollte die Schaffung bilingualer Immersionsprogramme auf Grundschulniveau stets Hand in Hand mit der Planung für eine Fortsetzung in der Sekundarstufe gehen, wobei auch Kompetenzziele und Messgrößen für jede Klassenstufe aufgestellt werden. Nur gut strukturierte, angemessen aufgebaute bilinguale Immersionsprogramme, die vom Kindergarten bis zum Schulabschluss in der 12. Klasse fortgesetzt werden, schaffen die nötigen Voraussetzungen, um zwei Kulturen und zwei Sprachen in Wort und Schrift zu beherrschen.

Johanna Watzinger-Tharp © JWT Johanna Watzinger-Tharp JWT


Johanna Watzinger-Tharp, Ph.D. ist Associate Professor an der Abteilung der Linguistik an University of Utah, sie forscht und unterrichtet im Bereich bilingualer Bildung, Mehrsprachigkeit, Curriculumsplanung und Lehrerausbildung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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