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Indigo-Treffen
Indigo-Interview #2: Grundlegende Begriffe

Die Indigo-Treffen präsentieren und besprechen aktuelle Themen und Werke der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur sowie übersetzte Werke aus dem Bulgarischen ins Deutsche. Deutschsprachige Autor*innen und Verleger*innen werden nach Bulgarien eingeladen und haben gemeinsam mit ihrem bulgarischen Counterpart die Möglichkeit in einem Gespräch mit der Moderatorin Violeta Vicheva in einen Austausch zu kommen. Die Schriftsteller*innen Olga Grjasnowa und Georgi Tenev sind unsere Gäste beim zweiten Indigo-Treffen. Leider muss das Treffen auf Grund der Corona-Pandemie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, aber wir teilen trotzdem das Interview mit den Autor*innen für unser Journal.

Von Violeta Vicheva

Indigo-Treffen mit Olga Grjasnowa und Georgi Tenev Olga Grjasnowa wurde 1984 in Baku in einer russisch-jüdischen Familie geboren. 1996 siedelte ihre Familie nach Deutschland über. Sie studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau. 2012 erschien ihr erster Roman „Der Russe ist einer, der Birken liebt“, für den sie mit dem Klaus-Kühne-Preis und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet und für den Deutschen Buchpreis nominiert wurde. Danach erschienen von ihr weitere zwei Romane – „Die juristische Unschärfe einer Ehe“ und „Gott ist nicht schüchtern“. | Foto: © Stephan Röhl, CC BY-SA 2.0
Gemeinschaft
Aber bloß welche?

Bewegung: 
Ist sicherlich gesund, aber nicht meins. 
 
Identität

Ist oft fließend und verändert sich gerne im Lauf der Zeit. Es gibt zudem mehrere. 
 
Gerechtigkeit

Ist nicht ganz das, was die Politiker*innen uns in dieser Zeit darunter zu verstehen geben. 
 
Überlegenheit

In Berlin lohnt es sich ein Psychogramm der Menschen anzufertigen, die im öffentlichen Raum Desinfektionsmittel klauen, unter anderem auch von der Kinderkrebsstation. Womöglich fühle ich mich auch nur gerade überlegen.

Sprache
Ich habe angefangen viele zu lernen, aber keine zu Ende gebracht – außer Englisch.
Zudem ist Sprache Macht. 
 
Erinnerung

Ich erinnere mich gerade sehr viel an die 90er Jahre im Kaukasus, während ich durch die Supermärkte in Berlin laufe. Klo-Papier, Nudeln und Proteinriegel sind ausverkauft. Von der Desinfektion gar nicht erst zu sprechen. Ist aber eigentlich ganz lustig.  
 
Provokation

Davon haben wir mehr als genug. Ist nur leider selten gut.
 
Freiheit

Ist relativ, aber notwendig.

Sinn
Tja. 
 
Mitgefühl

Ohne können wir nicht überleben. 
 
Zukunft

Spielt sich gerade vor der griechischen Grenze ab.

Meer
Eigentlich etwas sehr schönes. Hat gewisse romantische Komponenten, aber ich kann leider kaum schwimmen.
Indigo-Treffen mit Olga Grjasnowa und Georgi Tenev Georgi Tenev wurde 1969 in Sofia geboren. Er studierte an der Nationalen Akademie für Theater- und Filmkunst, setzte dann sein Studium an der Universität Wien fort. Er ist Autor von Romanen, Erzählungen und Theaterstücken. Sein Roman „Partien dom“ [Parteihaus], in dem die Paradoxa der postkommunistischen Gesellschaft in Bulgarien dargestellt werden, wurde mit dem Vick-Preis für den besten bulgarischen Roman des Jahres 2007 ausgezeichnet. Der Roman „Gospodin M.“ [Herr M.] (2010) erzählt vom Schicksal des bulgarischen Schriftstellers und politischen Emigranten Georgi Markov. Der Erzählband „Sveštena svetlina“ [Heiliges Licht] (2009) behandelt Themen, die mit Biopolitik, Rassismus, sexuellen Differenzen zusammenhängen. Sein neuester Roman „Balkanski ritual“ [Balkanritual] (2019) ist ein historischer Thriller, ein mystischer Kriminalroman, in dem Terrorismus, Nahostkriege und Kontroversen auf der politischen Arena zusammentreffen. | Foto: © Desislava Kulelieva
Gemeinschaft
Für mich ist das eine physische Gruppe und Bewegung zugleich.
 
Bewegung
ist Leistung der Materie.
 
Identität
Dieses Wort beunruhigt mich in letzter Zeit, es versucht zu viel zu sagen und schlägt fehl.
 
Gerechtigkeit
Überlassen wir sie Gott.
 
Überlegenheit
Vergessen wir diese und uns selbst.
 
Sprache
Im Unterschied zum deutschen Wort kann man sich im Bulgarischen auch eine Speise darunter Vorstellen (Zunge). Dies ist sowohl komisch, als auch eine groteske Überspitzung unserer Ernsthaftigkeit, unserer Bestrebung, alles zu beherrschen (und Sprache war ja vor uns da, wir sind in der Sprache enthalten und sie beherrscht uns).
 
Erinnerung
Man suche nach einem Ausgleich zwischen Erinnern und Planen!
 
Provokation
Man suche eine bessere Übersetzung dieses Fremdwortes, um über das Wesentliche sprechen zu können.
 
Freiheit
Sie sticht, wie ein Dorn.
 
Sinn
Woher nehmen sie all diese fundmentalen, schwerwiegenden Begriffe?
 
Mitgefühl
Wenn man die Vokale im bulgarischen Wort „sapritschastnost“ wegnehmen würde, bliebe davon „sprtschstnst“, fürchterlich, Abkürzung für eine Agentur privater Gerichtsvollzieher, ein Beweis dafür, dass unsere Sprache als Maschine funktioniert und jede Regung im Keim ersticken kann.
 
Zukunft
Kommt sie oder kommt sie nicht.
 
Meer
Eine Zukunft ohne Meer lohnt sich nicht.

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