Art Start: Junge Künstler_Innen, die man 2017 auf dem Schirm haben sollte

Ausstellung „Art Start“ © © Lyubomir Ignatov Ausstellung „Art Start“ © Lyubomir Ignatov

Galerie Credo Bonum
12. Januar – 5. Februar 2017
Eröffnung: 12. Januar,
Martina Vacheva, Lyubomir Ignatov, Mariа Nalbantova, Radostin Sedevchev, Radoil Serafimov, Martian Tabakov
 
Goethe-Institut
13. Januar – 10. Februar 2017
Eröffnung: 13. Januar
Marica Kolcheva, Radoslav Ninov, Boriana Petkova, Gergana Petrova, Sevda Semer
 
Kuratorinnen: Vessela Nozharova, Daniela Radeva, Stefka Tsaneva
 


Der Beginn des neuen Jahres ist der ideale Moment für Prognosen, Erwartungen und große Hoffnungen. Besonders in der zeitgenössischen Kunst, die so abwechslungsreich und vielseitig ist mit all den unterschiedlichen Autoren, Positionen, Themen, Subgenres, Medien und Formen, dass sowohl das allgemeine Publikum, als auch die ExpertenInnen manchmal Orientierungen oder zumindest Hinweise brauchen, was neu ist und wen man beachten sollte. Es ist noch schwieriger, sich zurecht zu finden, wenn es um junge KünstlerInnen geht, denen es oft nur schwer gelingt, sich in der kleinen Kunstszene Bulgariens zu etablieren. Genau jetzt und hier gibt es eine ganze Menge von KünstlerInnen, die morgen die neuen großen Namen in der Kunstwelt werden könnten - oder sich für immer aus der Kunst zurückziehen werden. Was davon eintreten wird, hängt auch von uns ab. Davon, ob wir sie wahrnehmen und unterstützen.

„Art Start“ ist eine Suche nach jungen und relativ unbekannten KünstlerInnen, die um die 30 Jahre alt oder jünger sind. Eine Suche nach neuen Gesichtern und frischem Wind in der sonst so wenig abwechslungsreichen Szene der zeitgenössischen Kunst in Bulgarien. Auf dieser Art und Weise haben wir eine Reihe junger KünstlerInnen gefunden; von denen nicht alle Teil unserer Ausstellung geworden sind. Als Resultat dieser Suche haben wir interessante Trends identifiziert, die durch die besonderen Bedingungen, in denen die Künstler arbeiten und leben entstanden sind. Aber auch solche Trends, die man nicht erwartet.

Die Ausstellung findet in zwei Teilen statt – in der Galerie Credo Bonum und im Goethe-Institut in Sofia. Unsere Idee war es von Anfang an, im ersten Teil KünstlerInnen auszustellen, die in Bulgarien studiert haben und in Bulgarien leben und arbeiten. Im Goethe-Institut, als einem der ausländischen Kulturinstitute in Bulgarien, wollten wir wiederum Positionen zeigen, die „aus dem Ausland“ kommen und sich mit neuen Perspektiven einbringen. Auch wenn der Wohnort heutzutage eine variable Größe ist und das Internet neue Horizonte eröffnet, hat doch der konkrete Wohn- und Wirkungsort immer einen Einfluss auf das künstlerische Schaffen, vielleicht nicht so sehr in technischer und ästhetischer Hinsicht, sondern vielmehr im Bezug auf das, was den Ansatz und das Lebensgefühl der Kulturschaffenden betrifft. Trotz dieses Auswahlkriteriums, das Wichtigste – das sind die KünstlerInnen selbst, ihre Werke und die Art, wie sie untereinander kommunizieren, unabhängig von dem Wohnort, der sich sowieso ändert (in diesem Fall auch teilweise während der kurzen Zeit der Vorbereitung der Ausstellung).

Im Goethe-Institut werden Marica Kolcheva, Radoslav Ninov, Sevda Semer, Boriana Petkova und Gergana Petrova ausgestellt. Ihre Arbeiten formulieren wichtige Themen der visuellen Grammatik und des visuellen Wortschatzes, sie drücken sich oft in einer abstrakten Sprache aus. Es geht um das Konzept, die Umsetzung wird oftmals nur angedeutet. Besonders sichtbar ist das in den Werken von Radoslav Ninov, der am Goldsmiths College London seinen Abschluss gemacht hat und momentan in Jablaniza lebt, in den letzten Arbeiten von Sevda Semer, die in London lebt, und in den Werken von Borjana Petkova, deren derzeitiger Wohnort in Paris ist. Ninov und Semer beschäftigen sich mit non-figurativer Malerei, bei beiden hat man den Eindruck einer besonderen Feinfühligkeit und Leichtigkeit. Der Begriff „Feinfühligkeit“ beschreibt auch die Arbeit von Boriana Petkova, die das Zeichnen als Geste, als Bewegung und Beziehung zum Raum, als Methode zur Kommunikation erforscht.

Die jungen KünstlerInnen arbeiten mutig mit der konkreten Realität, die sie umgibt. In der Galerie Credo Bonum werden die Werke von Martina Vacheva, Ljubomir Ignatov, Maria Nalbantova, Radostin Sedevchev, Radoil Serafimov und Martian Tabakov ausgestellt. Die Bandbreite der künstlerischen Ansätze ist hier größer. Bei manchen verwischen die Grenzen zwischen Kunst ,Illustration und Design, sie erschaffen Fanzines und produzieren Kunst-bücher. Diese Kunstbücher gehören zu den Schwerpunkten der Ausstellung „Art Start“. Aus den spezifischen Anliegen der jungen Künstlergeneration heraus wird das Buch notwendigerweise zu einem starken Träger ihrer Kunst. Damit werden sie unabhängig, können die Kunst machen, die sie wollen, einen persönlichen Kontakt mit dem Publikum herstellen, sich aber ebenso zurückziehen auf das ihnen Wesentliche, quasi „in sich gehen“ um die Funktionsweise des künstlerischen Prozesses, nachzuverfolgen und zu ergründen. Bei diesen vielfältigen Ausdrucksformen besteht ein schmaler Grad zwischen zeitgenössischer Kunst und Illustration oder Design. Dabei ist es vor allem interessant, wie sich die KünstlerInnen selbst und ihre Arbeit positionieren. Außerdem ist es wichtig, den Kontext des Werkes zu betrachten und auch die Einstellung der KünstlerInnen gegenüber der Art, die Arbeiten auszustellen, ihre Vorüberlegungen zu Technik, Auflage etc.

Maria Nalbantova ist vor allem als Illustratorin bekannt, ihre Werke enthalten dabei Elemente, die sie sofort in den Kontext der nicht angewandten Kunst bringen, völlig zu Recht. Martina Vacheva hat sich anfangs auch mit Illustration und Fanzines beschäftigt, später ist sie dazu übergegangen, zu malen und hat dabei ihren charakteristischen Stil beibehalten. Radostin Sedevchev versteht sich als konzeptueller Künstler, der mit verschiedenen Medien arbeitet, dabei hat das Kunstbuch einen besonderen Platz in seinem Schaffen. In seinen Büchern erzählt er Geschichten durch Zeichnung, Fotografie, Siebdruck undText. Martian Tabakov nimmt mit drei Skulpturen an der Ausstellung teil. Obwohl die Skulptur eine zentrale Rolle in seinem Werk spielt, verläuft der Prozess bei ihm immer über Zeichnungen in kleinen Notizbüchern, Büchern oder Holzplatten in Form von geöffneten Büchern, die die Zeichnungen in eine Situation zwischen Bild und Objekt stellt. Obwohl er zu den Jüngsten der Szene gehört, hat Radoil Serafimov schon sehr früh seinen eigenen Stil in der Malerei gefunden. 2014 wurde er mit dem Preis „Edmond Demirdjian“ ausgezeichnet. Den gleichen Preis erhielt der ebenfalls an „Art Start“ beteiligte Künstler Radoslav Ninov im Jahre 2016.

Einen wichtigen Platz in der Auswahl der Ausstellung „Art Start“ nehmen die jungen Fotografen ein, in deren Arbeiten man ein eigenwilliges und vielfältig gebrochenes Porträt der ihrer Generation erkennen kann. Lyubomir Ignatov stellt in seinen Bildern aufrichtig und ohne großen Kunstanspruch das Leben von Punks, Skatern und der „Campingplatz Gradina“-Generation dar - und den Spaß, der mit diesem Leben verbunden ist. So suchen viele junge Menschen offenbar mehr denn je einen besonderen Bezug zur Natur – in seiner ganzen Bandbreite, zwischen Umwelt-Aktivismus oder der Begeisterung für die Majestät der Berge und einem Hedonismus am Strand. Dieser „Natur-Hedonismus“ wird in den Arbeiten von Lyubomir Ignatov und in ganz anderer Weise auch in der Arbeit von Gergana Petrova besonders sichtbar. Sie lebt und arbeitet sowohl in Berlin als auch in Sofia und ihre Bilder stellen nicht nur den typischen Party-Lifestyle der deutschen Hauptstadt dar, sie beschwören eine geradezu hypnotische Präsenz der Natur. Die dritte Fotografin in der Ausstellung ist Marica Kolcheva. In ihrem vielfältigen Schaffen macht die Bilderserie des zur Reinigung demontierten Denkmals von Zar Osvoboditel, dem Zaren, der Bulgarien befreite, einen besonderen Eindruck. Der besondere Blick der Fotografin zeigt nicht nur das Kuriose an der Situation. Ihr Gespür  Komposition macht die Aufnahmen zu ungewöhnlichen, einprägsamen und etwas verwirrenden Abbildungen einer demonstrativen Dekonstruktion des bekannten Denkmals.

„Art Start“ beansprucht nicht, ein vollständiges Bild der jungen Kunstszene zu zeichnen und zielt auch nicht darauf ab, eine Rangliste aufzustellen. In der Ausstellung präsentieren wir KünstlerInnen, die unser Interesse wecken, und Werke, die aus der Sicht der Kuratorinnen Vorfreude auf Entwicklungen in der Zukunft wecken.

 
Diese Ausstellung wäre nicht zustande gekommen ohne das Engagement mehrerer Personen und Institutionen, junge bulgarische KünstlerInnen aufzuspüren, zu zeigen und manchmal auch auszuzeichnen. Stellvertretend seien genannt: Maria Vassileva, Initiatorin des Preises für junge bulgarische Maler „Edmond Demirdjian“, Vladiya Mihaylova und ihre langjährigen Bemühungen, durch die Galerie „Vaska Emanuilova“ und ihre Plattform „Mjasto za sreshti“ (Treffplatz) junge Positionen sichtbar zu machen, Vesselina Sarieva mit ihrer Plattform Background: Young Artists mit Ausstellungen junger Autoren in der Galerie SARIEV Contemporary und den Formaten „Portfolio Day“ und „15 Minuten of Fame“, und Dessislava Pancheva (Dssy Mssy), Gründerin des Hip Hip Zine Fair, Sofia. Herzlichen Dank sagen die Kuratorinnen auch an Krassimir Russev, Peter Tsanev, Svetlana Mircheva, Vera Mlechevska, Ivan-Alexander Kjutev und Denitsa Toneva.
 
  • Blick auf Gemälde (Art Start 2017) Goethe-Institut Bulgarien

  • Blick in die Galerie (Art Start 2017) Goethe-Institut Bulgarien

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art Start 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

  • Art 2017 ©Ivan-Alexander Kjutev

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