2016/17 | 98 min
Mein wunderbares West-Berlin
Von Wieland Speck
Mein wunderbares West-Berlin
Regie: Jochen Hick | Deutschland 2016/17 | 98 Minuten | Farbe und Schwarz-weiß
Sprachen: Deutsch mit Untertiteln in Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Portugiesisch, Russisch, Chinesisch sowie arabischen und hebräischen Untertiteln
Weltvertrieb: Galeria Alaska Productions
Bezugsquelle: Goethe-Institut
Jochen Hick, der bereits 1989 mit Via Appia den ersten deutschen Spielfilm zum Thema AIDS vorlegte, kann man den Chronisten der Schwulenbewegung in Deutschland und Ost-Europa nennen: Mit „Out in Ost-Berlin“ legte er in Co-Regie mit Andreas Strohfeldt ein Grundlagenwerk vor über die Situation von Schwulen und Lesben im Arbeiter- und Bauernstaat, der im Gegensatz zur Bundesrepublik Homosexualität schon 1968 entkriminalisierte – was mitnichten zur Gleichberechtigung führte. Drei Tage nach der Ausstrahlung von Rosa von Praunheims Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt im verbotenen Westfernsehen 1973 gründete sich die HIB (Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin). Dreizehn Zeitzeugen verdeutlichen die privaten und politischen Entwicklungen von Kirche über Staatssicherheit, die schließlich zur Opposition gegen den Staatsapparat führten.
„Dream Boat“ von Tristan Ferland Milewski thematisiert Virtual Reality, nicht im Sinne bebrillten 3-D-Rundumblicks, sondern als Schaffung einer Mehrheitsgesellschaft für eine Minderheit durch Begrenzung des Raums: Auf einem Kreuzfahrtschiff für Schwule ist der Schutzraum endlich einmal perfekt; kann der Alarmsensor abgeschaltet werden, der vor Ächtung und Übergriffen im Alltag sonst warnt; kann kein Blick – wo immer er hinfällt – „falsch verstanden“ werden und Gefahr nach sich ziehen. Das ist natürlich auch schrecklicher Massentourismus, aber während in dieser Parallelgesellschaft ganz ohne Frauen draußen in den Gängen das Cruising-Leben tobt, geht es in den Kabinen um die Probleme mit der Welt auf dem Festland. Ein tiefer Einblick ...
Alle kennen Dragqueens, aber wie ein 24/7-Leben für sie aussieht, wissen nur wenige. In „Überleben in Neukölln“ stellt Rosa von Praunheim in seiner unnachahmlich intimen Weise, die das Private immer als das Politische entlarvt, eine Reihe unangepasster Menschen vor, die allesamt die queere Seite des Berliner Stadtteils Neukölln ausmachen. Im Zentrum steht Galeriebesitzerin Juwelia. Der Film birgt ein Füllhorn an Lebensentwürfen und zeigt, weshalb Leben außerhalb des urbanen Raums wohl möglich sein kann – aber warum? (Alle vier empfohlenen Titel unter diesem Punkt sind Dokumentarfilme.)