Katholische Kirche "Sancta Maria Gratiarum" – die "Baratzie"
Die älteste katholische Kirche Bukarests, die sogenannte "Baratzia", war im 19. Jhd. der Sitz der ersten katholisch-deutschen Schule (1823-1830) und wirkte lange Zeit als Kirche der "Ungarn und der Österreicher".
Einige italienische Kaufleute (Lucadello, Becelli) und Missionare (Bruni) gründeten im 17. Jahrhundert eine erste katholische Gemeinde in Bukarest. Als einflussreiche Persönlichkeiten am Hof des walachischen Fürsten dürften sie 1629 maßgeblich einen fürstlichen Freibrief errungen haben, der es den Katholiken erlaubte, eine Kirche samt Kloster in der Nähe des Hofes zu bauen. Profitieren sollten die Sekretäre und italienische Übersetzter des Fürstens, polnische Söldner und bulgarischen Franziskaner, die in Zusammenhang mit verschiedenen kommerziellen, militärischen, aber auch kirchlich diplomatischen Missionen nach Bukarest kamen und reisten. Die lokale katholische Bevölkerung erreichte vermutlich eine Anzahl von bis zu zehn Personen. Eine erste Kirche stand schon im April 1633 auf dem Grund des heutigen Bărătzia-Geländes, gelangte aber, entgegen dem Wunsch der lokalen Stifter, nicht unter die Schirmherrschaft der Venezianischen Republik. Nach einem Brand wurde 1676 eine neue Franziskaner-Kirche unter der Schirmherrschaft des damaligen Fürsten errichtet.
Ein siebenbürgisch-sächsischer Arzt aus Kronstadt namens Stephan Sisti stellte die erste deutsche Präsenz in der heutigen Bărătzia dar. Der etwas spätere österreichischen Einfluss durch die Karlowitzer, Passarowitzer und das Belgrader Friedensabkommen ist damit zu erklären, dass der Kaiser aus Wien als Patron und Schutzherr der katholischen Missionen, samt Kirchen und Kloster, im Machtbereich der ottomanische Pforte anerkannt war. Im 18. Jh. zog es zunehmend deutsch- und ungarischsprachige Kaufleute und Handwerker aus den Ländern der Donaumonarchie in die damalige Walachei. Ende des 18. Jahrhunderts wurde daher erstmals eine diplomatische Vertretung Österreichs ("Agentur") in Bukarest gegründet. Deren "Hofagenten" (diplomatische Vertreter), etwa Merkelius und von Fleischhackel, waren treue Unterstützer der Gemeinde. 1823 wurde hier eine erste deutsche katholische Schule gegründet, mit 70 (1824), 83 (1825) und 114 (1827) Schülern. Die meisten Schüler waren deutschsprachige Katholiken aus Österreich, aber auch aus Bayern. Die Kirche war gleichzeitig Sitz verschiedener Vereine, z.B. des Deutschen Katholischen Männervereins und des Katholischen Jünglingsvereins.
Nach sukzessiven Bränden in Bukarest im 19. Jahrhundert wurde die Kirche mehrmals wieder aufgebaut. 1928 hatte die Bărătzia eine Art Deco Fassade nach Plänen des Architekten Carol Cortobius erhalten, einem Anhänger des Funktionalismus, der seine Studien beim Technicum Strelitz (1892) und seine Lehrausbildung bei Otto Wagner in Wien (1899-1901) absolviert hatte.
Jeden Sonn- und Feiertag um 10.00 Uhr findet hier heute noch eine Messe in deutscher Sprache statt.
Quelle:
Karl Auner, Geschichte der Bukarester Bărătzie, Bukarest, 1904
Dieser Text entstand im Rahmen des Hospitationsprogramms des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Bukarest.