Fanzines in Deutschland
Selbstmachkultur mit Tradition
Trotz Internet ist in Deutschland die Kultur gedruckter Fanzines quicklebendig. Die Macher interessanter Publikationen aus Kunst, freier Zeichnung und Comic gehen dabei mitunter ungewöhnliche Wege.
Seit 1930 das US-Science-Fiction-Magazin The Comet zum ersten Mal erschien, gibt es sogenannte Fanzines, Publikationen also, die von Fans für Fans gemacht werden. In der Bundesrepublik machte 1955 das ebenfalls in der Science-Fiction-Szene angesiedelte Fanzine Andromeda den Anfang – wie überhaupt die meisten frühen Fanzines den Themenbereichen Science-Fiction, Fantasy, Horror und Comic vorbehalten waren.
Etablierung in der Jugendkultur
Das änderte sich in den 1960er-Jahren, als mit der immer populärer werdenden Rockmusik auch in der Bundesrepublik Musik-Fanzines wie Pilze aus dem Boden schossen – und sich dadurch fest in der Jugendkultur verankerten. Mit dem Aufkommen von Punk Mitte der Siebzigerjahre und dessen Selbstmachkultur breitete sich die Fanzine-Kultur endgültig aus.Das erste deutsche Punk-Fanzine war The Ostrich, das erstmals 1977 in einer Auflage von fünfzig Exemplaren erschien. Anfang der Achtzigerjahre gab es alleine in der Bundesrepublik bereits mehr als dreihundert Punk-Fanzines. In der Folgezeit kamen zudem vermehrt Fanzines auf, die sich Musikrichtungen wie Metal, Gothic oder New Wave widmeten oder sich andere Bereiche der (Jugend-)Kultur wie etwa den Fußball erschlossen.
In der DDR war das Publizieren von Fanzines deutlich schwieriger, wie Christian Schmidt, vom Archiv der Jugendkulturen in Berlin, betont. Ein Grund dafür war, dass für Vervielfältigungen in der Regel eine Druckgenehmigung benötigt wurde. Auch gab es keine Copyshops, weswegen man sich mit technisch weit weniger leistungsfähigen Wachsmatrizen-Geräten behelfen musste.
Trotz Internet gibt es viele interessante Print-Fanzines
Seit den 1990er-Jahren hat sich der deutsche Fanzine-Markt noch weiter diversifiziert. Zu den Themen Fußball und Rollenspiele gab es zeitweise eine nahezu unüberschaubare Zahl an Publikationen. Allerdings wurden in den letzten Jahren zahlreiche Print-Fanzines eingestellt, vor allem wohl, weil es mittlerweile sehr leicht ist, über das Internet zu publizieren. Dafür haben sich E-Zines als Publikationsform etabliert – viele davon als Weiterführungen ursprünglicher Print-Fanzines als Onlineformate. Generell hat die Vernetzung innerhalb der deutschen Zine-Szene zugenommen. Seit 2011 trifft man sich einmal jährlich auf dem Zinefest Berlin, um sich über die neuesten Entwicklungen auszutauschen.Gleichzeitig sind seit den Nullerjahren auch einige neue inhaltlich wie ästhetisch interessante Print-Publikationen entstanden. Viele von ihnen stehen an der Schnittstelle von Comic, Illustration und Grafik, beispielsweise die Zines des von der Schwedin Anna Hellsgård und dem Franzosen Christian Gfeller in Berlin betriebenen Printateliers Re:Surgo!. Unter diesem Label werden im Siebdruck-Verfahren hergestellte Mini-Zines unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler veröffentlicht. Einmal jährlich erscheint das Fanzine Spring, das im Jahr 2004 in Hamburg aus dem Wunsch heraus gegründet wurde, die Position von Frauen in der Comicszene zu stärken. Bis heute publizieren in Spring ausschließlich Frauen ihre Zeichnungen. Spring erscheint in einer Auflage von 1.000 Exemplaren und hat laut Mitherausgeberin Larissa Bertonasco ausdrücklich kein klar definiertes Zielpublikum vor Augen: „Wir wollen ein schönes Heft machen und unabhängig und frei sein in unseren Entscheidungen.“
Seit 2015 kooperiert Spring mit dem Hamburger Mairisch Verlag, der sich vor allem um Pressearbeit, Werbung und Vertrieb kümmert. Das hat dazu geführt, dass die aktuelle Edition Privée bereits wenige Wochen nach Erscheinen beinahe vollständig ausverkauft ist. Weder die Herausgeberinnen noch einzelne Autorinnen verdienen etwas an Spring; eine Ausgabe wirft immer jeweils gerade so viel ab, dass sich davon die nächste finanzieren lässt. Der Schritt in Richtung Professionalisierung sei, wie Larissa Bertonasco erklärt, irgendwann einfach notwendig gewesen. Ein nichtkommerzielles Heft wie Spring lasse sich am besten längerfristig weiterführen, wenn man sich ganz auf die inhaltlichen Aspekte fokussieren könne.
Minikunstwerke aus dem Automaten
Einen originellen Weg beschreitet der Galerist Lars Kaiser mit seinen seit dem Jahr 2000 existierenden Kunstautomaten. Aus den umgerüsteten Zigaretten- oder Kondom-Automaten kann man sich für wenige Euro Original-Kunstwerke ziehen: Zeichnungen, Grafiken, aber auch Texte oder lustige Strick-Tiere aus Stoff. Die Idee, so Kaiser, sei ihm gekommen, „weil immer wieder Galerie-Besucher nach kleineren Kunstwerken fragten“.Während Lars Kaiser die ersten Künstlerinnen und Künstler noch aus seinem Galerie-Umfeld für den Automaten rekrutierte, kann mittlerweile jeder professionelle Künstler mitmachen. Aufgrund der sämtlichen Werken beigelegten Künstlerbiografien inklusive Telefonnummer und Adresse nehmen viele Käufer irgendwann Kontakt zu den Künstlern auf. Manche möchten einfach nur Feedback geben, andere wollen weitere – dann meist größere – Werke kaufen. Außerdem, sagt Lars Kaiser, werden „gerade jüngere Leute durch die Kunstautomaten angesprochen“. Die Automaten tragen also die Kunst auch an jene Menschen heran, die keine typischen Kunstkäufer sind – ein schöner Nebeneffekt.