Fotografie und Film
Tobias Zielonys Arbeit Maskirovka entstand zwischen 2016 und 2017 in der Ukraine und konzentriert sich auf die Underground Queer- und Techno-Szene in Kiew in der Zeit nach der Revolution von 2013. Der Begriff ‚maskirovka‘ beschreibt eine traditionelle russische Kriegstaktik der Täuschung. Die sogenannten ‚grünen Männer‘, die die Krim besetzten und pro-russische Kräfte in der Ostukraine unterstützten, waren in Wirklichkeit russische Spezialeinheiten. Sie trugen Gesichtsmasken, um ihre Identität zu verbergen und entfachten einen hybriden Krieg, der niemals offiziell erklärt wurde. Die jüngsten politischen Entwicklungen ebenso wie die russische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes lassen sich als eine traurige Travestie verstehen, in der alles möglich ist, doch nichts real scheint. Alle Bereiche des Lebens sind in eine Lage geraten, in der es kein Richtig und Falsch mehr gibt.
Zusätzlich zu den 42 Fotografien der Maskirovka-Serie, von denen 10 in der Ausstellung TECHNO WORLDS gezeigt werden, entstand während Tobias Zielonys Aufenthalt in Kiew ein animierter Film mit gleichem Titel, für den Tobias Zielony 5.400 Einzelbilder von seiner Kamera zusammenmontierte. Bilder aus dem Club, von der Straße, vom Maidan und die vielen Nachrichten über Kiew sowie die Vorgänge an der Front, wie sie auf Fernsehbildschirmen festgehalten sind. Der Film ist über die gesamte Dauer in zwei visuelle Ebenen aufgeteilt, die fünfmal pro Sekunde wechseln. Indem der Erinnerung der Betrachter*innen an die gerade erst verschwundenen Bilder unmittelbar neue aufgedrängt werden, webt das stroboskopische Flimmern einen Quilt aus kurzlebigen Eindrücken. Dies ist der Höhepunkt von Tobias Zielonys Narrativ der Gegenwart über die facettenreiche Realität der heutigen Ukraine und die konkurrierenden Ansprüche der verschiedenen Akteure, die darum ringen, den umkämpften symbolischen und politischen Raum und seine Repräsentation zu beherrschen. Bilder, Andeutungen, Maskerade sind wesentliche Bestandteile des Kriegs sowie – nicht weniger wichtig – friedlichen Widerstands.
Tobias Zielony wurde in Wuppertal geboren, er lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Dokumentarfotografie an der University of Wales, Newport und künstlerische Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Tobias Zielony ist bekannt für seine fotografischen Darstellungen der Jugendkultur. Er spann die Recherchen für sein erstes Buchprojekt „Behind the Block“ (2004) über vier europäische Städte, um die Heranwachsenden dort an öffentlichen Plätzen, häufig nachts zu beobachten. Die Themen und sozialen Realitäten seiner Recherchen berühren Strukturwandel, Migration und Drogenmissbrauch ebenso wie Sexarbeit. Seine kritische Auseinandersetzung mit dem Dokumentarischen schlägt sich in einer spezifischen Ästhetik und Beziehung zu Fiktion nieder. Menschen werden häufig in einer lockeren Art und Weise porträtiert, die sensibel die zur Schau gestellte visuelle Sprache, Gesten und Haltungen der Person aufnimmt. Seine Arbeit „The Citizen“ wurde im Rahmen der 56. Biennale in Venedig gezeigt. Tobias Zielony nahm an Gruppenausstellungen beispielsweise am Bozar Center for Fine Arts in Brüssel und an der 1. Riga Biennale teil, Einzelausstellungen fanden am Philadelphia Museum of Art und Folkwang Museum Essen statt.