Der Tod in Lateinamerika
Zwischen Tabu und Normalität

El jarabe en ultratumba
El jarabe en ultratumba | Foto: José Guadalupe Posada, 1888 (PublicDomain)

In Lateinamerika nimmt der Tod im Alltag einen wichtigen Platz ein: in der Kunst, bei Festen und exzentrischen Riten. Bilder von der besonderen Beziehung des Kontinents mit dem Jenseits.

Eines der fröhlichsten Lieder der Salsagruppe Gran Combo de Puerto Rico handelt vom Tod. „Lauf schnell, dass dich der Tod nicht erwischt!“, wiederholt der Refrain, während Trompeten und Trommeln sich gegenseitig mit dem ungezügelten Rhythmus des Liedes anstecken. Obwohl es in vielen Kulturen als etwas makaber angesehen werden könnte, sich in einen Tanz zu stürzen, um sich über den Tod lustig zu machen, sind Leben und Tod in ihrer widersprüchlichen Beziehung in der lateinamerikanischen Kultur nicht voneinander zu lösen. Oder wie es der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz sagte: „Eine Kultur, die den Tod verleugnet, verleugnet auch das Leben.“ So kommt es, dass wir in ganz Lateinamerika auf Klage- und Abschiedszeremonien stoßen, die sich zugleich in Fest- und Feierakte verwandeln.

Sei es, dass der Karneval als Analogie zur Vergänglichkeit des Lebens dient, seien es Gedenkrituale für die Toten oder Amulette: Der Tod ist zentrales Wesensmerkmal der lateinamerikanischen Kultur. Das mag sich dadurch erklären, dass Gewalttaten in Lateinamerika alltäglich stattfinden und sich gewissermaßen als Normalität durchgesetzt haben. Trotzdem scheint die Lebensfreude, mit der diese Bräuche begangen werden, den Schmerz des Abschieds außer Acht zu lassen, um die Hoffnung auf eine Auferstehung oder ein besseres Leben nach dem Tod zu feiern.  
 

 

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