Rosinenpicker
Schlammassel in der Mischpoke
Aus einer TV-Serie über Antisemitismus und Rassismus in der Schule haben Andreas Steinhöfel und Melanie Garanin eine eindrückliche und humorvolle Graphic Novel geschaffen.
Von Holger Moos
Benny, Charly und Hamid sind beste Freunde – trotz aller Unterschiede. Benny ist sehr sportlich und noch dazu sehr schlau. Charly hingegen ist eher unsportlich, sie ernährt sich vegetarisch und setzt sich für die Umwelt ein. Hamid kam 2015 als Geflüchteter aus Syrien nach Deutschland und verfügt über Zeichentalent. Er wird von seinem älteren Angeber-Bruder sowie von Mitschülern rund um die Bande des fiesen Lennart drangsaliert.
Das ist die Ausgangssituation in der Graphic Novel Völlig meschugge?! von Andreas Steinhöfel, vielfach preisgekrönter Kinder- und Jugendbuchautor, und der Illustratorin Melanie Garanin. Die Graphic Novel basiert auf dem Drehbuch zur gleichnamigen TV-Miniserie von Andreas Steinhöfel, Klaus Döring und Adrian Bickenbach.
Ein Davidstern sorgt für Zoff
Alles ändert sich, als Bennys geliebter Großvater stirbt und seinem Enkel eine Davidstern-Kette vererbt, die dieser von nun an trägt. Dadurch wird für alle sichtbar, dass Benny Jude ist. Das wusste vorher niemand – seine Eltern wollten nicht, dass es bekannt wird, weil sie fürchteten, dass er sonst zur Zielscheibe antisemitischer Anfeindungen wird.Und tatsächlich wird Benny nun mit judenfeindlichen Sprüchen konfrontiert. Auch für Hamid ist es ein Schock: sein Freund, ein Jude?! Ihre Freundschaft erfährt einen Bruch. Hat Hamid doch gelernt, die Juden seien daran schuld, dass es vielen Menschen in der arabischen Welt schlecht geht. Nicht zuletzt sein älterer Bruder hat ihm das immer wieder eingetrichtert.
Durch eine Reihe von Handydiebstählen an ihrer Schule, als deren Täter Hamid verdächtigt wird, geraten die drei Freund*innen vollends in einen Sumpf aus Misstrauen und Vorurteilen.
Tacheles reden hilft
Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendliteratur hat die Graphic Novel im August 2022 zum Kinderbuch des Monats gewählt. Dem Duo Steinhöfel und Garanin gelingt es, „das Verhältnis der Kinder in Schrifttext und Bild zu schildern, ohne ins Didaktische abzugleiten. Vielmehr nähern sie sich sensibel der Thematik und setzen so auch neue Akzente, nicht nur im Comic!“Trotz aller Ernsthaftigkeit ist die Geschichte in lockerem Ton und Strich verfasst, der Humor kommt ebenfalls nicht zu kurz. Dazu trägt Garanins abwechslungsreicher, lebendiger Zeichenstil entscheidend bei. Einiges wirkt wie dahingekritzelt, manche Seiten enthalten viele kleine Szenen, andere Szenen füllen eine oder sogar zwei Seiten. Als ein dramatisches Ende droht, wird zum Glück Tacheles geredet.
Hamburg: Carlsen, 2022. 288 S.
ISBN: 978-3-551-79609-7
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