Was war da los?
Als in den späten 80er Jahren plötzlich ein aus dem fernen Detroit stammender neuer, harter, elektronischer Sound aus den Lautsprechern der Clubs im Westen des damals noch geteilten Deutschlands drang, horchte die Jugend des Landes auf.
Das charakteristische Zwitschern des japanischen Basssynthesizers Roland TB-303 in repetitiven chromatischen Sequenzen und die gerade Bassdrum trafen einen Nerv. Die Zeit für etwas Neues war bereit. Die revolutionäre Kraft des Punk war abgenutzt und der widerborstige Hedonismus der glamourösen 80er Jahre hatte sich in Zeiten des kalten Krieges als zynisch entpuppt.Es war eine dunkle und perspektivlose Zeit, inmitten von Debatten um Atomkraft, sauren Regen, Rezession, Helmut Kohl und sich schon länger zunehmend feindselig gegenüberstehenden Supermächten. Die Zerstörung des Planeten, so oder so, schien nicht mehr unrealistisch. Dann brach der sogenannte Ostblock zusammen. Im Jahre 1989 fiel die Mauer, die Deutschland in Ost und West geteilt hatte. Die Menschen aus den beiden Teilen der Republik konnten endlich zusammenkommen, und gemeinsam feiernd dem Untergang trotzen. Techno lieferte den perfekten Soundtrack dazu. Das vorsichtig optimistische politische Klima der Zeit und die neuen Sounds und Technologien inspirierten Anfang der 90er Jahre eine Generation, die keine Lust mehr hatte auf Streit und Angst, die einen gemeinsamen Weg in eine friedlichere Zukunft sah und euphorisch den Aufbruch in diese neue Zeit feierte. In Berlin, Frankfurt, Köln und vielen anderen deutschen Städten entstanden, noch unabhängig voneinander, radikale Subkulturen, die sich an Techno, House und einer Neudefinition des Begriffes „Nightlife“ verorteten. Als im Sommer 1991 bei der dritten Berliner Love Parade die verschiedenen lokalen Szenen aufeinandertrafen, wurde aus dem Trend eine bundesweite Bewegung. Experimentierfreudig und bereit zur Grenzüberschreitung wurden Feiernde zu Musikschaffenden, übten sich als DJs auf selbstorganisierten Parties, gründeten Clubs, Labels oder Plattenläden. Für eine kurze Zeit aktivierte sich eine junge Generation, um gemeinsam an der Schaffung eines eigenen Mikrokosmos zu arbeiten. Abseits etablierter Strukturen entstand ein weites Netzwerk, in dem für einen Moment alles möglich schien.
Über das Dossier
Das Dossier Techno Land versucht in Bildern, Erzählungen und auch Musik eine Reise in das Deutschland der frühen 90er Jahre und die damals entstehende Technokultur. Diese begann als kultureller Import aus den USA, nahm aber dann eine Eigendynamik an, die sie zum Teil der deutschen Kultur werden ließ. Wir haben uns mit einigen der Protagonist*innen der Zeit unterhalten, einen Stapel alter Fotos ausgegraben und unsere alten Platten wieder hervorgekramt in der Hoffnung, ein möglichst authentisches Bild einer Subkultur zu präsentieren, die Deutschland verändert hat. Wie sehr, das zeigt auch die Ausstellung Techno Worlds des Goethe-Instituts, die sich mit weltweiter Kunst beschäftigt, die inspiriert von Techno entstanden ist.
Danke:
ÜbersetzungenCaroline Gagnon (ins Französische)
Darryl Natale (ins Englische)
Die Interviews führte Dennis Kastrup.
Tanzende Buchstaben: Monik Richter.