„Fugit irreparabile tempus" (Die Zeit flieht unwiederbringlich) lautet die berühmte Phrase von Vergil. Während wir eine unerwartete Synkope der Zeit erleben, eine Störung ihrer etablierten menschlichen Ordnung, haben wir das dringende Bedürfnis, über die Zeit nachzudenken - über die Zeit, der wir unterworfen sind -, also über unsern eigenen menschlichen Zustand, die condition humaine.
Prognosen besagen, dass im Jahre 2050 fast 40 Prozent der Bevölkerung 60 Jahre und älter sein werden. Durch zivilisatorische Fortschritte ist die durchschnittliche Lebenserwartung um etwa 30 Jahre gestiegen. Das letzte Drittel des Lebens mit nur einem Etikett zu versehen, nämlich „alt“, ist nicht nur volkswirtschaftlich gesehen unproduktiv, sondern bedeutet kulturelle und geistige Verarmung der Gesellschaft. Das Wissen und die Lebenserfahrung von Menschen im 3. oder 4. Lebensalter ist eine unschätzbare gesellschaftliche Ressource, deren Weitergabe an die nachfolgenden Generationen für alle von Vorteil ist. Um ältere Menschen vor Ansteckung durch den COVID 19-Virus zu schützen, ist der Kontakt der Generationen untereinander noch stärker eingeschränkt worden.
Mit dem Projekt Tempus Fugit wollen wir die vorherrschenden stereotypisierten Vorstellungen über „das Alter“ ablösen und stattdessen eine Vielfalt von Altersbildern zeichnen. Das Projekt basiert auf dem Konzept des Philosophen Boyan Manchev und der Regisseurin Ani Vaseva und ihrer Theatergruppe Metheor. Sie haben es in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut, dem Institut français in Bulgarien, dem Deutsch-Französischen Kulturfonds, sowie der Tanzexpertin und Kunstkritikerin Mira Todorova entwickelt. Das Projekt umfasst eine Reihe von künstlerischen und diskursiven Formaten, die das Problem der Zeit in seinen philosophischen, gesellschaftspolitischen und künstlerischen Dimensionen reflektieren.