Die deutsch-polnischen Beziehungen waren seit jeher prägend für die Geschichte beider Staaten. Vor allem deutsche Siedler konnten sich ab dem 10. Jahrhundert in der polnischen Gesellschaft etablieren, erreichten gar prestigträchtige und einflussreiche Ämter und hatten einen entscheidenen Einfluss auf die Geschehnisse im Königreich Polen.
Vor dem 12. Jahrhundert waren es nur wenige Geistliche, Kaufleute oder Ritter, die ihren Weg in das junge Königreich fanden. Das 12. Jahrhundert hingegen war in der polnischen Geschichte von der Teilung in viele kleinere Fürstentümer geprägt (poln. rozbicie dzielnicowe). Diese Tatsache forderte von den jeweiligen Fürsten eine behutsame Politik. Um ihre Macht zu schützen, luden die polnischen Fürsten deutsche Siedler ein, die zu dieser Zeit den Ruf von kompetenten Arbeitskräften inne hatten und somit den wirtschaftlichen Aufschwung des jeweiligen Fürstentums vorantreiben sollten. Seit der Regentschaft von Heinrich I., ab 1201 Herzog von Schlesien und ab 1232 Princeps von Polen, kann man de facto von einer Massenemigration sprechen. Dieser Herrscher stellte nämlich vorwiegend deutsche Handwerker ein, die maßgeblich für den wirtschaftlichen Aufschwung seines Fürstentums verantwortlich waren, sodass kurz darauf auch die Bischöfe von Breslau und Krakau, gefolgt von allen anderen, deutsche Handwerker und Kaufleute anstellten.
Die Deutschen besiedelten meist Handelsplätze, die binnen kurzer Zeit zu Städten wurden. Da hiermit ganze deutsche Stadtsiedlungen entstanden, sprachen die polnischen Fürsten der deutschen Bevölkerung zahlreiche Rechte zu, die im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation legitim und gültig waren. Das wohl bekannteste unter ihnen war das Magdeburger Stadtrecht, welches ab dem 13. Jahrhundert zum geltenden Recht in Polen wurde.
Nach neuesten Erkenntnissen gehen Historiker von einer Zahl von 100 000 deutschen Siedlern aus, die im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts nach Polen kamen. Dies ist bei einer Gesamtbevölkerung Polens von ca. 1 Million eine beachtliche Menge. Viele unter ihnen genoßen die Gunst der höchsten polnischen Entscheidungsträger, wie beispielsweise Nikolaus Wiersing oder Veit Stoß. Während der erste im Jahre 1364 Herrscher aus ganz Europa, die auf Einladung des Königs Kasimir dem Großen nach Krakau kamen, bewirtet hat, was heute immer noch in der kollektiven Erinnerung lebendig ist (u.a. durch das Restaurant Wierzynek am Hauptmarkt in Krakau), zeichnete sich der zweite als einer der führenden Bildhauer seiner Zeit (u.a. mit dem Altar für die Marienkirche in Krakau) aus.
Das friedliche Zusammenleben von Polen und Deutschen wurde im 14. und 15. Jahrhundert durch Kriege mit dem Kreuzritterorden gefährdet. Der langjährige Konflikt wie auch die Assimilierung der deutschen Siedler führten zu einer starken Polonisierung im 15. Jahrhundert, die das Gleichgewicht vor allem in der Oberschicht ins Wanken brachte. So war der Anteil des vormals überwiegend deutschen Bürgertums in Krakau des 16. Jahrhunderts auf ca. 20% geschrumpft.
In den folgenden Jahrhunderten erlebte die deutschsprachige Minderheit ein Wechselspiel zwischen antideutscher Stimmung, maßgeblich seitens des polnischen Adels, und schlichter Gleichgültigkeit gegenüber dem deutschen Nachbarn vor Ort. Grund für immer mehr kritische Stimmen gegenüber der königlichen Migrationspolitik waren auf der einen Seite zahlreiche Konflikte sowohl im Ausland als auch Inland, auf der anderen Seite auch die Reformation, der man Missmut im katholischen Polen entgegenbrachte. Nichts desto trotz kann verlief das Zusammenleben friedlich und ohne größere Konflikte.
Die Teilungen Polens im 18. Jahrhundert schränkten etappenweise die polnischen Staatsgrenzen ein, zeitgleich entwickelten sie aber auch die ethnischen Grenzen des polnischen Vielvölkerstaates. Die deutschsprachige Minderheit wurde von einem Tag auf den anderen in den von Preußen und Österreich-Ungarn annektierten polnischen Gebieten eine privilegierte Mehrheit.
Vor allem die Germanisierungspolitik Bismarcks und die darauffolgenden Versuche, die polnische Bevölkerung zwangsweise zu assimilieren, führten im 19. Jahrhundert zu einer starken Antipathie der Polen gegenüber den Deutschen, die maßgeblich als Besatzer verstanden wurden. Nichts desto trotz waren politische Feindschaften nicht zwangsläufig Faktoren, die in der Bevölkerung zu ethnischen Auseinandersetzungen führten. Viele Deutsche verstanden sich immer noch als Polen und führten ihren Assimilierungsprozeß fort.
Am Ende des Ersten Weltkrieges trat der Versailler Vertrag in Kraft, der zahlreichen Völkern Mittel- und Osteuropas die langersehnte Unabhängigkeit brachte. Infolgedessen entstand nach 123 Jahren ein unabhängiger polnischer Staat, die II Rzeczpospolita. Die Deutschen bildeten in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ca. 4% der Gesamtbevölkerung des Vielvölkerstaates Polen, was ihr Platz 4 unter den Minderheiten brachte. Da die polnische Regierung 1919 den sog. Kleinen Versailler Vertrag unterschrieb, in dem sie den jeweiligen Minderheiten elementare Rechte zusprach, konnte die deutschsprachige Minderheit ihre Kultur und Sprache frei pflegen. Es entstanden deutsche Schulen, Kulturverbände und politische Parteien, deren Abgeordnete auch im polnischen Sejm präsent waren. Die revisionistische Politik der Weimarer Republik und vor allem des Dritten Reiches führte 1934 zur Revidierung der Beschlüsse des Vertrages, was eine Verschlechterung der Bedingungen für Angehörige der deutschen Minderheit mit sich brachte. Größere Spannungen oder gar Pogrome blieben aber aus.
Der Angriff Deutschlands auf Polen am 1. September 1939, der oftmals in der polnischen Historiografie als Anfang der „4. Teilung“ angesehen wird, wurde durch die Regierung Hitlers mit der Rückeroberung „urdeutschen“ Bodens begründet. Teilweise wurde das polnische Gebiet dem Deutschen Reich einverleibt, was mit einer Massenvertreibung der dort ansässigen polnischen Bevölkerung verbunden war. Die restlichen Gebiete, sprich Mittel- und Südpolen, die durch den Ribbentrop-Molotow Pakt an Deutschland fielen, wurden im sogenannten Generalgouvernement zusammengefasst, einer künstlichen Administrationseinheit mit Regierungssitz in Krakau, die im Hinblick auf „ethnische Säuberungen“ und Germanisierung zur Einverleibung in das Reich vorbereitet werden sollte. Insgesamt 750 000 Reichsdeutsche besiedelten die neu eroberten Gebiete und bildeten die führende politische und administrative Schicht, da es im Gegensatz zum restlichen Europa den Deutschen nicht gelang, in Polen eine kollaborative Regierung zu schaffen.
Ein neuer polnischer Staat entstand erst 1945, nachdem schon 1943 bei der Konferenz in Teheran erste Beschlüsse bezüglich der Grenzen des neuen polnischen Staates (im sowjetischen Einflussgebiet) fielen. Polen verlor im Zuge des Krieges knapp 1/3 des ehemaligen Staatgebietes (mitunter wichtige Kulturzentren, wie Lemberg oder Wilna) und erhielt im Gegenzug die deutschen Gebiete östlich der Oder, also Niederschlesien, Pommern, Ermland und Masuren. Die Beschlüsse von Teheran (und später endgültig in Jalta) forderten eine groß angelegte Umsiedlungsaktion auf beiden Seiten – die polnischen Bürger der sog. Kresy, also der östlichen Woiwodschaften, wurden gezwungen nach Pommern und Niederschlesien zu ziehen; die deutschen Bürger, die noch nicht aus eigener Initiative vor der Front in das Landesinnere geflüchtet waren, mussten ausreisen. Das von der UDSSR koordinierte Unterfangen forderte auf beiden Seiten zahlreiche Todesopfer und ist bis heute ein geschichtlicher Brennpunkt.
Bibliographie:
Główny Urząd Statystyczny Rzeczypospolitej Polskiej (Hrsg.): Mały Rocznik Statystyczny 1921, Warszawa 1921
Główny Urząd Statystyczny Rzeczypospolitej Polskiej (Hrsg.): Mały Rocznik Statystyczny 1939, Warszawa 1939
Matelski, Dariusz: Niemcy w Polsce w XX wieku, Poznań 1999
Van der Meulen, Hans (Hrsg.): Anerkannt als Minderheit, Baden Baden 1994
Zybura, Marek: Niemcy w Polsce, Wrocław 2001.
Wojciech Dzido,
Magister der Geschichte, Referent Goethe-Institut Krakau
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