Anna Haifisch publiziert Comics in New York und gründete ein Comicfestival in Leipzig mit: So verbindet die Zeichnerin ihre Faszination für die US-amerikanische Kultur mit lokalem Engagement und Independent-Anspruch.
Von Stefan Pannor
Auf einen Blick
Die 1986 geborene Leipzigerin studierte von 2004 bis 2011 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. 2008 arbeitete sie in den USA. 2013 gehörte sie zu den Mitbegründern des Millionaires Club in Leipzig, einem von zwei jährlich stattfindenden Independent-Comicfestivals der Stadt. 2015 erschien ihr erstes Buch Von Spatz.
Der ambivalente Disney
In Von Spatz schildert Haifisch einen (fiktiven) Aufenthalt von Walt Disney in einer Nervenklinik. Eine Komödie der verlorenen Illusionen: Haifischs Disney wäre gern großer Künstler, ist aber nur begnadeter Manager. Ohne seine Anwesenheit verkommt sein Trickfilmstudio, wie es im Comic heißt: „Die Animatoren hatten sich kleine Höhlen gebaut, aus welchen sie mit spitzen Metallstücken auf die Coloristen schossen.“ Warum Disney? Anna Haifisch: „Ich finde seine Vision und sein Werk extrem beeindruckend. Aber er ist ein ambivalenter Charakter. Schlimm herrschsüchtig und gleichzeitig extrem liebevoll im Umgang mit den Zeichnungen und Animationen.“
Ein besonderes Werk
2015 und 2016 erschien Haifischs Comicstrip The Artist im amerikanischen Online-Magazin Vice. Das kam durch einen Zufall: „Der US-Comiczeichner Alex Schubert hatte mich empfohlen, weil er ein Heft von mir in einem New Yorker Comicladen gefunden hatte.“ Doch dieser Zufall brachte Haifisch den internationalen Durchbruch. Seitdem erscheinen ihre Bücher regelmäßig auch in englischer Sprache. The Artist schildert die erfolglosen Bemühungen eines namenlosen, prätentiösen Künstlers, in der Kunstszene Fuß zu fassen. Der Comic sei nicht autobiographisch, „aber das Gemüt der Figur hat schon viel mit mir zu tun“, sagt Haifisch.
„The Artist“ schildert die Bemühungen eines Künstlers, in der Kunstszene Fuß zu fassen. Figurenzeichnung, Hintergründe, Farben und oft auch das Geschehen sind aufs Äußerste reduziert.
Dabei treten auch andere bekannte Künstler in verfremdeter Gestalt auf, hier etwa der Illustrator Tomi Ungerer, der Walt Disney um Rat bittet.
Eine Leipziger Schule
Es ist das Gemüt von Minimalismus und Entfremdung. Optisch ist der Protagonist von The Artist ein langgezogener Hungervogel fast ohne individuelle Merkmale – Hintergründe werden, wo es geht, ausgespart. Und auch beim Einsatz von Farbe arbeitet Haifisch mit äußerst reduzierter Palette. Zusammen mit ihren Comiczeichner- und Atelierkollegen Max Baitinger und James Turek, die ähnlich abstrakt arbeiten, kann man von der Ästhetik einer Leipziger Comicschule sprechen.
Lokal international
2013 war Haifisch Mitbegründerin des zweiten regelmäßigen Independent-Comicfestivals in Leipzig. „Ich finde es schön, wenn Besucher, die ich noch nie vorher gesehen habe, über Stunden da rumhängen und ein paar neue Leute kennenlernen.“ Internationale Gäste zeigen die globale Vernetzung des Festivals: Mitorganisator ist der nach Leipzig gezogene New Yorker Comiczeichner James Turek.
In eigenen Worten
„Die USA wirkten wegen ihrer Kultur immer besonders anziehend auf mich. Ich bin hinter dem Eisernen Vorhang aufgewachsen, und als die Mauer 1989 fiel, waren diese Dinge plötzlich in Reichweite. Wenn ich mich also in meinen Comics auf die USA beziehe, ist das nicht nur eine Referenz, sondern etwas zutiefst Persönliches.“