150 Jahre Kanada
Deutsch-Kanadische Geschichten
Das Goethe-Institut und die Deutsche Botschaft in Kanada feiern, zusammen mit zahlreichen kanadischen und deutschen Partnern, das 150. Jubiläum der Konföderation des Landes und untermauern mit einer Reihe kultureller Veranstaltungen die deutsch-kanadische Freundschaft. Die Ausstellung „Canada and Germany: Partners from Immigration to Innovation / Le Canada et l’Allemagne: Partenaires de l’immigration à l’innovation” zeigt die Geschichte der engen Verbindung beider Länder.
Sie sind in Ottawa mit der Koordination der Ausstellung „Canada and Germany: Partners from Immigration to Innovation / Le Canada et l’Allemagne: Partenaires de l’immigration à l’innovation” befasst. Worum geht es in dieser Ausstellung?
Peter Finger: Kanada und Deutschland haben eine lange gemeinsame Geschichte, eine Geschichte, die überwiegend positive Aspekte aufweist, deren Tiefpunkte in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts aber auch zu Prägungen im gegenseitigen Verhältnis geführt haben. Man schätzt, dass rund zehn Prozent der heutigen Kanadier in irgendeiner Form deutsche Wurzeln haben. Damit haben die Einwanderung deutschsprachiger Menschen und deren Leistungen für den Aufbau großes Gewicht. Dem wollen wir Rechnung tragen. Ein ausgewogenes Bild ergibt sich aber nur, wenn wir unseren Besuchern zeigen, wie es jetzt zwischen beiden Ländern aussieht, wie sich also die Beziehungen in politischer, kultureller, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Hinsicht gestalten.
Der Untertitel der Ausstellung „Von Immigration zur Innovation” weist auf einen geschichtlichen Aufbau hin. Worauf liegt das Hauptaugenmerk der Ausstellung?
Unser Ansatz ist breit und in gewisser Weise auch historisch. Eine Geschichtsstunde oder ein Geschichtsbuch an der Wand sollte es nicht werden und wir haben auch keinen wissenschaftlichen Anspruch. Wir erzählen deutsch-kanadische Geschichten, die die Beziehungen beider Länder beziehungsweise Territorien über die Jahrhunderte illustrieren. Der Sprung in die Gegenwart gelingt uns über die Präsentation von Beispielen aus der jüngsten wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit beider Länder.
Wie kann man 150 Jahre deutsch-kanadische Freundschaft mit non-verbalen Mitteln darstellen? Woher kommen die Exponate? Gibt es ein besonders interessantes Objekt?
Neben den Text- und Fotodarstellungen gibt es eine ganze Anzahl von Objekten, die die Ausstellungsangebote illustrieren. Diese Exponate kommen sowohl aus Museen als auch aus privaten Sammlungen. Aus Deutschland haben wir die Uniform eines „Braunschweiger Jägers” erhalten, der auf Seiten der Briten im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hat. Warum das interessant ist? Eine große Anzahl dieser damals von ihren Landesherren an die englische Krone vermieteten Soldaten hat nach dem Krieg ein neues Leben insbesondere auf dem Gebiet des heutigen Québec begonnen. Dazu bieten wir Video- und Audioclips, zum Beispiel eine Erzählung des ehemaligen kanadischen Premiers und Außenministers Joe Clark über seine gemeinsamen Tage mit Hans-Dietrich Genscher im Februar 1990 in Ottawa oder Beispiele von lebendigen kirchenmusikalischen Traditionen der Inuit in Labrador. Für die Technikfans gibt es in der „Innovationsabteilung” einen „Lunar Rover” zu besichtigen, den ein deutsch-kanadisches Unternehmen als kanadischen Beitrag zu der im nächsten Jahrzehnt von der NASA anvisierten erneuten Mondlandung entwickelt.
Was war die Motivation, speziell im Jubiläumsjahr Kanadas, so eine Ausstellung zu machen?
150 Jahre Konföderation sind hierzulande ein wichtiges Jubiläum. Man feiert sich selbst, ist stolz auf sein freies Land und seine gut funktionierenden demokratischen Institutionen. Dieses wichtige Ereignis wird auch von vielen ausländischen Vertretungen im Land gewürdigt. Es war also klar, dass die Bundesrepublik Deutschland sich beteiligen wird. Daraus sind die Deutschlandwochen entstanden, organisiert von den Goethe-Instituten und der Deutschen Botschaft in Ottawa und innerhalb dieses Formats die Ausstellung, die zunächst in Ottawa und später auch in anderen kanadischen Städten gezeigt werden wird. Warum eine Ausstellung? Sie bietet uns die einmalige Gelegenheit, die Feierlaune zu nutzen und die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern einem breiteren Publikum so darzustellen, wie sie sind, stabil, auf Dauer angelegt, von gleichen Werten und von Vertrauen getragen.
Von Justin Trudeau einmal abgesehen, hält sich das Interesse der deutschen Öffentlichkeit und Medien am zweitgrößten Land der Welt eher in Grenzen. Was kann man da tun?
Wahrscheinlich wenig. Das Medieninteresse in Deutschland ist davon abhängig, ob die Öffentlichkeit Themen als spannend empfindet. Und da steht das Interesse an Kanada im Schatten des südlichen Nachbarn. Dies ist im Grunde aber auch eine positive Aussage. Kanada ist ein friedliches Land, in dem Menschen verschiedener kultureller Hintergründe und Prägungen eine gemeinsame kanadische Identität entwickeln, nicht im Sinne eines Schmelztiegels, sondern im Sinne einer funktionierenden multikulturellen Gesellschaft.
Kanada wird gut regiert und diese Bemerkung bezieht sich nicht allein auf die aktuelle politische Konstellation. Die Bevölkerung lebt im Wesentlichen positive westliche Werte. Ich nenne Kanada gern scherzhaft eine ideologiefreie Zone. Radikales Gedankengut hat hier keinen Platz. All dies hat zur Folge, dass sich das Interesse auf „klassische” Themen konzentriert wie Auswanderergeschichten und Natur und natürlich aktuell auf die Person des Premierministers.
Das Interview führte Uwe Rau.