Daniel Faßbender
Karlsson vom Dach reloaded
Ein 21-jähriger Roofer sucht auf den Dächern von Stockholm nach Abenteuer und Freiheit – und flieht zugleich vor seinen Problemen und dem Erwachsenwerden. Auf den Boden der Tatsachen holt ihn nicht nur ein Sturz, sondern auch die Liebe.
Von Holger Moos
Roofing ist eine Extremsportart, bei der junge Menschen auf hohe Gebäude klettern und sich bei ihren waghalsigen Aktionen filmen. In seinem Debütroman
Die weltbeste Geschichte vom Fallen widmet sich Daniel Faßbender einem solchen Roofer.
Der namenlose Ich-Erzähler klettert über die Dächer von Stockholm, weil er sich im wahrsten Sinne des Wortes von der Masse abheben will, er will kein „gelangweilter Alltagszombie“ werden. Seine Kletterei nennt er „kleines Heldentum nur für mich“. Die Gefahren sind ihm bewusst: „Es ist kein Zufall, dass man bei Soldaten von Fallen spricht und damit ihren Tod meint. Fallen ist Sterben.“ Auf einem der Dächer lernt er aber auch eine an Astrid Lindgrens Karlsson vom Dach erinnernde Figur kennen, dem er Marihuana gegen dessen „Propeller-Rheuma“ bringt.
Der Roofer als Social Media-Star
Eine Kletteraktion auf den Fernsehturm, Stockholms höchstes Gebäude, macht ihn berühmt. Ihm glückt ein Handstand auf dem Geländer der Antenne in 170 Metern Höhe. Das dazugehörige Youtube-Video sowie die Fotos auf Instagram und Facebook werden millionenfach gesehen, geteilt und geliked.Doch bei seinen Vorbereitungen lernt er in der Skybar auch ein Mädchen namens Bojana kennen. Sie stammt aus Bosnien, verlor bei einem Unfall ihren linken Unterschenkel und studiert Politik mit Schwerpunkt Völkerrecht. Die beiden verlieben sich, werden ein Paar, ziehen zusammen.
Keine Angeberliteratur
Nach einem einigermaßen glimpflich verlaufenen Sturz stellt Bojana ihn vor die Wahl: das Klettern oder sie! Doch ihn zieht es nach Wladiwostok, wo er mit einer legendenumwobenen Viper Crew und deren Anführer Ikarus auf einen der 320 Meter hohen Pylonen der Russki-Brücke klettern will. Liebe oder Abenteuer oder doch lieber das Abenteuer der Liebe, das sind dann die Fragen, die sich stellen. Wie nah muss der Ich-Erzähler an die Grenze kommen, an der fallen und sterben identisch sind, eine Grenze, die auch sein Vater kannte?Faßbender hätte leicht in die Falle dieses ungewöhnlichen Themas tappen und die Geschichte sehr reißerisch schreiben können, mit einem echten Helden der Höhen. Doch sein Held ist im Grund ein ziemlich normaler Heranwachsender, der sich auf der Suche nach seinem Platz im Leben befindet, nur eben ein paar Stockwerke höher als alle anderen. Trotz gewisser Längen und Redundanzen macht das diesen in jugendlichem Jargon geschriebenen Roman sympathisch: Es ist keine Angeberliteratur.
Klipphausen/Miltitz: Mirabilis, 2018. 240 S.
ISBN: 978-3-9818484-6-5
Kommentare
Kommentieren