Videokunst
Ferntreffen mit Ludwig Seyfarth
In Bulgarien und Europa angekommen, traf die Coronavirus-Pandemie unser Kulturprogramm hart und somit eine Reihe von Veranstaltungen, bei denen wir euch interessante Themen und Persönlichkeiten aus der Kunstwelt vorgestellt hätten. Selbst wenn das öffentliche Leben zurzeit stillgelegt ist, besteht immer noch die Möglichkeit, euch diese Personen vorzustellen und über Kunst zu reden. Hier werden wir euch mit den Kuratoren und Autoren bekanntmachen, mit denen wir momentan arbeiten – zurzeit nur online und hoffentlich in naher Zukunft live.
Wir fangen mit dem Kurator Ludwig Seyfarth an, den wir als Kurator einer Ausstellung mit Fokus auf Videokunst, die wir für Ende 2020 in Sofia planen, einluden.
Von Stefka Tsaneva, Goethe-Institut Bulgarien
Sie arbeiten mit dem Goethe-Institut Bulgarien an einem Projekt mit dem Fokus auf Videokunst, das Ende des Jahres in Sofia gezeigt wird. Wie positioniert sich Videokunst im Kontext der zeitgenössischen Kunst heute und können wir sie überhaupt als getrennte „Subgenre“ betrachten?
Die Frage ist, was „Videokunst“ eigentlich ist. „Video“ ist angesichts neuer Bildtechnologien zu einem Sammelbegriff unterschiedlichster Dinge geworden. Sind rein am Computer entstandende Animationen auch Video? Eine auf „Videokunst“ spezialisierte Kollegin, mit der ich öfter zusammenarbeite, Elke Kania aus Köln, spricht grundsätzlich nur noch von Bewegtbild“.
Überhaupt halte ich es nicht für sinnvoll, Kunst nach Genres zu sortieren. Denn diese beeinflussen und durchdringen sich ständig gegenseitig. So gibt es Videos bzw. Bewegtbilder, die sehr viel mit Malerei zu tun haben. Und viele Videos von Künstlern nähern sich dem Genre des Dokumentarfilms an.
Wie hat sich Videokunst in den letzten Jahren entwickelt? Wie haben Social Media, Streaming und neue technischen Entwicklungen wie Augmented reality (in real time) Videokunst beeinflusst? Hat sich auch die Bildsprache geändert?
Natürlich, die unterschiedlichsten Formen digital entwickelter Bildsprachen beeinflussen alle Richtungen der Kunst. Und Live-Streams in den Social Media werden ja gerade in der Corona-Krise zu einem noch wichtigeren Mittel als bisher, um künstlerische Aktionen und Inhalte zu vermitteln.
Und wie sieht es in Deutschland aus? Welche sind die wichtigsten deutschen Videokünstler, bzw. Institutionen, die Videokunst präsentieren?
Bekannte wichtige Namen sind z. B. Hito Steyerl, die 2017 sogar zur einflussreichsten Person im internationalen Kunstbetrieb erklärt wurde, „Klassiker“ der Videokunst wie Marcel Odenbach, Ulrike Rosenbach oder Klaus vom Bruch, aus der „mittleren“ Generation Björn Melhus, Julian Rosefeldt oder Stefan Panhans, interessante jüngere Positionen sind z. B. Raphaela Vogel oder Britta Thie, die – auch das ein Trend – Videofilme in umfangreiche installative Settings einbetten. Auffällig ist, dass viele interessante in Deutschland lebende Videokünstler aus anderen Ländern kommen und kulturelle Konflikte oder Clashs thematisieren, etwa Yael Bartana aus Israel, der in Bosnien geborene Adnan Softić oder der Südafrikaner Teboho Edkins.
Wichtige Institutionen und Aktivitäten sind z. B. die Videonale in Bonn, das ZKM in Karlsruhe, das Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg, die Julia Stoschek Collection in Düsseldorf und Berlin, die Sammlung Goetz in München, die Stiftung imai in Düsseldorf, Videoart at Midnight in Berlin, das Internet-Archiv blinkvideo.de, um nur einige zu nennen. Die Ausrichtungen sind unterschiedlich und es hängt auch von den eigenen Interessenlagen ab, welche der genannten oder welche anderen Akteure man vorzieht.
Gibt es heute einen Markt für Videokunst und wie sammelt man Videokunst? Wie gehen Museen mit Videokunst um, wenn es um Sammeln und Bewahren geht?
Sammler*innen, die auf Videokunst spezialisiert sind, gibt es nicht sehr viele. Videokunst eignet sich auch nicht sehr als Spekulationsobjekt und ist oft mit hohen Produktionskosten verbunden, die durch die Verkaufspreise auf dem Markt selten zu decken sind. Was Sammler kaufen, sind entweder DVDs oder andere Datenträger als Editionen oder ganze Videoinstallationen, zu denen auch Mobiliar und Equipment gehören kann.
Sie sind auch als Kunstkritiker tätig. Welche Rolle spielt die Kunstkritik heute in Hinsicht auf die Demokratisierung und Öffnung des Medienraums und der Krise der Autoritäten? Welche Aufgabe hat der Kunstkritiker heute?
Ich kann die Frage nur damit beantworten, worin ich persönlich die wichtigsten Aufgaben von Kunstvermittler*innen sehe, und da mache ich keine Unterschied zwischen meiner Rolle als Kritiker bzw. Autor überhaupt, meiner kuratorischen Tätigkeit und meinen zeitweiligen Lehrtätigkeiten. Es geht mir stets darum, aufzuzeigen, wie Kunst über die sinnliche Erfahrung immer wieder andere Sichtweisen als die gewohnten eröffnen, vor allem Ambivalentes, nicht in Kategorien Pressbares zum Ausdruck bringen kann. Das ist besonders wichtig in Zeiten, wo fundamentalistische Weltbilder unterschiedlicher Couleur, die sich jeweils als alternativlos gerieren, auf dem Vormarsch sind. Für mich können aber eine dezidiert politische Kunst, die auch ästhetisch überzeugen kann, und eine eher unpolitische, sich auf innovative Weise formalen Problemen widmende, gleichwertig nebeneinander stehen. Ich ziehe auch keine bestimmten Medien oder Ausdrucksformen grundsätzlich anderen vor.
Sie werden demnächst zum ersten Mal nach Bulgarien kommen. Hier wird es oft diskutiert, dass die bulgarische zeitgenössische Kunst international nicht genug sichtbar ist. Kennen Sie schon bulgarische Künstler*innen? Haben Sie bestimmte Erwartungen oder Themenbereiche über die Sie gerne mehr erfahren möchten?
Es gibt einige wenige bulgarische Künstler*innen, die ich persönlich kenne und/oder schon ausgestellt habe, so Mariana Vassileva, die in Berlin lebt, oder Nedko Solakov oder Luchezar Boyadjiev, die ich in Sofia gern wieder oder wie Boyadjiev überhaupt gern einmal treffen würde. Mein Eindruck ist, dass die bulgarische Kunstszene ziemlich interessant ist und ich möchte mich gern ohne bestimmte Vorerwartungen oder thematische Einschränkungen in Sofia umschauen, sobald es wieder möglich ist, zu reisen.