Unzweideutigkeit zerstört Baarová
Gleich zwei neue Filme über Lída Baarová, Schauspielerin und Geliebte von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels, sind in den tschechischen Kinos angelaufen. Das Publikumsinteresse ist gewaltig. Zu recht?
Der neue Film Lída Baarová von Regisseur Filip Renč hätte eigentlich keine Unterstützung durch eine PR-Agentur nötig gehabt. Wann immer der Titel dieses schon jahrelang vorbereiteten Historienfilms in den tschechischen Medien auftauchte, war ihm sämtliche Aufmerksamkeit sicher. Sowohl vor dem Beginn der Dreharbeiten als auch im Januar nach der Premiere, die Lída Baarová in die Top 3 der meistdiskutierten gesellschaftlichen Themen katapultierte – direkt zwischen Flüchtlingen und der Krebserkrankung Karel Gotts. Aber der Reihe nach.
15 Jahre haben die Macher sich daran abgearbeitet, um die Geschichte des Filmstars der Ersten Tschechoslowakischen Republik und ihre Verstrickungen mit den Nazigrößen auf die Kinoleinwand zu bringen. Schon vor Beginn der Dreharbeiten im April 2015 erregte Lída Baarová Aufsehen, weil die Produktion vom Staatlichen Film Fonds mit 15 Millionen Kronen (etwa 500.000 Euro) gefördert wurde – die mit Abstand höchste Subvention für einen Film im vergangenen Jahr. Und das, obwohl die Experten das Projekt nicht gerade freundlich beurteilten. Einige der Ratsmitglieder des Filmfonds distanzierten sich von der unsinnigen geheimen Abstimmung. Gleichzeitig wurde in indirektem Zusammenhang mit Lída Baarová gesprochen von „pseudohistorischen Filmprojekten mit hohem Budget, die sich als patriotische Taten gebärden und die Unterstützung von Abgeordneten haben“. Dennoch startete der Dreh, der medial vor allem Aufmerksamkeit erlangte durch gezielt verbreitete Fotos des Komödienschauspielers Pavel Kříž in der für ihn untypischen Rolle als Hitler. Ihr virales Potential haben diese Bilder bis aufs Letzte ausgeschöpft.
Ein Film, der nie richtig beginnt
Die Kampagne erreichte ihren Höhepunkt kurz vor der Premiere mit der Präsentation des Titelsongs Když ďábel tančí s andělem (Wenn der Teufel mit einem Engel tanzt), performt von der bekannten tschechischen Sängerin Lucie Bílá, oder Pressemeldungen, dass der Film am Premierenwochenende in mehr Kinos starten wird als zuletzt der neue Bond-Film Spectre.
Vor der Premiere hatte aber kaum jemand das Vergnügen mit Lída Baarová. Die Produzenten verzichteten nämlich auf die üblichen Pressevorführungen. Das kann mehrere Gründe haben, etwa, dass bis zum letzten Moment noch an Details gefeilt wird. Meistens jedoch haben die Filmemacher kein Interesse an einer Reaktion der Filmjournalisten, oder aber sie ahnen schon, dass diese nicht besonders wohlgesonnen sein wird. Letzteres trifft im Fall von Lída Baarová wohl am ehesten zu. Nach der Premiere, der die führenden Vertreter des Staates inklusive Präsident Miloš Zeman beiwohnten (Regisseur Renč hatte im vorletzten Jahr von ihm eine hohe staatliche Auszeichnung erhalten.), bekam der Film fast ausnahmslos schlechte Kritiken.
Über Lída Baarová lässt sich nur schwer etwas Positives sagen. Renč und der Drehbuchautor Ivan Hubač beschränken sich vor allem auf zwei Etappen im Leben der Schauspielerin: auf die Zeit unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg, als die ambitionierte junge Frau in Berlin mit Reichspropagandaminister Joseph Goebbels anbändelte, und auf die Nachkriegszeit, als sie für ihre Liebesaffäre büßen musste. Die historische Handlung wird gerahmt von der „Gegenwart“, in der die gealterte Baarová einer jungen Journalismusstudentin Rede und Antwort steht. Das grundlegende Problem ergibt sich zu einem gewissen Grad aus der Struktur: Lída Baarová setzt sich zusammen aus schlecht geschriebenen, schlecht gespielten und schlecht aussehenden Szenen, die als Ganzes keine Geschichte ergeben, die irgendwo beginnen, sich irgendwie steigern und dann befriedigend enden würde. Herausgekommen ist ein Film, der eigentlich nie richtig beginnt.
Er gleicht einer überzogenen, leeren Fernsehinszenierung ohne Hintersinn, in der plump gespielte Charaktere in Drehbuchfloskeln kommunizieren und dabei schauen, als würden sie Macbeth spielen. Sie treiben im Gegenteil in eine kitschige Telenovela, in der die Handelnden nicht an reale Figuren erinnern, sondern vielmehr an Karikatury. Alle fallen Baarová zu Füßen, nur wissen wir nicht wieso. Denn in keiner Situation tritt sie auf wie eine Diva, der man nicht widerstehen kann. Nie entwickelt sie einen Zauber, es rufen ihr bloß alle ständig zu, wie vollkommen sie sei. Ebenso gewollt wirkt ihre flammende Liebe, die der Film nur deshalb erwähnt, weil sie den historischen Tatsachen entspricht. Auf der Leinwand aber wirkt sie ausgepsrochen blutleer. Aber wenn wir schon bei den Flammen sind... der Geschlechtsakt zwischen Baarová und Goebbels wird illustriert durch die Gesichter der Liebenden, die per digitalem Trick aus den Flammen erscheinen. Nur falls es noch nicht jeder kapiert hat, dass Lída sich im Bann des Feuerteufels befindet. Diese ungewollt lächerliche Unzweideutigkeit durchzieht den gesamten Film.
Boulevardhafte Verkürzungen
Aber Renčs Werk ist auch technisch merkwürdig dürftig. Zwar sind alle Figuren historisch authentisch angezogen, aber sie bewegen sich in seltsam leeren, entvölkerten Umgebungen, was den Eindruck erweckt, dass hier etwas künstlich kaschiert werden sollte. Geradezu tragisch ist die tschechische Synchronisierung der deutschsprachigen Schauspieler Gedeon Burkhard (im Film in der Rolle des Gustav Fröhlich) und Karl Markovics (Joseph Goebbels), die nicht einmal exakt deren Lippenbewegungen entspricht. Über die Lippen der jungen Studentin jedenfalls kommt am Ende das, was wir über Lída Baarová denken sollen: „Ich wollte Sie verurteilen, aber nichts ist so einfach wie es scheint“, sagt sie der alten Baarová zum Abschied. Das ist der Schlusspunkt hinter einem Schund, der auf schmerzhafte Weise dem gegenwärtigem Standard europäischer Produktionen hinterherhinkt und die historischen Ereignisse boulevardhaft vereinfacht und verkürzt. Und trotzdem strömen die Zuschauer in die Kinos, um Lída Baarová zu sehen. Allein am ersten Wochenende waren es ungefähr 115.000.
Auf Zuschauerinteresse stößt aber auch das fast zeitgleich gestartete „Konkurrenzprojekt“ mit dem Titel Zkáza krásou (etwa: Verdorben durch Schönheit). Der Film von Helena Třeštíková und ihrem Kollegen Jakub Hejna kombiniert ein im Jahre 1995 geführtes Interview mit Lída Baarová – sie starb fünf Jahre später – mit historischen Filmaufnahmen. Zkáza krásou zeichnet ein wesentlich plastischeres Bild der Schauspielerin, schon alleine deshalb, weil der Dokumentarfilm im Gegensatz zu Renčs Spielfilm die Zeit des Zweiten Weltkriegs nicht auslässt, während dem Baarová unter anderem in Italien gedreht hatte und Historikern zufolge auch von dort aus weiterhin den Kontakt zu den Nazis hielt. Aber es ist nicht angemessen, Baarová zu beurteilen. In Třeštíková Dokumentarfilm reicht es, ihr fasziniert zuzuhören, wie ungeniert die alte Dame von sich selbst eingenommen ist. „Ich war so schön, ich war so talentiert!“ „Als Hitler mich gesehen hat, ist er förmlich erstarrt!“ „Auch die Gefängniswärterin mochte mich sehr!“ Das ist fast schon ein tragikomisches Bild des erloschenen Ruhms.
Lída Baarová
Tschechische Republik, 2016, 110 Minuten
Regie: Filip Renč
Drehbuch: Ivan Hubač
Kamera: Petr Hojda
Musik: Ondřej Soukup
Schauspieler: Táňa Pauhofová, Karl Markovics, Gedeon Burkhard, Simona Stašová, Martin Huba, Lenka Vlasáková, Pavel Kříž, Anna Fialová, Jiří Mádl, Zdenka Procházková, Michal Dlouhý, Helena Dvořáková, Miroslav Táborský, Alois Švehlík, David Novotný
Zkáza krásou
Tschechische Republik, 2015, 90 Minuten
Regie: Helena Třeštíková, Jakub Hejna
Drehbuch: Helena Třeštíková, Jakub Hejna
Kamera: Martin Kubala, Jan Malíř, Jiří Chod, Jaromír Nekuda
Musik: Tadeáš Věrčák