Matthias Heine
Von Aal bis Zicke
Welche Bedeutung haben Tiere in der deutschen Sprache? Dieser Frage geht Matthias Heine auf den Grund. Er muss feststellen, dass die vermeintliche Distanz zwischen urbanem Menschen und tierischer Natur des 20. Jahrhunderts nicht zu weniger tierischen Redewendungen führt.
Von Victoria Engels
Sind Sie ein toller Hecht? „Klar!“, werden manche sagen. Andere, mit einem etwas weniger ausgeprägten Selbstvertrauen, tun sich vermutlich schwerer, sich selbst mit diesem Ausdruck zu bezeichnen. Dabei ist der Hecht nicht ausschließlich positiv konnotiert, zumindest nicht in einer historischen Betrachtung. Aus Matthias Heines, Mit Affenzahn über die Eselsbrücke. Die Tiere in unserer Sprache, geht hervor, dass sich die Bedeutung des Wortes gewandelt hat. War der Raubfisch schon früh „Sinnbild der rücksichtslosen Aggressivität“, möchte man damit heute zum Ausdruck bringen, dass jemand ein „außergewöhnlicher Bursche“ ist.
Zwischen Bock und Dachs der Bug
In dem kleinformatigen Buch beleuchtet Heine pro Kapitel einen tierischen Begriff. Die Auswahl der alphabetisch angeordneten Tiere zwischen Aal und Zicke erscheint dabei weitestgehend willkürlich. Unter dem Buchstaben „C“ findet sich nichts, die Buchstabenkombination „Sch“ ist hingegen durch gleich sechs Tiere vertreten: Schlange, Schnecke, Schwan, Schwärmer, Schwein und Schweinehund. Für Überraschung sorgt der englische Begriff „Bug” (Wanze oder Käfer), der nach Bock und vor Dachs in der Kapitelübersicht zu finden ist.Der Autor erläutert den Ursprung des auserwählten Wortes, nennt einige historische und zeitgenössische Anwendungsmöglichkeiten, erzählt einen Schwank aus seinem Leben oder streut eine gleichsam unerwartete, wie interessante Information über das betrachtete Tier ein. Wissen Sie wie viele heimische Schlangenarten es in Deutschland noch gibt? Nein? Unter „Sch“, wie Schlange, finden Sie die Antwort.
Die deutsche Sprache bleibt bis heute tierisch
Wer eine umfassende Erklärung oder eine aktuelle Definition deutscher Redewendungen erwartet, der wird von Heines Buch enttäuscht sein. Das Buch scheint gut recherchiert und ist mit historischen Fakten ausgestattet, die einen manchmal sehr weit weg vom eigenen Sprachgebrauch führen. Trotzdem ist die Leseerfahrung der knappen Kapitel kurzweilig. Das Buch vermittelt nicht mehr und nicht weniger als einen ersten Eindruck davon, wie sich die Bedeutung von Tieren in der deutschen Sprache gewandelt hat. Eines wird laut Matthias Heine deutlich: „Auch im 20. Jahrhundert dehnt sich das Tierreich der Sprache aus – der Ponyhof, der das Leben nicht ist, die Wanze, mit der man abhört, der angeblich so stinkende Pumakäfig und der Bug im Computer sind nur drei Beispiele.“
Hamburg: Atlantik, 2019. 256 S.
ISBN: 978-3-455-00126-6
Dieser Titel ist in unserer Onleihe erhältlich