Interview mit Pia Sombetzki
„Wo immer wir Potenziale sehen, müssen lokale Gemeinschaften im Vordergrund bei der Entwicklung von Lösungen stehen.“
Mit dem fortschreitenden Klimawandel rücken KI-Technologien immer stärker in den Fokus als mögliche Lösungen. Doch wie wirkungsvoll sind diese Werkzeuge wirklich, und zu welchem Preis? Pia, Policy- und Advocacy-Managerin bei AlgorithmWatch, gibt einen kritischen Einblick in die Rolle von KI im Kampf gegen den Klimawandel. Sie spricht über die ökologischen Auswirkungen und ethischen Herausforderungen beim Einsatz von KI und betont die Notwendigkeit inklusiver, nachhaltiger Ansätze sowie der Rechenschaftspflicht innerhalb der Branche.
Inwiefern kann KI effektiv genutzt werden, um den Klimawandel zu bekämpfen und Nachhaltigkeit zu fördern?
Die Erfassung von Umweltveränderungen und der Einsatz statistischer Methoden, etwa in der Wettervorhersage oder der Katastrophenprävention, sind nicht neu. Viele der neuen, von Industrieakteuren vorgestellten KI-gesteuerten Tools sind oft nicht von bestehenden Anwendungen zu unterscheiden. Oft hängt die Wirksamkeit von KI-Tools für solche Anwendungsfälle mehr davon ab, welche Daten gesammelt werden, wo sie gesammelt werden und wer Zugang zu diesen Daten hat. Wenn wir fragen, wie KI zur Bekämpfung des Klimawandels und zur Förderung der Nachhaltigkeit eingesetzt werden kann, sollten wir kritisch bewerten und uns fragen, welche Fähigkeiten wirklich neu sind und wo wir in der Vergangenheit aufgrund der zugrundeliegenden Bedingungen von Nutzung und Zugang keinen Nutzen erzielen konnten. Wo immer wir Potenziale sehen, müssen lokale Gemeinschaften im Vordergrund bei der Entwicklung von Lösungen stehen, die ihren eigenen Bedürfnissen entsprechen und die sie kontrollieren können. Ein größerer Zugang zu benutzerfreundlicheren und breiter verfügbaren Tools kann helfen.
Wie sehen Sie den Einfluss von KI auf globale Themen wie den Klimawandel – ist er insgesamt eher vorteilhaft oder schädlich? Welche KI-bezogenen Herausforderungen sehen Sie hier?
Die Auswirkungen von KI auf die Gesellschaft und bestimmte Gemeinschaften sind eindeutig vielschichtig, und wir befinden uns noch sehr im Anfangsstadium, dies ganzheitlich zu verstehen. Das liegt größtenteils daran, dass wir wenig Zugang zu den internen Zahlen der Unternehmen haben, die KI-Systeme trainieren und betreiben. In der Zwischenzeit arbeiten wir mit externen Bewertungen, die den enormen Hunger nach immer mehr rechenintensiven KI-Modellen beleuchten. Die Handlungen der Industrie, die globale Industriepolitik zu prägen, immer mehr Rechenzentren zu bauen und zunehmend Kontrolle über Energie- und Ressourcenproduktionsstätten zu erlangen und in diese zu investieren, zeigen ebenfalls einen Trend, der nicht ignoriert werden sollte. Die Industrie, die einst damit prahlte, die treibende Kraft hinter der erneuerbaren Energieproduktion zu sein, passt nun ihre eigenen Maßstäbe an und signalisiert, dass es sich für die Entwicklung von KI lohnt. Gleichzeitig fehlen uns immer noch wirksame Rahmenbedingungen, um den Sektor wirklich für seine Umwelt- und Sozialauswirkungen zur Verantwortung zu ziehen und die Entwicklung von KI zu fördern, die der Gesellschaft zugutekommt.
Welche ethischen Überlegungen sollten den Einsatz von KI in klimaorientierten Initiativen leiten?
Der Einsatz von KI-Systemen in klimaorientierten Initiativen muss sowohl im Allgemeinen als auch aus ethischer Sicht zweckmäßig sein. Dies erfordert in erster Linie eine Vorab-Bewertung der beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen sowie der ethischen Überlegungen des Einsatzes. Dieser Schritt muss eine breite Palette von Stakeholdern einbeziehen, um blinde Flecken zu vermeiden und Konsequenzen zu berücksichtigen, die verschiedene Gruppen ungleich betreffen. Für eine solche Bewertung hat AlgorithmWatch ein Selbstbewertungstool entwickelt, das auf einem Fragebogen basiert und 13 übergeordnete Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit von KI-Systemen umfasst. Dazu gehören beispielsweise Transparenz und Verantwortung, inklusives und partizipatives Design, Arbeitsbedingungen und Beschäftigung, Energieverbrauch, CO2- und Treibhausgasemissionen, Nachhaltigkeitspotenziale in der Nutzung und indirekter Ressourcenverbrauch. Diese Kriterien werden in über 40 Indikatoren unterteilt und operationalisiert, um sie praxisnah zu machen.
Beim Energieverbrauch ist es beispielsweise wichtig, die Systemanforderungen im Voraus zu definieren und Modelle mit geringer Komplexität zu bevorzugen. Wo möglich, sollten vortrainierte Modelle verwendet und nur feinabgestimmt werden, um den Energieverbrauch in der Trainingsphase zu reduzieren.
Über Pia Sombetzki
Pia ist Policy & Advocacy Managerin bei AlgorithmWatch, wo sie sich mit den Auswirkungen der zunehmenden Nutzung automatisierter Entscheidungssysteme in verschiedenen Lebensbereichen beschäftigt, sei es am Arbeitsplatz, im öffentlichen Sektor oder in sozialen Netzwerken. Unter anderem analysiert sie die Umweltbelastungen und diskriminierenden Effekte von KI-Systemen und macht Politiker und Medien in Europa auf die Lösungsansätze aufmerksam. Bevor sie zu AlgorithmWatch kam, arbeitete sie in der politischen Bildung und Interessenvertretung bei Organisationen wie Human Rights Watch, INKOTA-netzwerk und European Alternatives.
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