Heinz Strunk
Vom Energieloch zum Sugardaddy

Nach seinem düsteren Erfolgsroman „Der goldene Handschuh” über einen realen Frauenmörder hat Heinz Strunk nun einen Liebesroman vorgelegt. Aber: Nach der Lektüre dürfte so mancher Single weiterhin gerne allein bleiben.

Von Holger Moos

Strunk: Es ist immer so schön mit dir © © Rowohlt Strunk: Es ist immer so schön mit dir © Rowohlt
Der namenlose Protagonist in Es ist immer so schön mit dir ist ein typischer Antiheld à la Heinz Strunk: Ende 40 und tief in einer Midlifecrisis. Die Arbeit als Toningenieur ödet ihn an, seine Beziehung mit Julia langweilt ihn: „Leider löst sie keine sexuellen Wünsche mehr bei ihm aus, ihre Gegenwart hat etwas geradezu Sedierendes. Vielleicht tut sie ihm auch heimlich Weich- oder Schlaffmacher ins Getränk.“
 
Wenn er das Spiegelbild von Julia und sich in einem Schaufenster sieht, ist er entsetzt: „Wie sehen die (wir) denn aus! Provinzler, die am Wochenende aus den umliegenden Speckgürteln gekrochen kommen, Eltern, deren Kinder gerade das Haus verlassen haben und die nun endlich wieder tun und lassen können, was sie wollen, aber verlernt haben, wie das geht.“

Selbsterniedrigungen

Da kommt eine neue, jüngere Frau gerade recht. Auf einer Premierenfeier lernt er die attraktive, aber talentlose Schauspielerin Vanessa kennen. Die ersten Treffen sind alles andere als ein Feuerwerk. Vanessa lädt ihn ein, sie von einer Probe abzuholen. Diese ist natürlich nicht pünktlich zu Ende. Also muss er der Probe noch etwas beiwohnen. Was er auf der Bühne sieht, ist für ihn das reine Grauen: „Die Verzweiflung hat sich im Raum ausgebreitet wie giftiger Nebel. Niemand wird diese Premiere überleben, so viel ist klar.“ Vanessas Auftritt in der Premiere machts nicht besser: „Mit jeder Minute, die sie auf der Bühne steht, schwindet ihre Strahlkraft. Eben noch illuminiert, gleich schon wieder erloschen.“
 
Zunächst sieht es so aus, als hielte die Neue ihn nur hin. Sie lässt ihn warten, auflaufen, ganz nach ihrer Pfeife tanzen. Und bezahlen muss natürlich immer er. So wird die Langeweile in der alten Beziehung abgelöst von Selbsterniedrigungen in der neuen. Sozusagen vom Energieloch zum Sugardaddy.
 
Gnadenlos sind bei Strunk nicht nur die Welt-, sondern auch die Selbstbeobachtungen. Der Mensch kommt in all seiner Erbärmlich- und Körperlichkeit zum Vorschein. Ein Rivale um Vanessas Gunst wird etwa so beschrieben: „Saugend, schmatzend und bohrend, tastend rückt der Leopard unter den Großherstellern Millimeter für Zentimeter vor … Die kahle Stelle auf seinem Kopf leuchtet vor Verlangen wie ein pochiertes Ei“.

Meister der Kurzstrecke

Strunk gelingt in diesem Roman aber nicht alles. So nimmt man der Hauptfigur nicht ganz ab, Vanessa derart verfallen zu sein, dass das in eine toxische Beziehung mündet – zu kritisch-distanziert steht er ihr gegenüber. Die Figur der Vanessa selbst bleibt ebenfalls blass, ihre Anziehungskraft wird eher behauptet als erzählt. Dass die magersüchtige junge Frau auch noch eine Missbrauchsvergangenheit hat, wirkt etwas zu konstruiert.
 
Strunks Stärken sind Wortwitz und seine genaue Beobachtungsgabe bezogen auf menschliche Unzulänglichkeiten und die Widersprüche zwischen Sein und Schein. Insgesamt weiß sein neuer Roman daher durchaus zu unterhalten und bietet zahlreiche tragisch-komische Szenen und Dialoge, die beweisen: Ein Meister der Kurzstrecke, der schnellen und manchmal auch billigen Pointen und Zoten ist Strunk in jedem Fall.
 
Rosinenpicker © © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank
Heinz Strunk: Es ist immer so schön mit dir
Hamburg: Rowohlt, 2021. 288 S.
ISBN: 978-3-498-00198-8

Top