Luftqualität
Saubere Luft in deutschen Städten: Aber wie?
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Deutsche Großstädte haben ein Problem: Die urbane Infrastruktur samt umliegender Verkehrsknotenpunkte belastet die Luftqualität. In den vergangenen Jahren haben immer mehr Städte Initiativen ergriffen, dem entgegenzuwirken. Dabei orientieren sie sich oft an erfolgreichen Projekten anderer europäischer Städte.
Von Nadine Berghausen
Dieselfahrverbote
Als Hauptverursacher von Luftverschmutzung gelten heute überhöhte Stickstoffdioxid-Werte, für die besonders Diesel-Abgase verantwortlich gemacht werden. Nachdem die Stickoxid-Grenzwerte in Deutschland vielerorts überschritten wurden, sind ab 2018 Dieselfahrverbote in Stuttgart, Darmstadt und Hamburg in Kraft getreten. Berlin soll im Herbst 2019 nachziehen, weitere Städte könnten folgen. Für dieselbetriebene PKW und Lastwagen bis einschließlich Abgasnorm Euro 5 sind ausgewiesene Zonen in den Innenstädten tabu, um die Luftqualität zu verbessern. Greenpeace Deutschland sieht die Fahrverbote allerdings kritisch: Sie seien nur sinnvoll, wenn dadurch ganze Stadtteile oder innerstädtische Zonen von den Dieselabgasen befreit würden.Saubere Luft in Städten könne es nur mit einer größeren Lösung geben – laut Greenpeace eine komplette Verkehrswende hin zu bequemen und schnellen Bussen und Bahnen sowie zu sicheren Radwegen.
Für die überhöhten Stickstoffdioxid-Werte in deutschen Innenstädten werden besonders Diesel-Abgase verantwortlich gemacht.
Lead Cities
Auch der Bund setzt auf den öffentlichen Nahverkehr und fördert deshalb das Modellprojekt „Lead Cities“ mit einem Etat von 130 Millionen Euro. Die Modellstädte Bonn, Essen, Mannheim, Herrenberg und Reutlingen haben sich mit verschiedenen Verkehrsprojekten beworben, die hauptsächlich den öffentlichen Nahverkehr attraktiver und somit die Luftqualität verbessern wollen. Meist geht es um innovative Tarifangebote, Taktverdichtung oder erweiterte Fahrradmietsysteme.Mannheim widmet sich zudem einem speziellen und durch den boomenden Onlinehandel aktuellen Problem: dem erhöhten Verkehrsaufkommen durch Paketlieferanten. Beim sogenannten Last-Mile-Konzept für Lieferverkehr werden Sendungen auf der letzten Meile mit E-Lastenrädern zugestellt. Die Modellprojekte werden wissenschaftlich begleitet und ausgewertet, damit sie auch in anderen Städten Anwendung finden können.
Mit dem Rad schneller zum Ziel
Warum steigen wir nicht einfach aufs Rad? Das ist gesund, günstig und belastet die Luft nicht weiter. Die dänische Hauptstadt Kopenhagen macht es vor. Mit einem Radwegnetz von 400 Kilometern und mehr Rädern als Autos gilt die dänische Metropole als die Fahrradhauptstadt schlechthin. Interessant ist: Die Bewohner geben an, dass sie nicht etwa wegen der Umwelt, aus Kostengründen oder der Gesundheit zuliebe umgestiegen sind – dank einer auf Radfahrer ausgerichteten Verkehrsplanung kommen sie auf zwei Rädern schlicht schneller ans Ziel. In Deutschland hingegen wird Verkehrsteilnehmern der Umstieg nicht leicht gemacht: Radwege werden zugeparkt und die angespannte Verkehrslage kann die Fahrt zu einer gefährlichen Angelegenheit machen. Zu den Klimaschutzplänen des Bundesverkehrsministeriums zählt deshalb, den Radverkehr attraktiver zu machen. Dazu gehört eine Neuaufteilung des begrenzten öffentlichen Raums.Nahverkehr für einen Euro
Auch bei dieser Maßnahme steht eine europäische Hauptstadt Pate: In Wien kann man die ganze Stadt für nur einen Euro pro Tag mit Bus und Bahn erkunden, wenn man sich für ein Jahresabo entscheidet. Seit der Einführung des 365-Euro-Tickets stiegen die Fahrgastzahlen deutlich an, von 373.000 auf 780.000 Jahreskartenbesitzer. Das erhoffen sich auch die deutschen Lead Cities: Mit deutlich vergünstigten Preismodellen rechnet man sich höhere Fahrgastzahlen und eine deutliche Verbesserung der Luftqualität aus. Kritiker mahnen an, dass bei erhöhtem Bedarf auch eine Taktverdichtung und somit eine größere Flotte an Bussen und Straßenbahnen von Nöten sei: Wenn die Straßenbahn regelmäßig 30 Minuten Verspätung hat und dazu noch überfüllt ist, sei damit zu rechnen, dass sich viele Verkehrsteilnehmer wieder in ihr Auto setzen.Von günstigeren Fahrpreisen für Bus und Bahn rechnen sich deutsche Städte höhere Fahrgastzahlen und eine deutliche Verbesserung der Luftqualität aus.
Smarte Ampeln für fließenden Verkehr
Anfahren, Gas geben, bremsen, von Ampel zu Ampel: Die tägliche Stop-and-go-Routine zehrt nicht nur an den Nerven gestresster Pendler, auch die Luftqualität leidet. Um den Verkehr besser fließen zu lassen, wird in Hagen und Wuppertal die Modernisierung von Ampelsystemen angestrebt. Das Projekt ist Teil des vom Bundesverkehrsministerium initiierten Masterplans „Nachhaltige Mobilität“. Zwanzig Detektoren, die Bluetoothgeräte wie beispielsweise Smartphones in den Autos erfassen, werden an den Ampeln rund um den Innenstadtring montiert und messen, wie lange die Fahrzeuge zwischen den Verkehrspunkten unterwegs sind. So kann abgelesen werden, wie flüssig oder zäh der Verkehr fließt. Im nächsten Schritt kommt die sogenannte intelligente Ampelschaltung ins Spiel: Ein zentraler Verkehrscomputer soll die Grünphasen der Ampeln an das jeweilige Verkehrsaufkommen anpassen. Die Stadt Hagen versichert, dass bei der Erfassung von Handys keine persönlichen Daten weitergegeben werden.Intelligente Ampelsysteme steuern in Hagen und Wuppertal den Verkehr und sollen zu weniger Staus beitragen.
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