Kapitel 6
Wie die Mauer zum Material wurde
![„Mauerspecht“, Berlin, November 1989 „Mauerspecht“, Berlin, November 1989, zwischen Reichstag und Potsdamer Platz](/resources/files/jpg867/mauerspechte-mitte-formatkey-jpg-w320m.jpg)
Regelmäßige Schläge erklingen, von Weitem hören sie sich an wie ein Festival enthemmter Heimwerker. Doch der Hammer – eigentlich Symbol der Arbeiter*innen auf der Flagge der DDR – schlägt in den Wochen nach dem Mauerfall tausendfach gegen den Beton.
Von Regine Hader und Dr. Andreas Ludwig
Jahrelang ist die Mauer für beide Seiten der Stadt ein reales Bauwerk, das die Straßenbahnschienen abschnitt, Möglichkeiten, Beziehungen und Wege begrenzte. Gleichzeitig war die Mauer aber auch ein Symbol für den Kalten Krieg, das Entweder-Oder der Zugehörigkeit zu den politischen Blöcken – wechselweise der reaktionären Politik des Konsums oder der sozialistischen Unfreiheit. Sie symbolisierte eine Ordnung, die keine Zwischentöne zulässt und den Bürger*innen auf beiden Seiten die eigene Machtlosigkeit präsentiert. An diesen Novembertagen befreien sie sich auch körperlich.
In dieser Szene zwischen Reichstag und Potsdamer Platz sitzt ein „Mauerspecht“ auf der Mauerkrone, ein Bein im Westen, eines im Osten. Die Ästhetik dieser Zeit ist durchzogen vom Kontrasten: Situationen, die einige Tage zuvor unmöglich schienen, lassen die Menschen Freiheit atmen und sich lebendig fühlen. Stunden, in denen alles offen scheint.
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