Kölner Konzeptkünstlerin
Die rätselhafte Welt der Cosima von Bonin
„Who’s Exploiting Who in the Deep Sea?“: Der Titel der jüngsten Ausstellung von Cosima von Bonin ist als Frage formuliert. Und führt damit direkt in den hermetischen Kosmos der Kölner Konzeptkünstlerin – die keine Erklärungen ausbuchstabiert, sondern präzise Leerstellen setzt.
Mit ihren installativen Inszenierungen mutet Cosima von Bonin einem Betrachter, der Aussagen und Botschaften ersehnt, einiges zu. Sie bietet stattdessen aber Erfahrungen und öffnet Assoziationsräume. Das Eindeutige und Didaktische sind der Kölner Künstlerin zuwider. So auch manche Gepflogenheit eines eitlen Kunstbetriebs. Da kann sie heftig werden: „Kurator, Konzept, Projekt. Diese drei Wörter gehören für mich alle zu dem Kriegsgebiet Kunst eines da draußen tobenden Krieges, bei dem ich vor einiger Zeit Fahnenflucht begangen habe …“, äußerte sie 2016.
SUBTILE ÄSTHETISCHE STRATEGIE
1962 im afrikanischen Mombasa geboren, wuchs Cosima von Bonin später in Salzburg auf. Eine akademische Ausbildung der documenta-Künstlerin von 2007 bleibt in ihren Publikationen unerwähnt. Neben ihrer Ehe mit dem Künstler Michael Krebber gehört vor allem das intellektuelle Milieu der Kölner Kunst- und Musikszene und der oft zitierte Freundeskreis zu den spärlichen Daten ihrer persönlichen Biografie, wohingegen ihre künstlerische Vita durch zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen, Film- und Videoarbeiten sowie Performances in Europa, später auch in Nordamerika, seit dem Jahr 1990 eindrucksvoll belegt ist.
Nach dem Motto „Wir sind viele“ tauscht sie die Rolle des Einzelstars oft mit jener der Zeremonienmeisterin, um mit einem Ensemble befreundeter Künstler verschiedener Sparten das zu schaffen, was der Autor und Theoretiker Diedrich Diederichsen einmal als „Cliquenkunstwerke“ bezeichnete. Wer nun, geleitet durch diese biografischen Eckdaten, die bissige Gestik einer Künstlerin aus dem Umfeld des Neuen Wilden und Provokateurs Martin Kippenbergers erwartet oder den ins Visuelle übertragene Lärmpegel avancierter Pop- und Rockmusik, wird rasch eines Besseren belehrt. Auch kein kämpferisches Statement zur Genderdebatte oder eine klare Positionierung im Postkolonialismus-Diskurs kommt von Cosima von Bonin. Ihre ästhetische Strategie der ins Groteske gewendeten Monumentalisierung des Niedlichen ist eher subtil.
POETISCHE PARALLELWELTEN
Mit einem manierlich am Tisch sitzenden Kuschel-Hai und anderem Meeresgetier aus Plüsch sowie weiteren Requisiten, etwa einer Kinderschaukel, einem Bademeisterhochstuhl, Strandbuden und einem gigantischen Bikini, entwirft sie in ihrer jüngsten Ausstellung Who’s Exploiting Who in the Deep Sea? eine Parallelwelt. Die Versatzstücke aus Unterwasserwelt und Strandleben reichen aus, um den Kontext zu schaffen. Die präzise gesetzten Leerstellen muss der Betrachter aktiv füllen, denn Cosima von Bonin buchstabiert in ihren Installationen keine Erzählungen aus. Indem sie auf vielschichtige Bezüge setzt, die nicht eindeutig aufzuschlüsseln sind, schafft sie Stimmungsbilder. Diverse Kommentatoren haben sich bemüht, deren Grundton zu charakterisieren. Da ist von Ermüdung und Erschlaffung, Lethargie und Faulheit, Melancholie, ja von einer „Stilistik der Depression“ (Manfred Hermes) die Rede. Ob diese von der Künstlerin als Beschreibung oder Kritik unserer heutigen Gesellschaft gemeint ist, muss allerdings offenbleiben.
KEINE SCHUBLADEN
Ohne die Pop-Art, Konzeptkunst, Fluxus, Minimal Art, Objektkunst und den erweiterten Kunstbegriff der 1960er-Jahre wären die Gestaltungsmittel und die künstlerische Konzeption von Cosima von Bonin nicht zu verstehen. Auch engere formale Parallelen ihrer „Soft Sculptures“ wie zum Beispiel zu Dorothea Tanning, Claes Oldenburg und Mike Kelley lassen sich zwar benennen, doch von Bonins Ansatz verweigert sich einer klaren Klassifizierung.
Fehl geht auch die Zuordnung zu dem, was man landläufig mit „Textilkunst“ verbindet, obgleich die Stoffbilder, die in mancherlei Hinsicht an Sigmar Polke erinnern und die von ihr „Lappen“ genannt werden, zu ihrem gestalterischen Grundrepertoire gehören und die erwähnten Stofftiere ihr Erkennungszeichen sind. Aber Handwerklichkeit oder geschlechtsspezifische Konnotationen interessieren sie nicht. Cosima von Bonin lässt ihre Stoffobjekte von Meisternäherinnen anfertigen. Mit der konsequent ausgelagerten Autorschaft bezieht sie letztlich auch eine kritische Gegenposition zu einem Kunstverständnis, das Warenästhetik mit Individualität für unvereinbar hält.
2013 schrieb die Kuratorin Uta Ruhkamp unter dem Titel Textile Zeitenwende: „Zweifellos haben Stick-, Strick, Häkel- und Nähnadel sowie der Webstuhl längst den Weg aus dem Feld ‚feministischer’ Trotzkunst geschafft.“ Inzwischen gelte: „Technik und Material werden aus ihren ‚kunstgewerblichen’ und ‚häuslichen’ Ursprungskontexten herausgelöst und stehen im Dienst der Suche nach neuen Ausdrucksformen und Ästhetiken.“ Und darin ist Cosima von Bonin eine wahre Meisterin.
Cosima von Bonin stellt im Rahmen des deutschen Beitrages „Deutschland @ Kanada 2017“ zu den Festivitäten des 150. Geburtstages der kanadischen Konföderation aus. Die Präsentation Who’s Exploiting Who in the Deep Sea?, die (nach Stationen in der Gallery of Modern Art in Glasgow, Schottland, und im Sculpture Center in New York, USA) ab März 2017 in den Oakville Galleries in Ontario Installationen mit Soft Sculptures zeigt, wird um Performances deutscher und kanadischer Künstler ergänzt - mit Cosima von Bonin als Gast des Goethe-Instituts Toronto.