Erst Klarinette, dann Schlagzeug und schließlich Tuba – der Musiker und Komponist Carl Ludwig Hübsch ist ein Autodidakt. Doch nicht nur bei der Instrumentenwahl sucht er die Abwechslung. Seine musikalische Metamorphose führte ihn über Rock und Punk zu Klassik, Jazz und Neuer Musik. Im Rahmen seiner Residenz in Montreal plant der deutsche Musiker eine Kollaboration mit dem kanadischen Ensemble Productions SuperMusique (ESM), von der er sich neben neuen Kompositionen auch ein deutsch-kanadisches Netzwerk für zeitgenössische Musik erhofft.
Von Anne-Carolin Seebeck
Der gebürtige Freiburger begann seine musikalische Laufbahn mit der Klarinette, bevor er sich zuerst im Selbststudium und später an verschiedenen Hochschulen zum Komponisten, Tubisten und Perkussionisten ausbildete. In seiner Wahlheimat Köln ist er an eigenen Projekten beteiligt, gründete 2008 das Ensemble X und leitet parallel das Multiple Joy(ce) Orchester für Neue Musik. Hübsch scheint keine Grenzen zu kennen – weder musikalisch noch geografisch. So ist er international in verschiedenen Kollaborationen als Musiker, Komponist oder in beiden Funktionen aktiv.
Die Dramaturgie oder die Struktur der Musik sind ständiger Wandlung unterworfen, sie ergeben sich von selbst. Daher versuche ich vor allem, nicht im Wege zu stehen.
Carl Ludwig Hübsch
Zwischen Struktur und Spontaneität
Im Spannungsfeld zwischen Struktur und Spontaneität, sieht Hübsch Kompositionen als Realisation musikalischer Ereignisse an. Im improvisatorischen Prozess wird es hingegen experimentell. Ihn fasziniert die Spontaneität, die es ermöglicht, musikalische Momente zu kreieren, die innerhalb einer vorgegebenen Komposition nicht entstehen können. Über Expertise verfügt er zweifelsohne in beiden Bereichen, was er in dem von ihm geplanten Projekt im Rahmen der Residenz unter Beweis stellen will. Im Mittelpunkt dieser Forschungsreise steht die Umsetzung einer Komposition, die die unterschiedlichen musikalischen und geografischen Herkünfte der Beteiligten in einem großen Werk vereint. Die Transition zwischen Komposition und Improvisation ist dabei fließend.
Vernetzung
Der Grundstein für ein deutsch-kanadisches Netzwerk für zeitgenössische Musik ist bereits gelegt. Seit beinahe 10 Jahren ist er fest in der kanadischen Musikszene verwurzelt. Neben zahlreichen Konzertreisen durch Nordamerika, arbeitete Hübsch mit Musikern wie Éric Normand, Joane Hétu, Émily Mouchous, Philippe Lauzier, Scott Thomson oder Karen Ng zusammen. Am wichtigsten für seine musikalische Entwicklung ist jedoch die kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem Montrealer Musiker und Komponisten Pierre-Yves Martel. Hübschs besonderes Interesse gilt somit der Musikszene Quebecs, der er sich besonders verbunden fühlt. Diese Verbindung soll durch die Residenz für Neue Musik des Goethe-Institut Montreal vertieft werden, die den Austausch zwischen beiden Ländern seit 2015 fördert. Vernetzung ist für Hübsch und seine Arbeit von existenzieller Bedeutung. Seine Musik, seine Kompositionen, aber auch seine Improvisationen leben davon. Getreu dem Motto: „Viele Wurzeln ermöglichen viel musikalisches Wachstum!“
Begegnungen über die Musik hinaus
Komponisten, einschließlich Hübsch, profitieren nicht nur vom gemeinsamen Musizieren, sondern vor allem von den persönlichen Begegnungen, durch die laut Hübsch „der tiefere Grund des Komponierens für beide Seiten unmittelbar erfahrbar wird.“ Während der Residenz soll eine musikalische Landkarte entstehen, die die Musiker sowie die Musikszene für neue Musik und Improvisation in Québec präsentiert. In diesem Rahmen plant Hübsch, Interviews mit den beteiligten Musikern durchzuführen, um sie und ihre individuelle Spielweise besser zu verstehen. Anschließend sollen durch gemeinsames Musizieren neue musikalische Elemente entwickelt werden, die zum Abschluss der Residenz aufgeführt werden. Auf diese Weise bietet die Karte neben geografischen Daten und künstlerischen Potenzialen auch wertvolle Kontakte und ermöglicht Begegnungen über die Musik hinaus.