Synopsis
Die animierte Scheherazade der Rahmenhandlung hat auch heute noch viel zu erzählen: Von einem homosexuellen Teenager aus Syrien, der fürchten muss, dass sein in Deutschland gestellter Asylantrag abgelehnt wird, von einer in Berlin geborenen und nur deutsch sprechenden Künstlerin, die dennoch immer wieder auf ihre afghanischen Wurzeln zurückverwiesen wird, von einer iranisch-stämmigen Bierbrauerin, die in Teheran die (alkoholfreie) bayerische Braukultur etablieren möchte, die sie beim Studium in München kennen gelernt hat und von der Regisseurin selbst, die um diesen ihren Dokumentarfilm mit einem aus dem Off sprechenden, aber ansonsten unsichtbar bleibenden Filmdozenten ringt. Mit feinem Humor und einem Gespür für die Absurditäten des deutschen Alltags dekonstruiert Regisseurin Narges Kalhor nicht nur das hiesige Orientbild, sondern auch die Vorstellungen von dem, was ein Dokumentarfilm zu sein hat. Es ist ein Film über das Geschichtenerzählen und zugleich eine Identitätssuche der Filmemacherin, die selbst aus dem Iran nach Deutschland immigriert ist.
Narges Kalhor über ihren Film
(…) In the Name of Scheherazade spielt eben mit „exotischen Einsprengseln“. In einer Szene stehen Ausstellungsbesucher um eine Künstlerin mit lockigen Haaren und dunklerem Teint. Eine Kuratorin stellt sie vor, stellt ihr Fragen und danach ist das Publikum dran, sich zu äußern. Währenddessen fallen kleine Steine aus der Installation – aus einigen in der Luft hängenden nackten Gummipuppen. Die Künstlerin versucht, ihre Vorgehensweise und ihre Haltung zu erklären. Das Ganze kann als Kritik an den Klischees und Erwartungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft an „Exoten“ verstanden werden. Der Film spielt mit den Klischees und befriedigt sie auch, um seinerseits Erfolg beim Publikum zu haben. Das ist richtig! Darum der Titel „In the Name of Scheherazade or The first Beergarden in Teheran“. Am Ende, wenn die Kamera sich zurückzieht, zeige ich, was alles nicht stimmt, was vorher behauptet wurde: Bier kommt nicht aus dem Iran. Aber die Zuschauer gehen genau deswegen ins Kino, weil sie den Film ‚Biergarten in Teheran’ sehen wollen. Das alles ist bewusst ausgewählt. Steinbrecher, der Tutor, der im Film immer nur im Off zu hören ist, sagt einmal, dass der Filmtitel einen Bezug zum Heimatland der Regisseurin haben muss. Ich kritisiere nicht nur westliche Erwartungen, sondern auch mich selbst. Ich kritisiere die Künstlerin mit den Gummipuppen und die, die gar nichts mit dem Nahen Osten zu tun haben, aber „Naher-Osten-Kunst“ produzieren.
Regie: Narges Kalhor
Narges Kalhor ist 1984 in Tehran geboren und aufgewachsen. Nach ihrer allgemeinen Hochschulreife 2001 begann sie an der Filmhochschule Teheran den Studiengang Spielfilmregie zu studieren. Dort wurde sie von verschiedenen bekannten Filmemachern, u.a. Abbas Kiarostami, betreut. 2009 kam Narges Kalhor mit ihrem Kurzfilm Die Egge aus dem Iran nach Nürnberg zum internationalen Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte. Dort beantragte sie, Tochter des ranghöchsten Kulturberaters des damaligen iranischen Präsidenten Ahmadinehjad, politisches Asyl in Deutschland. Inzwischen hat sie Asyl in Deutschland erhalten und studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. 2010 erhielt sie ein Stipendium bei Vodafone Chance für ihr ganzes Studium. Ihr zweiter Film an der Filmhochschule als Co-Regisseurin Shoot Me war für den Deutschen Kurzfilm Preis nominiert und wurde als bester Film der Nonfiktionale 2014 ausgezeichnet. Narges Kalhor arbeitet inzwischen im Filmkunstbereich für diverse Ausstellungen und Museen. Ihr Abschlussfilm In the name of Scheherdazade feierte seine Welt-Premiere bei Vision Du Réel 2019 und wurde mit dem Preis Best Deutscher Dokumentarfilm vom Goethe Institut beim DOK Leipzig 2019 ausgezeichnet. Außerdem erhielt sie dafür im gleichen Jahr den Kulturpreis Bayern sowie 2020 den Starter-Filmpreis.