Was geschieht, wenn Hitler zurückkehrt?
Zweimal Hitler gleichzeitig, das gab es im tschechischen Kino lange nicht mehr. Während Hitler in der tschechischen Filmbiografie „Lída Baarová“ Goebbels für sein Verhältnis mit der großen Filmdiva der 30er Jahre rügt, hat er in der deutschen Satire „Er ist wieder da“ völlig andere Sorgen. Was nicht heißt, dass der Name Goebbels nicht auftauchen würde. Als Hitler den Fernseher einschaltet und Reality Shows, Talentwettbewerbe und eine Kochsendung sieht, lautet sein Kommentar: „Gut, dass Goebbels das nicht mehr erleben muss“. In David Wnendts Verfilmung des Bestsellers von Timur Vermes hat sich der Führer nämlich am 30. April 1945 nicht vergiftet...
Stattdessen erwacht er gleich zu Beginn in einer Berliner Grünanlage und ist entsetzt – neben ihm spielen Kinder, die kein bisschen nach Hitlerjugend aussehen und keinen Schimmer haben, wer da den Weg zur Reichskanzlei wissen will. Adolf Hitler muss sich allerdings nicht nur in der Stadt sondern auch im neuen Jahrtausend zurechtfinden, denn er ist im Deutschland des 21. Jahrhunderts aufgewacht. Er findet Zuflucht bei einem Kioskbesitzer, was einen großen Bildungseffekt mit sich bringt, doch eine weit größere Entdeckung stellt er für einen erfolglosen Fernsehreporter dar. Dieser hält ihn für einen außergewöhnlich begabten Schauspieler und es dauert nicht lange, bis die Chefs seines Fernsehsenders Hitler dem Publikum als Sensation prästentieren. Hitler wird zum Star, der ohne Rücksicht auf „Political Correctness“ erneut nationalistische Ansichten äußert. Und das Volk applaudiert.
Man muss allerdings erwähnen, dass es im Film Er ist wieder da nicht nur von den Filmemachern verpflichtete, an das Drehbuch gebundene Komparsen sind, die freundlich auf ihn zugehen. Das Konzept des erfolgreichen satirischen Romans, der sich seit 2012 allein in Deutschland an die zwei Millionen Mal verkauft hat, wurde von den Filmemachern in ihrer Adaption nämlich erweitert. Mit der Kamera und dem Schauspieler Oliver Massuci in voller Hitler-Montur begaben sie sich unter normale Leute, um herauszufinden, wie diese reagieren würden. Zum ersten Mal wurde das im Sommer 2014 getestet, wo sich das Filmteam während der Weltmeisterschaft unter die deutschen Fussballfans gemischt hat. Bodyguards waren engagiert worden, allerdings völlig umsonst – die Leute haben mit Massuci wohl hauptsächlich Selfies gemacht. Nach diesem Testlauf reiste das Team in verschiedene Teile Deutschlands und die Reaktionen waren überall gleich, wie man nun im Film sehen kann. Da gestehen die Leute Hitler, dass die Demokratie ihrer Meinung nach nicht funktioniert, dass es sinnlos ist zu wählen, dass sie die „historische Schuld“ ständig belastet und dass die meisten Probleme von Immigranten verursacht werden (der Film entstand noch vor der Flüchtlingskrise). Wnendt und sein Team nahmen mehr als 380 Stunden Material auf, in dem nur zwei Menschen negativ auf den Kerl im Hitlerkostüm reagierten.
Das Ergebnis erinnert in einigen Aspekten an die Komödie Borat – nur wird in diesem Fall die fiktive Darstellung von Hitler als neuem Fernsehstar, der seine Ansichten aber nicht geändert hat, mit der allem Anschein nach dokumentarischen Realität verschmolzen, in der Hitler auf echte Deutsche trifft. Seinen Humor schöpft Wnendts Film aus beiden Ebenen, gleichzeitig soll dem Zuschauer aber das Lachen im Halse steckenbleiben, denn es wird ganz klar gesagt, dass Hitler im 21. Jahrhundert problemlos in irgendeiner Form zurückkehren kann. Durch die abschließende Montage mit einigen echten europäischen Politikern wird diese Aussage noch verstärkt.
Dabei ist allerdings keine der Ebenen völlig zufriedenstellend. In den „gespielten“ Szenen kommt es schnell zu einer Übersättigung mit vorhersehbaren Sketchen nach dem Schema „Hitler verirrt sich in der heutigen Welt und kommt nicht mit Google/der Reinigung/Tieren zurecht“, im „dokumentarischen“ Teil wirkt er dann ratlos und bleibt inhaltlich an der Oberfläche. Haben die Filmemacher denn wirklich geglaubt, dass die Leute wegen einem als Hitler Verkleideten die Polizei rufen und lieber kein Selfie mit ihm machen? Radikale, extrem rechte Meinungen stürzen leider schon heute aus allen Internet-Diskussionen auf uns ein, dennoch bemüht sich dieser Hitler nicht, die Wurzeln des Hasses zu enthüllen, weil er kaum mit den Leuten spricht. Im Gedächtnis bleiben nur einige witzig eingefädelte Situationen – wären Sie zum Beispiel darauf gekommen, den berühmtesten abgelehnten Kunstakademie-Bewerber auf eine Straße zu setzen, um Passanten zu zeichnen?
P.S.: Auch in der 2017 anlaufenden Fortsetzung des Science-Fiction-Streifens Iron Sky mit dem Untertitel The Coming Race ist Hitler nicht gestorben. Im Trailer reitet er auf einem Dinosaurier...