Ursula Poznanski
Dieses Spiel hat seinen eigenen Plan
Rotes E auf schwarzem Grund: Erebos lässt grüßen. Nach zehn Jahren hat das gnadenlose Game nicht nur seine alten Spieler*innen rekrutiert. Es holt sogar noch neue dazu. Und niemand entkommt ihm, denn es ist schlauer als je zuvor.
Von Marit Borcherding
Kein Entkommen
Geht also das Erfolgsrezept ein zweites Mal auf? Tatsächlich wird die erwartungsvolle Leserin nicht lange auf die Folter gespannt. Gleich auf Seite 11 ist klar: Erebos is back – und wieder ist es Nick, der sich mit dieser fiesen Form von Künstlicher Intelligenz herumschlagen muss. Inzwischen ist er kein Schuljunge mehr, sondern jobbt als Fotograf, um sich sein Studium und überhaupt sein Leben zu finanzieren. Das klappt in der Regel ganz gut – bis Erebos sich gänzlich unerwartet einmischt und ihn zum Mitspielen zwingt.Ohne jede Gnade – denn als Nick sich dagegen wehrt, wie eine Schachfigur von einer digitalen Macht hin- und hergeschoben zu werden, zeigt das Spiel, was es inzwischen gelernt hat: Es kassiert die von Nick auf einer Hochzeit gemachten Fotos ein, für die er dringend den Lohn braucht. Es verschickt Mails, die ihn bei Bekannten und Kollegen diskreditieren. Und es platziert eine beleidigende Sprachnachricht bei seiner Freundin, die nicht lange fackelt und mit ihm Schluss macht. Was soll Nick also anderes tun, als ein weiteres Mal das Tor in die virtuellen Welten zu durchschreiten und dort seine Schlachten zu schlagen und seine Aufgaben zu lösen?
Gemeinsam gegen die KI
So geht es auch Derek, den die Autorin im zweiten Kapitel einführt. Der Sechszehnjährige hat so seine Probleme: mit den Eltern, mit einigen Klassenkameraden und nicht zuletzt mit seiner Impulskontrolle. Da ploppt zu allem Überfluss noch Erebos auf seinem Smartphone auf: „Wir werden miteinander spielen. Wenn du gut bist, gewinnen wir beide. Wenn nicht, gewinne nur ich.“ Und als Derek nachfragt, was denn sei, wenn er nicht spielen will, wird Erebos gleich sehr deutlich: „Dann verlierst du sofort. ... Alles was dir wichtig ist.“Von da an bewegen sich die beiden Spielfiguren, ohne dass sie es schon wissen, aufeinander zu – in ihrem realen Londoner Alltag und im Spiel als Sarius und Torquan, die nun analog und digital von einer brenzligen Situation und einer Mutprobe in die nächste gejagt werden – immer in Panik, dass der allwissende, erpresserische Gegner sie in eine Ecke treibt, aus der es endgültig keinen Ausweg mehr gibt. Oder voller Angst, weil sie fürchten, dass nicht nur sie Schaden nehmen, wenn ihnen nach dem Urteil von Erebos etwas misslingt, sondern auch die Menschen, die ihnen am meisten bedeuten.
Spannung mit Überraschungseffekt
Schnell nimmt die spannende Geschichte an Fahrt auf. Wohin die Reise führt, wird erst zum Schluss klar, und wer und was schließlich hinter allem steckt – damit hätte man wirklich nicht gerechnet. Die Spuren führen bis nach Afrika und wieder zurück nach England, und es geht auch um moralische Fragen und nicht nur um die Entlarvung eines Technikgenies.Erebos 2 ist also keine Fortsetzung als Pflichtübung. Es schadet nicht, den ersten Band zu kennen, aber der zweite besteht auch als Einzelwerk. Ursula Poznanski blickt in ihrem Thriller kritisch auf die immer umfassendere manipulative Kraft digitaler Gerätschaften, unterhält aber vor allem mit Abenteuern in zwei Welten und einem in großen Teilen sehr sympathischen Personal. Dass diese Mischung nicht nur bei Jugendlichen bestens ankommt, sondern auch bei Leser*innen, die diese Phase altersmäßig längst hinter sich gelassen haben, zeigen die vielen enthusiastischen Kritiken bekennender Erwachsener auf den Plattformen der einschlägigen Online-Buchversender.
Poznanski, Ursula: Erebos 2
Bindlach: Loewe, 2019. 512 S.
ISBN 978-3-7432-0049-4
Dieser Titel ist in unserer Onleihe erhältlich
Bindlach: Loewe, 2019. 512 S.
ISBN 978-3-7432-0049-4
Dieser Titel ist in unserer Onleihe erhältlich