Zunächst bereitete mir die Aussicht eine Woche in Bangalore am „Urban Pastures“ Projekt von Jaaga DNA mitzuarbeiten eigentlich nur Magenschmerzen. Was könnte ich innerhalb einer Woche in einem Land wie Indien, in dem ich noch nie war, dessen Kultur, Bräuche, Regeln, Gewohnheiten, in dem mir einfach alles fremd ist, was könnte ich in einem solchen Zustand der totalen Überforderung großartig anderes machen, als überfordert zu sein?
© Joscha Steffens
Andererseits war ich noch nie in Indien und neues Unbekanntes hatte mich schon immer fasziniert und angezogen. Innerhalb eines Tages hatte ich meine Bedenken verdrängt und sagte zu. Die Einladung von Jaaga DNA beinhaltete ein Kapitel aus der Erzählung „Die Unsichtbaren Städte“ von Italo Calvino, die ich bis dahin noch nicht gelesen hatte. Allerdings war mir seine Novelle vom „Baron auf den Bäumen“ seit der ersten Lektüre nie aus dem Kopf gegangen und jenes vage Gefühl zwischen Kindheitsspielen und dem gleichzeitigen Ausgestoßen-sein aus einer Gesellschaft, etwas Eremitenhaftem, sowie ein romantisch verschwommener Indien-Blick, hervorgerufen durch übermäßige Hesse Lektüre in der Pubertät, begleiteten mich während meiner Reisevorbereitungen.
Die 8 Tage und 7 Nächte in Bangalore vergingen wie im Rausch und es fällt mir im Nachhinein sehr schwer, eine Struktur darin zu erkennen. Es war ein Eintauchen in eine neue Sphäre, eine Sphäre von Wärme und Dichte, von schwerer intensiver Luft, Geräuschen, Lärm und Farben. Zu intensiv, zu eindrücklich waren die Erfahrungen und Begegnungen, die ich gemacht habe, als das ich sie nun räumlich und zeitlich noch voneinander trennen könnte. In meiner Erinnerung ist alles ein großer bunter, lauter, hektischer, ätzender und faszinierend stinkender, wundervoll spacig-maroder Klumpen: Bangalore. Letztendlich befand ich mich wieder und wieder in einer jener „Unsichtbaren Städte“ von denen Marco Polo in der Erzählung Calvinos berichtet. Der Schäfer in Cäcilia – der fortbestehenden Stadt -, dessen Tiere das Gras einer Verkehrsinsel abgrasen und dabei die Erinnerungen an die vergangenen Hänge und Wiesen lebendig werden lassen, war genauso real, genauso präsent wie der nie enden wollende und doch nie kollabierende Verkehrsfluss auf den Megakreuzungen und in den Gassen, genauso aggressiv wie die wilden Hunden, die nachts ihre Reviere verteidigen und genauso anachronistisch wie die monumental inszenierten Panzer und fliegenden Kriegsmaschinen, denen ich in dieser Stadt immer wieder begegnete.
© Joscha Steffens
Besonders prägend war die Zeit, die ich zusammen mit den indischen Künstlern Pinky Gandhi und Roy Sinai verbracht habe. Der direkte Austausch mit den beiden im „Urban Pastures“ Projekt und der damit verbundene Perspektivenwechsel für jeden von uns, ist neben den neu entstandenen Freundschaften wahrscheinlich das wichtigste, das ich mitnehmen konnte. Ohne diese direkten individuellen Kontakte wäre es nicht möglich gewesen, in so kurzer Zeit eine Arbeit wie „Defence Land“ zu realisieren. Mit jedem von den beiden hatte ich einen völlig unterschiedlichen Zugang und Blick auf das komplexe Gebilde Bangalores.
Ich bin dem Goethe Institut, dessen Unterstützung meine Teilnahme erst ermöglicht hatte, sehr dankbar und hoffe, dass es auch in Zukunft weitere intensive Projekte dieser Art wird.