Aktuelle Debütromane
Die Neuen sind da
Vor kurzem erschien die Longlist für den Deutschen Buchpreis. Die Jury zeigt sich erstaunt und erfreut über die große Zahl an Debüts. Über einen Erstling wird im Feuilleton besonders kontrovers diskutiert.
Von Holger Moos
In diesem Jahr hat die Jury für den Deutschen Buchpreis im Rahmen der Veröffentlichung der Longlist hervorgehoben, dass neben bekannten Namen wie Saša Stanišić, Nora Bossong, Ulrich Woelk oder Marlene Streeruwitz viele Debütant*innen nominiert wurden. Diese Tatsache belegt nach Ansicht von Jurysprecher Jörg Magenau Folgendes: „Um die Zukunft des Lesens und des Schreibens muss uns da nicht bange sein.“
Besonders einem dieser Debüts, Karen Köhlers Miroloi, wurde eine erhöhte mediale Aufmerksamkeit zuteil. Der Roman erzählt die Geschichte einer Frau, die den Ausbruch aus einer archaisch und patriarchal geprägten Inselgesellschaft wagt. Das Feuilleton diskutiert kontrovers. Für Elke Schmitter vom SPIEGEL ist es ein „ungewöhnliches Buch“, der NDR kürt es zum „Buch des Monats“, der MDR nennt es ein „Romandebüt mit Christa Wolf-Potenzial“.
In anderen Besprechungen fällt die Kritik dagegen sehr harsch aus. Das Reflexionsniveau der Hauptfigur sei „im Grundschulalter steckengeblieben“, das Buch ein „Easy Read für den bildungsbürgerlichen Mittelstand“, das seinen voraussichtlichen Verkaufserfolg als Hanser-Spitzentitel auch der Bewerbung mittels des „Trend-Themas Feminismus“ verdanke, so Jan Drees vom Deutschlandfunk. Auch Burkhard Müller von der ZEIT urteilt vernichtend, es mangele der Autorin an Imagination, „figürlich-dialogischer Kraft“ und an überzeugendem Stil. Ärgerlich sei die „unfruchtbare Selbstzufriedenheit“.
Wer hat den exotischsten Titel?
Tonio Schachingers Romandebüt Nicht wie ihr spielt da wortwörtlich in einer anderen Liga. Die Hauptfigur Ivo Trifunović ist ein sehr gut bezahlter Fußballer, der 100.000 Euro pro Woche verdient. Er stammt ursprünglich aus Wien, lebt nun aber mit Frau und Kindern in London. Auf einem Heimaturlaub in Wien trifft er seine Jugendliebe Mirna wieder, die ihn aus Zeiten kennt, als er noch ein „gebräunter Prolet mit Irokese“ war. Seine Lebenskrise ist perfekt, als sein Berater ihn nach China verscherbeln will.
Romane über die Psychiatrie, das Landleben und eine Lebensliebe
Lola Randl ist bisher als Filmregisseurin und Drehbuchautorin hervorgetreten. Vor einigen Jahren erwarb sie ein ziemlich großes Haus in der Mitte von Gerswalde in der Uckermark. So geht es in ihrem Roman Der große Garten um die Themen Stadtflucht und Romantisierung des Landlebens. Es sei ein „schön-spöttischer Text mit locker untergemischtem Fachwissen über das Landleben, die Natur, den Garten, das Gemüse und vor allem über die Selbstfindungsneurosen des psychisch instabilen Städters von heute“, so Verena Auffermann im Deutschlandfunk Kultur.
Mal sehen, ob es einige der Debütant*innen am 17. September auf die Shortlist schaffen.
Noch mehr Debüts
Auch jenseits der Longlist gab es in diesem Jahr weitere beachtliche Debütromane. Da wäre etwa Barbara Zemans Immerjahn über einen Zementfabrikantenerben, der beschließt sein luxuriöses Leben zu ändern, aber feststellen muss: Auch einem Millionär fallen Veränderungen nicht leicht. Für Melanie Weidemüller vom Deutschlandfunk wirft der Roman „ästhetische und soziale Fragen auf, vor allem aber ist er wegen einer starken Erzählstimme lesenswert, bis ins originelle Detail“. Paul Jandl von der NZZ spricht gar von einem „Fest des Schauens, und wem das zu pathetisch klingt, der kann es auch eine Party nennen“.Frankfurt a.M.: S. Fischer, 2019. 304 S.
ISBN: 978-3-10-397459-1
Köhler, Karen: Miroloi
Berlin: Hanser, 2019. 464 S.
ISBN: 978-3-446-26171-6
Diesen Titel finden Sie auch in unserer Onleihe
Edelbauer, Raphaela: Das flüssige Land
Stuttgart: Klett-Cotta, 2019. 350 S.
ISBN: 978-3-608-96436-3
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Schachinger, Tonio: Nicht wie ihr
Wien: Kremayr & Scheriau, 2019. 304 S.
ISBN: 978-3-218-01153-2
Lehner, Angela: Vater unser
Berlin: Hanser Berlin, 2019. 284 S.
ISBN: 978-3-446-26259-1
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Randl, Lola: Der Große Garten
Berlin: Matthes & Seitz, 2019. 320 S.
ISBN: 978-3-95757-709-2
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Maeß, Emanuel: Gelenke des Lichts
Wallstein, 2019. 254 S.
ISBN: 978-3-8353-3439-7
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Zeman, Barbara: Immerjahn
Hamburg: Hoffmann und Campe, 2019. 288 S.
ISBN: 978-3-455-00495-3
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Dinić, Marko: Die guten Tage
Wien: Zsolnay, 2019. 40 S.
ISBN: 978-3-552-05911-5
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