Der Sockel des sogenannten „Peace Memorial“
Seit seiner Gründung hatte Kitchener-Waterloo eine Verbindung zu Deutschland - die heutige Stadt Kitchener hieß früher sogar Berlin. Die ersten Siedler dieser Region waren deutscher und niederländischer Abstammung. Weil damit bereits eine deutschsprachige Gemeinschaft ansässig war, zog es auch neue Immigranten aus Deutschland in die Region.
Als in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Eisenbahnstrecke durch die Stadt verlegt und damit die Industrialisierung vorangetrieben wurde, kamen noch mehr Menschen nach Berlin (heute Kitchener). Obwohl die mennonitischen und deutschen Einwanderer unterschiedliche Dialekte sprachen, konnten sie einander verstehen und bis in die 1870er Jahre war das Deutsche die dominierende Sprache Berlins. Ab diesem Zeitpunkt begann die Zahl deutscher Einwanderer zurückzugehen, aber die Stadt galt in ganz Kanada immer noch als überwiegend deutsch.
Der Erste Weltkrieg führte zu Spannungen in Berlin. Die Mennoniten sind eine evangelische Freikirche, die den Militärdienst traditionell ablehnt. Daher verweigerten sie ihre Unterstützung an der Front. Ihre Ablehnung gegenüber der Wehrpflicht und ihr deutsches Erbe hatten zur Folge, dass die Bewohner Berlins von den Kanadiern als illoyal wahrgenommen wurden. So begannen das Misstrauen und die feindliche Stimmung gegenüber den deutschen Bewohnern zuzunehmen.
Im Jahr 1914 spitzt sich die Lage zu. Die Stadt Berlin hatte 1897 eine Büste des deutschen Kaisers Wilhelm I im Rahmen der Festlichkeiten des Friedens in Europa erstanden. Diese Büste befand sich auf einem Sockel des sogenannten „Peace Memorial“ (Friedensdenkmal) im Viktoria Park in der Innenstadt Berlins. Am Sonntagmorgen des 23. Augusts 1914 bemerkten Anwohner, dass die Büste in den nahegelegenen Viktoria Park See geworfen worden war. Nachdem man sie aus dem See gefischt hatte, wurde die Büste dem „Concordia Club“, einer deutschen Gesellschaft in Berlin, zur Verwahrung übergeben.
Allerdings wurde die Büste zwei Jahre später von Soldaten und Bürgern aus dem „Concordia Club“ gestohlen. Sie wurde in der Stadt herumgetragen und als Zielscheibe benutzt, während das Friedensdenkmal dem Vandalismus zum Opfer fiel. Dabei ging die Büste Kaiser Wilhelms I verloren und die Parkverwaltung ließ das Friedendenkmal abreißen. Im September desselben Jahres wurde die Stadt zu Kitchener umbenannt.
Benannt nach dem englischen Kriegsminister Herbert Kitchener, trägt die Stadt ihren Namen noch heute, obwohl die antideutsche Stimmung längst vorüber ist. Das Deutsche dominiert die Stadt zwar nicht mehr so wie früher, das deutsche Erbe wird jedoch nach wie vor zum Beispiel anlässlich des Oktoberfestes gefeiert. Tatsächlich hat die „German-Canadian Business and Professional Association“ das Friedensdenkmal 1996 in Absprache mit der Stadt wieder neu errichten lassen. Dort befindet sich nun auch eine Gedenktafel auf der die Geschichte der verschollenen Büste erzählt wird.
Victoria Park
32 Dill St
Kitchener, ON N2G 1L1
10 Fakten über das mysteriöse Verschwinden der Büste des Kaisers