Während meines Aufenthaltes in der 1. Shanthi Road, produzierte ich mehrere Arbeiten; eine davon war ein Fahrrad mit einem daran montierten Auto Lenkrad (inklusive Hupe); eine war eine Fahrradglocke montiert auf einem SUV, und für die dritte bin ich durch die Stadt mit einem (Fahrrad)Heimtrainer gefahren, die auf einem kleinen LKW montiert war.
Ich habe mich für die
bangaloResidency mit einem Vorhaben ursprünglich beworben, verfolgte aber letztendlich eine ganz andere. Ich habe mich auf die Umstände reagiert, in der ich mich befand. Ich hatte ursprünglich bewusst ein Projekt vorgeschlagen, das sich nicht allzu direkt auf die indische Gesellschaft bezog. Als britisch beziehungsweise westlicher Künstler, der relativ neu im indischen Kontext ist, wollte ich nicht naiv behaupten, es sofort zu verstehen. Der ursprüngliche Konzept, eine Plastiktüte Sammlung aufzubauen, hätte ich in verschiedene Orte Weltweit machen können. Als Konzept, es werft Fragen auf, die sowohl Ortsspezifisch sind als auch die ganze Welt betreffen.
Ich denke, Künstler_Innen, die an einer Residenz teilnehmen, befinden sich immer in einer Dichotomie. Einerseits befinden sie sich in einem neuen Kontext und müssen darauf eingehen; andererseits müssen sie darauf achten, nicht zu schnell zu Behaupten, diesen neuen Kontext nach kurzer Zeit zu verstehen - als "Fallschirmkünstler" (und das vor allem, wenn sie, wie in meinem Fall, ein westlicher Künstler in einem globalen südlichen Kontext sind - oder sogar aus der ehemaligen Kolonialmacht!). Ich sehe dies als eine Art Skala, auf dem Künstler_Innen auf Residenzen arbeiten, und es gibt keine einfache Antwort; sie muss verhandelt werden.
In meiner Zeit in Bangalore habe ich mich leicht vom ersten zum letzten Ende der Skala verschoben, indem ich kritisch auf die Situation reagiert habe.
Ich freue mich über diese Verschiebung, denn ich habe nicht nur auf den Kontext reagiert, sondern auch Bedenken und Sensibilitäten, die ich in Berlin entwickelt hatte - rund um Mobilität und Verkehr, mitgebracht. In Berlin verbrachte ich ein halbes Jahr vor meiner Abreise nach Bangalore damit, über Mobilität nachzudenken und bei der Deutschen Bahn als ‚Displaced Artist‘ zu arbeiten. Bei der Ankunft in Bangalore wird man mit dem Verkehr konfrontiert, sowohl praktisch als auch körperlich. Praktisch fand ich es anfangs schwierig, mich in der Stadt zu bewegen. Ich bin hauptsächlich mit App-basierten Taxidiensten, später etwas mehr zu Fuß, lokalen Bussen und gelegentlich der U-Bahn, gefahren. Das ist ein großer Kontrast zu Berlin, wo ich meinen Körper hauptsächlich zum Bewegen benutze - Radfahren oder Gehen. Bald bemerkte ich wirklich den Mangel an körperlicher Aktivität. Ich konnte einfach nicht gehen - es gibt oft keine Fußgängerüberwege oder Gehwege. Dadurch wird das Gehen lästig, man wird ständig von Autos gehupt und muss Autos ausweichen, wenn man die Straße überquert. Es gibt nur wenige Radfahrer in der Stadt, und die meisten Bangaloreaner, die ich traf, waren schockiert über die Idee des Radfahrens oder sagten mir, dass sie als Kind Rad gefahren sind. Auch das Radfahren schien weitgehend ein Transportmittel für ärmere Menschen zu sein, im Gegensatz zu Deutschland, wo alle Bevölkerungsschichten, aber vielleicht noch mehr Mittelständler radeln.
© Oliver Walker
Zusätzlich zu den oben genannten Einflüssen, meine Arbeit bezieht sich auch zum Teil auf die Transportmischung, die auf die Straßen in Bangalore zu finden ist. Fahrspuren werden nicht erkannt, und Motorräder, Busse, Autos, Taxis, Handwagen, Fahrräder und Fußgänger verflechten sich gegenseitig. Vielleicht sind meine Transport ‚Mash ups‘ eine Antwort auf die Art und Weise, wie sich die verschiedenen Verkehrsmittel auf den Straßen vermischen.
Ein weiterer Faktor, der meine Arbeitsweise prägte, war die Verfügbarkeit von Werkstätten in unmittelbarer Nähe der Residenz, ihre Offenheit für Problemlösungen und die Bereitschaft der Residency Hosts, mir zu helfen, meine Ideen mit den Workshops zu diskutieren.
Nur wenige Minuten zu Fuß oder mit dem Auto von der Residenz entfernt fanden wir ein Autoteile viertel, eine Fahrradwerkstatt, eine Motorradwerkstatt, Baumärkte und einen Schneiderladen. Es war nicht nur die Nähe, die einen Unterschied machte; die Werkstätten sind physisch offen (sie haben einen Rollladen und keine Tür, und die Arbeit ist oft vollständig sichtbar). Im Gegensatz zur Industrie in den westlichen Städten, die oft geografisch stärker von Wohngebieten getrennt ist, die Aktivität sichtbar getrennt ist und die Mitarbeiter_Innen und Unternehmer_Innen tendenziell nicht die Zeit und das Interesse haben, so offen zu diskutieren. Hier bin ich mehrmals eingeladen worden, auf den Roller zu springen, und ein paar Straßen mitzufahren, um ein Teil zu besorgen oder etwas zu reparieren. Es war einfach ins Gespräch zu kommen und auch gleich loszulegen. Außerdem sollte ich den ökonomischen Ungleichheit nicht vergessen - hier konnte ich mir bestimmte Dinge einfach leisten, die ich in Deutschland vielleicht nicht leisten konnte. Dies ist eine wirtschaftliche Situation, die durch historische Faktoren entstanden ist, die ich nicht übersehen sollte.
Ich genoss es, abends oft zur 1. Shanthi Road zurückzukommen, um eine hitzige, aber freundliche Debatte am Tisch zu finden. Dies ist derselbe Tisch, an dem Frühstück und Mittagessen gegessen werden, Laptops benutzt und Skizzenbücher gefüllt werden und Getränke für die Vernissagen serviert werden. Shanthi Road ist in Indien sinnvoller - mit seiner teilweise aufgelöste Grenze zwischen privat und öffentlich. Die Ateliers, in dem man sich zurückziehen kann, liegen wie ein Kartenhaus über den Innenhof, die Küche und das Wohnzimmer, wo wiederum das Gemeinschaftsleben stattfindet. Künstler_Innen und bekannte des Hauses schauen unangekündigt vorbei, und das macht es zu einem großartigen Ort.
© Oliver Walker
Mehrere der Goethe Residents haben beschlossen, dass es sinnvoll wäre, eine Gruppenausstellung in der Shanthi Road 1 zu machen. Von Anfang an wussten wir, dass wir die verschiedenen Räume der Shanthi Road nutzen wollten, und das gelang uns: mit meinem auf der Straße beleuchteten Arbeit, der Galerie mit einer Installation und einige Fotoserien, der Innenhof mit einer Projektion, dem Wohnzimmer mit in die bestehende Sammlung eingeschmuggelten Porträts und dem Dach mit einer schönen Videoarbeit mit der Stadt als Hintergrund. Die Besucher_Innen wurden ermutigt, die verschiedenen Räume zu erkunden.
Diese Faktoren und die sehr Aktive Umgebung von 1 Shanthi Road, bedeutete für mich eine sehr produktive Zeit. Es beschleunigt die Zeit zwischen Idee und Umsetzung, und ich fühlte mich entspannter beim Produzieren.