Gaming in Bibliotheken
Wissen geht spielen

Gaming in der Kölner Stadtbibliothek
Gaming in der Kölner Stadtbibliothek | © Stadtbibliothek Köln

Als Kulturgut treten Computerspiele neben Bücher und finden Eingang in Bibliotheksbestände. Zunehmend inszenieren sich Bibliotheken auch als Spiel-Orte. Liegt die Zukunft in der „spielifizierten“ Bibliotheksnutzung?

Seit jeher werden Spiel und Lernen als Gegensatz begriffen. Doch nur in den wenigsten Fällen hält dieser Kontrast der Lebenswirklichkeit stand. Eine ganze Generation wächst heute mit Computerspielen auf und führt vor Augen, wie Spielspaß, Lernen und Arbeit in eins fallen: In virtuellen Welten wird selbst die härteste Nuss spielend geknackt. Denn Computerspiele beinhalten alles, was eine erfolgreiche Lernerfahrung braucht: Sie setzen klare Ziele, geben unmittelbares Feedback, nehmen die Angst vor Fehlschlägen, öffnen Raum für kreatives Denken und soziale Interaktion. Spielwelten reduzieren Komplexität, fördern das Ergründen und Erkunden von Neuem und ermöglichen Probehandeln.

Computerspiele sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen: Über alle Alters- und Bildungsstufen hinweg finden sie ihre Nutzer. Insbesondere junge Leute erwarten deren Funktionsprinzipien auch außerhalb von Spielen anzutreffen. Dementsprechend finden sich heute Spielprinzipien, wie wir sie sonst nur aus Computerspielen kennen, immer häufiger in spielfremden Kontexten. Gamification nennt sich der Trend, Spielmechanismen ganz bewusst einzusetzen, um die Motivation von Menschen zu wecken und sie zu bestimmtem Verhalten zu animieren.

Punkte und Badges für die Bibliotheksnutzung

Bibliotheken als Spielorte?
Bibliotheken als Spielorte? | © digital cat via flickr.com, Lizenz CC BY 2.0
Der in den USA geborene Trend hat dort auch schon Eingang in die Bibliothekswelt gefunden. So bietet etwa die Stadtbibliothek Ann Arbor in Michigan seinen Nutzern mit dem Summer Game nicht nur Spielspaß, sondern beschreitet damit gleichzeitig einen innovativen Weg, die Bibliotheksservices zu präsentieren, Informationskompetenz zu lehren und zu Besuchen zu animieren. In bester Computerspiel-Manier erhält der Bibliotheksnutzer für die verschiedensten Aktionen Punkte und Badges: etwa für das erfolgreiche Auffinden von Titeln im Bibliothekskatalog oder das Verfassen von Blogbeiträgen. Die verdienten Punkte können sodann sogar gegen Preise eingelöst werden.

Ähnliches bietet Librarygame, eine Software, die in die bibliothekseigenen Systeme integriert werden kann und auf diese Weise die Nutzung jeder beliebigen Bibliothek in ein Spiel verwandelt: Das Ausleihen oder Zurückgeben eines Buchs, eine Buchempfehlung oder -bewertung und ähnliche Aktionen werden belohnt und Erfolge sichtbar gemacht. Einen noch schnelleren Aufstieg schafft, wer Kombinationen von Aktionen vollbringt, also beispielsweise dreimal am Wochenende in die Bibliothek kommt, alle Werke eines Autors liest oder Titel aus möglichst verschiedenen Themenbereichen ausleiht. So entbrennt ein Wettkampf um die Bibliotheksnutzung.

Weil Computerspiele das prägende Medium des digitalen Zeitalters sind und seit ihrer Anerkennung als Kulturgut im Jahr 2008 gleichberechtigt neben klassische Medien wie Bücher treten, werden sie immer stärker eine Rolle in der Kultur- und Wissensvermittlung spielen. Daher „werden Bibliotheken sich als Orte der Gaming-Kultur verstehen und inszenieren müssen“, erklärt Christoph Deeg, Berater für Social Media und Gaming sowie Autor des Buches Gaming und Bibliotheken. Dabei brauche es allerdings nicht weniger als einen tiefgreifenden Kulturwandel, so Deeg.

Bibliotheken als Spiel-Orte

Der Schritt, Spiele in den Medienbestand aufzunehmen, ist bereits getan. Erste Bibliotheken experimentieren auch schon damit, sich als Spielorte anzubieten und Gamern eine Plattform für gemeinsames Spielen zu geben. So stehen in der Stadtbibliothek Köln etwa regelmäßig Events für Gamer auf dem Programm. Die Kölner Stadtteilbibliothek Kalk rief mit games4kalk ein Modellprojekt zum spielerischen Lernen mit Computerspielen ins Leben. Dazu wurde in der Bibliothek eigens eine Gaming-Zone eingerichtet, wöchentlich findet sich eine Spiele-Tester-Gruppe zusammen, zudem sind Veranstaltungen für generationenübergreifendes Spielen sowie regelmäßige Turniere vorgesehen. Und die Stadtbücherei Neukirchen-Vluyn lädt Kinder und Jugendliche in ihre daddelBIB ein, um Computerspiele zu testen und vor Ort unter Betreuung miteinander zu spielen. Das medienpädagogische Projekt Dr. Ghosthacker – nachts in der Bücherei schickt Kinder und Jugendliche gar auf eine Schurkenjagd in die Bibliothek, um ihnen die angebotenen Medien spielerisch näher zu bringen und gleichzeitig Medienkompetenz zu fördern.

„Eine wachsende Zahl von Bibliotheken hat erkannt, dass das Computerspiel als Massen- und Leitmedium durch seine immense Anziehungskraft vor allem junge Menschen in Bibliotheken locken kann, dass sich das Medium zugleich aber zum Zweck der Wissensvermittlung eignet“, erklärt Cordula Nötzelmann, Abteilungsleiterin Dezentrales Bibliothekssystem bei der Stadtbibliothek Köln. In die Arbeitsinstrumente deutscher Bibliotheken wurden die Lern- und Spielprinzipien von Computerspielen bislang jedoch nicht integriert. Nach dem Vorbild von Summer Game den Bibliothekskatalog zu „spielifizieren“ oder die spielerische Auseinandersetzung mit Inhalten zu fördern, könnte freilich neue Formen der Bildungsarbeit hervorbringen: Wird spielerisch bei der Informationssuche und -erkundung unterstützt, stellt sich Lernen quasi automatisch und ganz nebenbei ein.

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